Jan Böhmermann weitete 2012 die Popularität seiner forschen, satirischen Art massiv aus, überflügelte Harald Schmidt in dessen Show und startete eine Kult-Talkshow. Über den (nicht ganz so) heimlichen TV-Gewinner des Jahres ...
Fast wäre man dazu geneigt, Böhmermann als den Durchstarter des Jahres zu bezeichnen. Dabei ist er schon lange Teil der deutschen Radio- und Fernsehwelt. Dort war er auch keinesfalls ein unauffälliges Lichtlein. Aber im Vergleich zu dem nachhaltigen Eindruck, den der Wahlkölner 2012 hinterließ, verblasst sein vorheriges Wirken. Als männliche Hälfte des titelgebenden Moderatorenduos der vom Feuilleton und der jungen, netzaffinen Zielgruppe gefeierten Talkshow «Roche & Böhmermann» sowie wandelnder Jahreshöhepunkt der Sat.1-Inkarnation der «Harald Schmidt Show» gewann Böhmermann so viele neue Anhänger, dass es im Rückblick fast erstaunt, dass er bereits seit mehreren Jahren auf zahlreichen Plattformen auf die wilden, jungen Intellektuellen zielt. Vorher war er fähiger Schütze – dieses Jahr traf er mehrmals hintereinander exakt ins Schwarze.
Die hohe, respektvolle Gesprächskultur wird im verrauchten, kaum beleuchteten Studio nicht gepflegt. Da greift Böhmermann auch mal Britt Hagedorn an, weil sie in «Schwer verliebt» Menschen „am Rande der geistigen Behinderung“ bloßstelle, allerdings geschieht dies auf einer wunderlich un-krawalligen Weise. In «Roche und Böhmermann» geben sich die Gäste, auch dank Roches und Böhmermanns Fragestil, authentisch und plaudern offen drauf los. Gefühle können da verletzt werden, Grenzen überschritten – aber nie mit amoralischem Kalkül.
Die Popularität ist groß genug, dass das ZDF das Nischenformat ins Hauptprogramm holt. Für den früheren Radiojournalisten gewiss ein Anlass zur Freude. „Ich habe keinen Bock, mit Nischenproduktionsbudget eine Nischenproduktion für ein Nischenhonorar zu machen, das ist natürlich unbefriedigend. Damit wir langfristig das Fernsehen retten können, müssen uns erstmal mehr Leute sehen“, erklärte Böhmermann noch im November dem Magazin Neon. 2012 war ein erster Schritt in diese Richtung. 2009 wurde noch die vom Feuilleton gefeierte Show «TV-Helden» eingestellt, bevor Mundpropaganda entstehen konnte. 2012 wurde über Böhmermanns Nischensendungen debattiert, als seien sie Primetime-Hits bei RTL oder ProSieben. Und 2013 ..?