Quo vadis, Quatsch?

Der «Quatsch Comedy Club» war einst die Comedyinstanz im deutschen Fernsehen. Wo steht er nun, und wieso verlor er an Prominenz?

Wann haben Sie sich eigentlich zuletzt eine neue Episode des «Quatsch Comedy Club» angeschaut? Die bislang letzte Gelegenheit dazu hatten Sie am 15. September 2011 um 0.15 Uhr. Genutzt haben diese Chance nur 0,41 Millionen Fernsehnutzer – mit 5,5 Prozent Marktanteil insgesamt und 8,9 Prozent in der werberelevanten Zielgruppe schrie dieser Wert nicht gerade nach einer baldigen Fortführung des Kultformats. Im Schnitt kam die 2011 gezeigte, 15. Staffel der Comedyshow sogar nur auf magere 8,2 Prozent bei den Umworbenen. Diese Zahlen sind vor allem aber auch Ausdruck des gesunkenen Sterns des «Quatsch Comedy Club». Liefen die neuen Episoden 2011 deutlich unter Senderschnitt und fiel die Staffel 2010 mit neun Folgen äußerst spärlich aus, so war das Format früher eines der Aushängeschilder von ProSieben – und Vorreiter der Comedybewegung in Deutschland.

Nach einem kurzen Stelldichein auf Premiere fand der «Quatsch Comedy Club» 1997 einen festen Platz bei ProSieben und popularisierte dort den Begriff des Comedian und des Stand-Ups. Die Karrieren von Ingo Appelt, Dieter Nuhr und insbesondere von Michael Mittermeier wurden durch die Show entscheidend vorangetragen. Mittermeier, der Popstar der deutschen Comedyszene, bevor Mario Barth anfing, ganze Stadien zu füllen, durfte sein Kultprogramm «Zapped!» sogar in einer Sonderausgabe in kompletter Form dem Fernsehpublikum präsentieren. Und dies lange bevor es üblich war, komplette Comedyprogramme im TV zu zeigen. Ohne «Zapped!» wäre es das wohl nie geworden.

Die Quoten des «Quatsch Comedy Club» waren lange Zeit einem so einflussreichen Format angemessen. Die zehnte Staffel erreichte 2004/2005 im Schnitt 1,09 Millionen Menschen und 12,1 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen und hielt so montags um 23.15 Uhr die Fernsehkonsumenten auf dem Stand der Dinge bei den großen Comedystars und brachte ihnen derweil auch Newcomer näher. Schon mit Staffel elf ging es abwärts, doch mit knapp unter elf Prozent hielt der «Quatsch Comedy Club» bis 2007 immerhin eine wichtige Stellung im ProSieben-Programm – auch dank regelmäßiger Wiederholungen.

Mittlerweile hat Thomas Hermanns' televisionäres Baby seinen Einfluss und seine Berühmtheit eingebüßt. Doch woran liegt das? Einerseits ist auffällig, wie das abkühlende Zuschauerinteresse damit zusammenfällt, dass sich Hermanns verstärkt aus der Sendung zurückzog. Klassische Episoden eröffneten mit einem Stand-Up des stets lächelnden Komikers, außerdem präsentierte er in der Rubrik „Fundstück der Woche“ skurrile Gegenstände und Websites. Durch Hermanns Einsatz erhielt der «Quatsch Comedy Club» Persönlichkeit und auch einen groben Zusammenhalt, während spätere Ausgaben, in denen Hermanns kaum mehr tat, als die auftretenden Comedians anzusagen, eine bloße Aneinanderreihung von Auftritten darstellten.

Die Stellung des «Quatsch Comedy Club» als Deutschlands Comedyinstanz wurde nach und nach jedoch auch durch die Vormacht von RTL untergraben. Der Kölner Marktführer überträgt – häufig mit beachtlichem Erfolg – Soloprogramme populärer Comedians und bietet diesen mit Shows wie «Willkommen bei Mario Barth» oder «Cindy und die jungen Wilden» einen Fernseh-Spielplatz, wo sie sich über ihre Stand-Ups hinaus austoben können. Und wo sie, auch dank des starken Lead-Ins der RTL-Castingshows, ein Publikum erreichen, von dem der «Quatsch Comedy Club» selbst mit seinen Primetime-Specials nur träumen konnte. Die neue Generation von Komikern wie Bülent Ceylan oder Cindy aus Marzahn trat zwar auch im «Quatsch Comedy Club» auf, ihren Durchbruch bei der breiten Masse hatten sie jedoch mit Auftritten bei den wesentlich publikumsträchtigeren RTL-Sendungen. Aber auch YouTube stahl dem «Quatsch Comedy Club» etwas von seiner Kompetenz: Neue Comedians erlangen oftmals durch gefragte Clips Popularität, bevor sie das Fernsehen erobern – man denke an René Marik oder Tedros „Teddy“ Teclebrhan. Als Comedy-Sprungbrett (seitens der Künstler) oder kompaktes Comedy-Sammelsurium (seitens der Zuschauer) ist der «Quatsch Comedy Club» in Zeiten des Web 2.0 ein Auslaufmodell.

Im Fernsehen scheint die Stellung des «Quatsch Comedy Club» verloren – daran ändern auch Wiederholungen des 2011 gezeigten Weihnachtsspecials wohl kaum etwas. Hermanns' Wunschprojekt, die Stand-Up-Club-Kultur nach Deutschland zu bringen, erfüllt sich hingegen: Berlin, Hamburg und Düsseldorf haben mittlerweile feste Live-Clubs, in denen neben prominenten Comedians auch jene auftreten, die weder zum RTL-Klüngel gehören, noch Selbstläufer bei YouTube sind. Der «Quatsch Comedy Club» ist also nicht weg – er ist nur nicht mehr dort, wo ihn der zappende Fernsehkonsument so schnell findet.
06.12.2012 08:30 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/60791