Popcorn und Rollenwechsel: Freeman, der neue Walken

Abgerundete, denkwürdige Charakterisierungen sowie ein stetes Gefühl des Familiären: «Der Hobbit» zeigt, dass Martin Freeman auf dem Weg ist, ein Meister der abwechslungsreichen Typbesetzung zu werden. Christopher Walken lässt grüßen?

Manche Schauspieler haben es aufgegeben, schleppen sich von miesem Film zu miesem Film, ohne auch nur einen Funken Ambition zu zeigen. Die früheren Oscar-Gewinner Cuba Gooding Jr., Geena Davis oder Halle Berry (die sich mit «Cloud Atlas» wieder fing) kommen da zum Beispiel in den Sinn. Um diese Schauspieler geht es hier nicht. Sondern um jene, die einst noch ein gewisses darstellerisches Spektrum beherrschten, in unterschiedliche Rolle schlüpfen konnten, selbst wenn sie für einen bestimmten Typus besonders bekannt waren, und eines Tages all dies aufgaben. Seither spielen sie immer und immer wieder Abwandlungen ein und derselben Rolle – das allerdings mit feurigem Eifer und zuweilen auch mit versteckten Tiefen.

Diese Schauspieler versammeln oft eine große Fangemeinde um sich, schlicht, weil es etwas lässiges und charismatisches an sich hat – und weil nur jene Schauspieler mit dieser Aktion durchkommen, die über Leinwandausstrahlung verfügen sowie auch beim wiederholten Male nicht langweilig werden. Christopher Walken ist einer von ihnen. Es ist schwer zu glauben, dass „der seltsame, leicht bedrohliche Alte“ aus «Pulp Fiction», «True Romance», «Wedding Crashers» und «7 Psychos» tatsächlich einst einen Academy Award gewann. Aber wann immer er mit seinen steifen, schrägen Betonungen in einem Film auftaucht, wird er dafür gefeiert:



Ähnlich, wenngleich ohne die enorme Dosis an gesunden Fremdschammomenten, verhält es sich auch mit Tommy Lee Jones, der spätestens seit «Men in Black» nahezu durchweg als „der grummelnde, wortkarge Alte mit trockenem Humor“ besetzt wird, siehe etwa «Captain America – The First Avenger», «No Country for Old Men» oder «Space Cowboys». Und auch Robert Downey Jr. ist auf dem besten Wege, waren doch seine (unstreitbar gewinnenden) Performances als Iron Man und Sherlock Holmes kaum mehr als „die idealisierte Version von Robert Downey Jr. ist ein ultrareicher Erfinder und Superheld“ und „die idealisierte Version von Robert Downey Jr. ist enorm aufnahmefähig … und lebt im Viktorianischen Zeitalter“. Und dafür liebt ihn das zahlende Kinopublikum. Berechtigterweise.

Die Riege der perfekt in Schubladen gesteckten, vielschichtigen Schauspieler braucht stets Nachwuchs (Walken und Jones werden uns leider nicht ewig erhalten bleiben), und derzeit läuft in den Kinos dieser Welt ein immens kostspieliges Bewerbungsvideo für diesen erlesenen Club. Martin Freeman stolpert als Bilbo Beutlin durch die wundersame Welt von «Der Hobbit – Eine unerwartete Reise», agiert darin mit einem umfassenden Gefühlsspektrum, erweckt die Rolle des verschüchterten Abenteuers glaubwürdig ... Und trotzdem scheint er mit seinen Blicken stets sagen zu wollen: „Seriously, Sherlock?!“ Diesen verwunderten, nüchternen Blick übte Freeman bereits in der polarisierenden Kinoadaption von «Per Anhalter durch die Galaxis», wo er als Arthur Dent durch das wunderliche Universum stolperte, zur Perfektion brachte er ihn allerdings in der großartigen BBC-Serie «Sherlock».

Dent, Watson und Beutlin sind alle drei eigene Figuren, aber der Freeman-Humor schmeckt dauernd durch – was nicht nur bei seiner Web-Fangemeinde ankommt, sondern auch bei den meisten professionellen Kritiken, wo er zu den stärksten Punkten des Films gezählt wird. Kurzum: Beste Voraussetzungen für eine ganze Karriere voll solcher Rollen.
17.12.2012 00:00 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/60993