Teil I: Januar bis April – Thomas Gottschalk beherrschte die Schlagzeilen ebenso wie Christian Wulff, der Anfang 2012 mit seiner Affäre die Polit-Talkshows bestimmte.
Kaum hatte das Jahr begonnen, konnte man eigentlich schon wieder rückwärts zählen: nämlich die Tage bis zu Christian Wulffs Rücktritt. Pünktlich am 1. Januar berichtete die FAZ von einem Anruf des Bundespräsidenten bei „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann. Die Krise um das ohnehin schon schwer angeschlagene und nicht mehr glaubwürdige Staatsoberhaupt ging mit einem Kracher in die zweite Runde. In einem Interview mit den öffentlich-rechtlichen Sendern konnte er die gegen ihn erhobenen Vorwürfe nicht einmal ansatzweise entkräften, eine angedachte Sendung bei ProSieben, in der er seine Sicht der Dinge hätte präsentieren können, lehnte er sogar ab. Keine Polit-Talk-Show ohne Wulff als Hauptthema – und keine dieser Gesprächsrunden ohne das Ergebnis, dass der Mann aus dem Amt musste, wenn es nicht so bedeutungslos wie das des Dschungelkönigs werden sollte.
Und dann war da noch der Beginn der wohl größten Medienlachnummer des Jahres: Am 23. Januar ging «Gottschalk live» auf Sendung – mit ständigen Werbeblöcken, „Bohemian Like You“ und einem Gottschalk, der nicht so recht wusste, was er da eigentlich sollte. Viel verändert hat sich bis zur Absetzung im Sommer daran nicht. Viermal in der Woche völlig konzeptloses Senden am Vorabend der ARD. Und dafür hatte man sich zweistellige Marktanteile erhofft. Die Enttäuschung kam bereits am zweiten Sendetag, als der Marktanteil um fast die Hälfte einbrach – und damit der zweitbeste aller Ausgaben bleiben sollte.
Im Februar endete bei RTL das letzte Dschungelcamp mit Dirk Bach. Die Siegerin hieß Brigitte Nielsen, die sich im Finale gegen Micaela Schäfer, Rocco Stark und dessen Neufreundin und Ex-«DSDS»-Kandidatin Kim Gloss durchsetzen konnte. Eigentlich keine allzu große Überraschung für halbwegs erfahrene Dschungelcamp-Zuschauer. Immerhin passt Nielsen perfekt in das Schema der potentiellen «Ich bin ein Star, holt mich hier raus!»-Sieger. Zudem setzte sich die ebenso charismatische wie toughe Dänin schon im italienischen Pendant gegen ihre Mitkandidaten durch. Jedoch: Ein dauerhaftes Abo auf die Präsenz in der Regenbogenpresse sollte der Gewinnerin nach ihrer Teilnahme nicht vergönnt sein. So war Brigitte Nielsen nach der Ausstrahlung noch des Öfteren in seichten Unterhaltungsformaten zu Gast, machte jedoch ab Mitte des Jahres fast ausschließlich Schlagzeilen aufgrund ihrer wiederkehrenden (und öffentlichen) Alkoholexzesse. Da ging es beim Vize-Dschungel-Königspaar doch wesentlich romantischer zu. Auch wenn viele noch an einen PR-Gag dachten und wohl kaum einer an eine dauerhafte Beziehung zwischen Kim und Rocco geglaubt hätte, so erwarten die beiden Anfang 2013 ihr erstes gemeinsames Kind.
Während Martin Scorsese in LA Triumphe mit «Hugo» feierte, musste sich Kollege J.J. Abrams hierzulande mit seiner Serie «Alcatraz» etablieren. Was das miteinander zu tun hat? Ganz einfach: Die beiden Sender RTL Nitro und glitz* gaben – ebenfalls im Februar – ihre Programmausrichtung bekannt. Während der eher männlich ausgerichtete Kanal RTL Nitro mit Serienklassikern wie «Knight Rider», «Simon & Simon» und später auch neuen Formaten wie eben «Alcatraz» punktete, richtete sich glitz* eher an ein feminines Publikum und kann damit momentan noch nicht an die Erfolge des sich ähnlich orientierenden Senders sixx anknüpfen. Das Aus-dem-Boden-Stampfen neuer Sender schien 2012 zu einem neuen Trend zu werden. Neben RTLs Nitro und glitz* kündigte auch die ProSiebenSat1-Gruppe für 2013 zwei Spartenkanäle an: Sat1 Gold und ProSieben Maxx.
Im März hat man auch bei der ARD erkannt, dass es so nicht weitergehen kann. «Gottschalk live» sollte „ein neues Konzept“ bekommen. Oder wie man damals gewitzelt hat, überhaupt ein Konzept. Eine Woche lang wurde umgebaut, das liebevoll im Yuppiestil eingerichtete Zimmer zerlegt, dafür das «Markus Lanz»-Einheitsset aufgebaut und die Fenster im Humboldt Carré vernagelt. Natürlich hat das von Anfang an keinen Sinn gemacht, aus einer so exklusiven Location zu senden, wenn man genauso gut in irgendeinem Bunker in Köln-Ossendorf produzieren könnte. Und so war es auch keine sonderliche Überraschung, dass der Umbau weder eine Quoten- noch eine inhaltliche Besserung mit sich brachte. Ein Konzept hatte man nämlich immer noch nicht; von einem möglichen Alleinstellungsmerkmal einmal ganz zu schweigen.
Und während «Gottschalk live» schon zwei Monate nach Sendestart in den letzten Zügen lag und man auch trotz des Sendungstitels den Live-Betrieb einstellte, machte Sat.1 mit seinem Aushängeschild Harald Schmidt Nägel mit Köpfen und stellte das Format ein, nachdem der damalige Sat.1-Geschäftsführer Joachim Kosack im Januar noch verkündet hatte, bei der Sendung nicht auf die Quote zu schauen. Die große Rückkehr zum eigentlichen Heimatsender musste damit als gescheitert abgeschrieben werden. Obwohl die Absetzung die besten Ausgaben dieser Inkarnation der «Harald Schmidt Show» einleiten sollte.
Der April zeigte sich dieses Jahr Show-freudig. Während Linda de Mol in Sat.1 ihr langerwartetes Comeback feierte und als Gastgeberin durch die groß angekündigte Talent-Gameshow «The Winner is» führte, lud der ehemalige «Schlag den Raab»-Moderator Matthias Obdenhövel zu seinem eigenen «Countdown». Aus Quotensicht lief es jedoch verbesserungswürdig. Vor allem beim Publikum von Sat.1 schien die interessante Mischung aus Spiel- und Castingshow nicht anzukommen. Zwar konnte sich die Show nach einem durchwachsenen Start vor einem gut eineinhalb Millionen starken Publikum auf immerhin 1,7 Millionen Zuschauer steigern, bei einer durchschnittlichen Anzahl von 1,66 Millionen und einem Marktanteil von round about zehn Prozent pro Sendung, bewegte sich die Show jedoch lediglich auf dem Senderschnitt. Eine zweite Staffel ist fraglich, qualitativ jedoch wusste diese doch andersartige Show zu überzeugen. Ähnlich erging es «Opdenhövels Countdown». Vielleicht sollte es ein zweites «Schlag den Raab» werden. Da Matthias Opdenhövel in opulenten Action- und Gameshows leichtes Spiel hat, schien Das Erste es der privaten Konkurrenz und Opdis ehemaligem Arbeitgeber gleichtun zu wollen und stampfte eine Family-Gameshow aus dem Boden. Vor gut drei Millionen Interessierten gestartet, musste bereits die zweite Ausgabe ordentlich einstecken und verlor fast eine Million Zuschauer. So hatte sich die ARD dieses Experiment – von unserem Kritiker damals liebevoll als „Action-Dalli-Dalli“ bezeichnet – wohl nicht vorgestellt.