Wie viel "God Bless America" verträgt das deutsche Publikum? - «Homeland» wird für deutsche Sehgewohnheiten ungewohnt ausfallen. Sowohl von seiner Thematik als auch seiner Erzählweise her. Ein Kommentar von Julian Miller.
Wenn man «Homeland» verstehen will, muss man die Sentiments jenseits des Atlantiks verstehen, insbesondere die Konsequenzen des 11. Septembers, der hinsichtlich seiner Tragweite in Deutschland noch heute zu weiten Teilen fehlinterpretiert wird, auf die amerikanische Psyche.
Möglicherweise ist «Homeland» ein fiktional aufbereiteter Ausfluss dieser Ereignisse, eine Inszenierung der amerikanischen Empfindungen zwischen Bedrohungsgefühl und Angst. Der „Krieg gegen den Terror“ wird in Deutschland gerne als Humbug abgetan, teilweise gar als ein Verbrechen gegen die Menschheit deklariert. Der Gipfel ist dann erreicht, wenn Angela Merkel nach ihrer positiven Reaktion auf die Liquidierung Osama bin Ladens Querschüsse aus der eigenen Partei hinnehmen muss, welche in Amerika wiederum, wenig verwunderlich,
mit einer Mischung aus Befremden und Entsetzen aufgenommen werden. Teilen der deutschen Öffentlichkeit werden bestimmt die Wiederworte (und wohl auch die Heuchelei) zum Hals hochkommen, wenn sie den Patriotismus und das Abfeiern amerikanischer Werte bei «Homeland» sehen werden.
Die Serie dreht sich um den im Irak verschollenen Soldaten Nicholas Brody, der acht Jahre nach seinem Verschwinden im Haus eines islamistischen Terroristen aufgefunden wird. Unrasiert, verwahrlost, sein Körper mit zahlreichen Narben übersät. Er war ein Gefangener von Abu Nazir, dem fiktiven Al-Kaida-Führer der Serie.
Die toughe CIA-Offizierin Carrie Mathison wird mit dem Fall betraut – und stellt bald Ungereimtheiten in Brodys Geschichte fest. Schnell verdichten sich die Anzeichen und Carrie muss, zwischen einer Maulwurfsjagd und einigem Misstrauen innerhalb der CIA, der Frage nachgehen, ob Brody noch auf der richtigen Seite steht oder heimlich für Abu Nazir arbeitet und einen verheerenden Anschlag auf amerikanischem Gebiet plant.
Durch seine politische Relevanz, durch seine oft eindeutige Haltung in relevanten Fragen, die die amerikanische Gesellschaft beschäftigen, durch die Einflechtung unverkennbarer Was-wäre-wenn-Momente der jüngeren Geschichte, kurz: durch seine außerordentliche Realitätsnähe und Glaubwürdigkeit ist «Homeland» weit mehr als eine weitere Inkarnation des alten Agenten-Katz-und-Maus-Spiels. «Homeland» ist ein Worst-Case-Szenario der amerikanischen Sicherheitspolitik – und zwar kein sonderlich aus der Luft gegriffenes. Vielleicht ist es gerade das, was die Serie so populär macht, sowohl bei den Zuschauern als auch den Kritikern.
Natürlich neben all den anderen Kriterien, die die Serie zweifelsfrei erfüllt und die hier nur noch am Rande Erwähnung finden müssen: Die Plots sind stringent erzählt, die Dialoge sind tiefgründig und werden messerscharf geführt, die Charaktere sind nahbar und äußerst komplex, die Erzählweise in ihrer Radikalität vollkommen kompromisslos, Claire Danes und Damien Lewis liefern eine regelrechte Tour de Force durch bisher zwei Staffeln atemlose Spannung. Herzzerreißende Sequenzen, intellektuell und emotional vom Zuschauer einiges abfordernde Dialogszenen und ein kompliziertes Intrigengewirr prägen das Bild. Action sieht man nur punktuell, was sie letztlich an den markanten Stellen umso wirkungsvoller macht.
Ein wenig Pathos gehört natürlich auch dazu. Doch er passt vollumfänglich zum Konzept. Derartig hochwertig erzählte und umgesetzte Produktionen wie «Homeland» sind auch im amerikanischen Pay-TV nicht alle Tage zu sehen. Und man räumt auch nicht umsonst zwei Jahre in Folge die Golden Globes für die beste Serie und die besten Hauptdarsteller ab. Es gibt im Fernsehen nichts Vergleichbares.
«Homeland» startet am Sonntag, den 3. Februar um 22.15 Uhr in Sat.1. Die erste Folge ist
bereits online verfügbar.