Popcorn und Rollenwechsel: Ist «Star Wars» ruiniert?

Sind die schockierten Fanreaktionen berechtigt? Oder ist Disney gar keine so üble Heimat für «Star Wars»?

Es ging eine Botschaft durch die Galaxis, die vielen wie eine Erschütterung der Macht gleichkam: Am 30. Oktober übernahm die Walt Disney Company das Lebenswerk von George Lucas – für 4,05 Milliarden Dollar ging die Firma Lucasfilm mitsamt all ihren Tochterunternehmen in den Disney-Konzern über. Der wichtigste Punkt dieses Handels: Fortan liegen die Rechte am «Star Wars»-Franchise bei Disney, eine neue Kinotrilogie soll bis 2015 in den Startlöchern stehen.

Diese Meldung rief ein Echo hervor, wie es filmwirtschaftlichen Neuigkeiten sonst nur selten gelingt. Selbst die «Tagesschau» und «heute» berichteten ausführlich darüber, und, wenig überraschend, lamentierte auch gefühlt das halbe Internet darüber. Viele der Internet-Kommentare waren jedoch alles andere als optimistisch. User malten sich Horrorszenarien aus, dass Disney Micky, Donald, Goofy und Co. in die neuen «Star Wars»-Filme zwängt, dass für «Star Wars» nur noch Disney-Channel-Stars gecastet werden und sich Leia künftig als Disney-Prinzessin verkaufen muss.

So amüsant einige der Seitenhiebe sein mögen, so albern sind sie auch. Es gibt keinen ernstzunehmenden Grund, anzunehmen, dass «Star Wars» unter Disney den Bach runtergehen wird. Stattdessen gibt es sogar zahlreiche Gründe, weshalb «Star Wars»-Fans ganz beruhigt den kommenden Jahren entgegensehen können ...

1: Disney und George Lucas haben bereits eine Vergangenheit
Das «Star Wars»-Universum landete nicht in völlig fremden Händen. Zwar hat Disney bislang weder in Film noch in Fernsehen mit «Star Wars» zu tun gehabt, allerdings arbeiteten der Disney-Konzern und George Lucas schon 1986 gemeinsam an einer Themenparkattraktion. Das Ergebnis, der Flugsimulator «Star Tours», der Parkbesucher quer durch die Galaxie jagt, erfreut sich seither enormer Beliebtheit in den Disney-Themenparks. Seit 1997 werden zudem im Themenpark Disney's Hollywood Studios «Star Wars»-Fan-Wochenenden abgehalten, während denen spezielle Events stattfinden, Macher und Darsteller der «Star Wars»-Reihe auftreten und sich die Disney-Helden als Figuren aus der Filmreihe verkleiden. Seither arbeiten Lucasfilm und Disney auch intensiv im Merchandise-Segment zusammen ...

2: All die Schreckensszenarien sind schon geschehen, und niemanden störte es
Micky, der als Jedi ein Lichtschwert-Duell mit Darth Vader führt. Donald Duck als Darth Maul. Und Stormtrooper. Und als Han Solo. Goofy als Jar-Jar Binks. Minnie Maus als Leia. Yoda mit Micky-Maus-Hut. Ahörnchen und Behörnchen als Ewoks. All das und noch vieles mehr ist keine schreckliche Zukunftsvision, sondern längst ein beliebter Teil des Disney- und «Star Wars»-Fandoms. Durch die «Star Wars»-Weekends begann ein Trend, beide Universen zusammenzumischen, um so augenzwinkernde Fanartikel wie T-Shirts, Pins oder Actionfiguren zu erhalten. Es sind spaßige Souvenirs, die man aus den Disney-Parks mitnehmen kann – und mehr auch nicht. Es rechnet ja auch niemand ernstlich mit LEGO-Figuren in «Star Wars»-Kinofilmen oder -Romanen, bloß weil es LEGO-«Star Wars» gibt.

3: Disney hat auch Marken abseits von Micky & seinen Freunden, Winnie Puuh und den Disney-Prinzessinnen ...
... und all diese Marken lässt Disney klugerweise in Frieden. Disney ist auch für die «Pirates of the Caribbean»-Filme verantwortlich, die tonal nicht gerade meilenweit von «Star Wars» entfernt liegen. Und torkelte Johnny Depp alias Jack Sparrow etwa in einem Donald-Duck-Matrosenanzug durch die Gegend? Disney übernahm vor einigen Jahren auch die Pixar Animation Studios, ohne dass etwa «Toy Story 3» eine Kater-Karlo-Plüschfigur als Schurkenrolle aufgezwängt wurde. Marvel gehört ebenfalls zum Disney-Konzern, der Megablockbuster «The Avengers» entstand unter dem Mäuseregime und der Film kam bei den Fans bekanntlich außerordentlich gut an. Disney-Anspielungen sucht man in dem Film übrigens vergebens. Mehr noch: Der US-Sender ABC und die TV-Produktionsschmiede ABC Studios sind Teil der Disney Company – und weder «Lost», noch «Desperate Housewives», noch «Castle» ersaufen in Disney-Referenzen. Wem dies noch nicht genügt: «Scream», «Pulp Fiction», «Kill Bill», «Sin City», «From Dusk Till Dawn», «Gangs of New York» – all diese Filme entstanden als Teil des Disney-Konzerns.

4: Disney hat die Infrastruktur, die «Star Wars» benötigt
In wessen Händen wäre es sicherer, dass «Star Wars» für lange Zeit weiterblühen wird, als in Disneys? Disney gelingt es, den Kindern des Computerzeitalters Filme aus den 30ern, 40ern und 50ern schmackhaft zu machen. Disney kann seine Figuren dank der Themenparks ewig frisch halten, was Warner Bros. oder Fox nicht in diesem Maße von sich behaupten könnten. Und das bereits erwähnte Merchandising ist auch nicht zu verachten: Ohne Spielzeug wäre «Star Wars» nicht das Mega-Fanchise, dass es darstellt. Und kein Filmstudio ist besser darin als Disney, seine Ideen zu vermarkten. Aber auch auf künstlerischer Ebene hat Disney dem «Star War»-Franchise erquickliches zu bieten: Die Pixar-Studios bestehen aus zahlreichen Geeks und Nerds, die «Star Wars» lieben und seit der Disney-Übernahme zur Qualitätskontrolle der Spielfilme ihrer Konzernmutter herangezogen werden. Leute, die «Star Wars»-Fans sind, was von Dialogen und Storytelling verstehen und auf den neuen «Star Wars»-Film ein waches Auge halten? Wie kann einen dies nicht in Euphorie versetzen?

5: Es passiert etwas!
Bevor George Lucas sein Erbe aus Händen gab, hat sich «Star Wars» festgefahren. Die «Clone Wars»-Serie, von den einen Fans gemocht, von den anderen für zu kindisch abgetan, läuft und läuft und läuft, im Videospielsektor fand das Franchise mit «Star Wars Kinect» wiederum ein neues Tief. Bezüglich neuer Filme und einer Realserie gab es zwar immer wieder Gerüchte, gleichzeitig aber bremste ein müde gewordener George Lucas diese Entwicklungen aus. Noch Mitte Oktober schien ein neuer «Star Wars»-Film unerreichbar, nun ist er das Tagesgespräch der Filmbranche. George Lucas zieht sich in eine im gut stehende Position als kreativer Berater zurück, wo er Ideen entwickelt, die Umsetzung aber Leuten überlässt, die besser als er die Balance zwischen buntem Sci-Fi-Irrsinn und Spannung halten können. Das gab es auf der großen Leinwand seit Episode V und VI nicht mehr.

All der Pessimismus, all diese Lästereien sind also unbegründet. Selbstredend kann auch Disney «Star Wars: Episode VII» gegen die Wand fahren. So wie jedes andere Filmstudio könnte. Doch in Disneys Händen steht eine aufregende Zukunft für «Star Wars» zu erwarten, von der man vor wenigen Wochen bestenfalls hätte träumen können. Möge die Macht mit der Maus sein.
05.11.2012 00:00 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/60161