Popcorn und Rollenwechsel: Osc-Ar-Go

Früh geraten ist halb gewonnen: Welche Filme gelten neben Ben Afflecks «Argo» derzeit als heiße Oscar-Kandidaten?

Für besonders begeisterte Filmfans beginnt die Oscar-Saison nicht erst mit Bekanntgabe der Academy-Award-Nominierungen, sondern bereits im Herbst des Vorjahres. Dann tröpfeln in den US-Kinos die ersten typischen Vertreter des Oscar-tauglichen Films ein und parallel dazu starten die Verleiher ihre Award-Promokampagnen in Branchenblättern. Frei nach dem Motto "Der frühe Vogel errät viel besser, welcher Wurm mit einem Preisgeld gewürdigt wird" (oder so ähnlich) bietet sich deshalb eine erste, vorsichtige Oscar-Prognose an.

In der großen Hauptkategorie etwa konzentriert sich der bisherige Oscar-Hype vor allem auf Ben Afflecks Thriller «Argo», der auf mitreißende Weise die Prinzipien des klassischen Hollywoods verfolgt und eine gar nicht mal so dumme Story auf äußerst unterhaltsame Weise umsetzt. Als handwerklich bestechender Unterhaltungsfilm, der mitdenkende Zuschauer nicht beleidigt, ist «Argo» ein Oscar-Kandidat, mit dem man fest rechnen sollte. Eine Nominierung in der Kategorie "Bester Film" ist nahezu garantiert, auch fürs adaptierte Drehbuch, die Ausstattung und Afflecks Regie könnte es Nennungen geben.

Von den auf dem US-Markt bisher gestarteten Filmen ist es sonst nur um «Lincoln» sehr gut bestellt, da Spielbergs Biographiedrama Kritiker begeisterte und die Academy-Mitglieder für diese politisch-dramatische, nicht aber kontroverse Thematik oft gut zu haben sind.

Äußerst spannend gestaltet sich die Kategorie "Bester Animationsfilm", die kommendes Jahr aufgrund der Fülle an eingereichten Werken (über 20 Stück) wieder fünf Nominierungen umfassen wird. Der Primus in dieser Kategorie, Pixar, steht trotz manch negativer Kritiken für «Merida» erneut ganz vorne auf der Liste der potentiellen Nominierten. Auch wenn Kritiker und Zuschauer die diesen Film immens lieben rarer gesät sind als etwa bei «Toy Story 3», kam das Schottenmärchen immer noch sehr gut an. Auch «Ralph reichts» von Pixars Konzernmutter Disney kam sehr gut beim zahlenden Publikum, den Kritikern und Branchenmitgliedern an. Ansonsten wird es ein heißes Rennen: Die Stop-Motion-Horrorkomödien «ParaNorman» und «Frankenweenie» könnten sich gegenseitig Stimmen wegnehmen, die Blockbuster «Der Lorax» und «Madagascar 3» sind bei Kritikern eher verpönt, die von der Branche geliebten Aardman Studios machten mit «Die Piraten!» einen überdurchschnittlichen, aber schnell vergessenen Film. Deshalb darf man mit einigen Independent-Titeln in dieser Kategorie rechnen.

Die großen Sommerblockbuster darf man einmal mehr vor allem in den technischen Sparten erwarten. Kameralegende Roger Deakins könnte durch «Skyfall» Bond zu seiner ersten Oscar-Nominierung seit mehreren Jahrzehnten führen, «The Avengers» und «Prometheus» werden von Oscar-Experten weit vorne auf die Liste der möglichen Effekt-Nominierungen gesetzt. Große Überraschungen sind unwahrscheinlich. Ein «The Avengers» wird sich nicht in die Hauptkategorie kämpfen. Das wissen auch die Studiobosse. Eine aggressive "würdigt uns, verdammt!"-Kampagne bleibt für die Marvelhelden aus. Wer aber unbedingt wetten möchte: Die Globes gibt es ja auch noch. Wenn Burtons «Alice im Wunderland» als bester Film nominiert werden kann, dann erst recht «The Avengers».
12.11.2012 00:00 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/60302