Der Film des Monats: Seit 50 Jahren schießt sich James Bond über die Kinoleinwände. Zum Jubiläum trumpft Daniel Craig mit «Skyfall» groß auf und vereint das Beste aus der neuen und alten Welt von 007.
Zwischenzeitlich herrschte große Sorge, ob der erfolgreichste Agent der Leinwandgeschichte nicht urplötzlich in Rente geschickt wird. Obwohl der 2008 gestartete Bond-Film «Ein Quantum Trost» ein finanzieller Erfolg war, befand sich die Produktionsfirma MGM einige Monate später am Rande des Ruins. Darüber hinaus liebäugelte Sam Mendes, kreativer Berater des neuen Bond-Einsatzes und Daniel Craigs Wunschregisseur, mit anderen Projekten, welche ihn von Craigs dritten Auftritt als Agent mit der Doppelnull abgezogen hätten. Doch jegliche Krisen wurden überwunden und 007 findet pünktlich zu seinem 50-jährigen Kinojubiläum in die Lichtspielhäuser der Welt zurück.
Bereits vor der Titelsequenz überrollt «Skyfall» seinen Vorgängerfilm, der zwar überdimensionierte Action bot, diese jedoch im hektischen Schnittgewitter untergehen ließ. Die «Skyfall» eröffnende Actionsequenz ist groß, rasant und in klaren Bildern eingefangen, welche die Dimensionen der Verfolgungsjagd Bonds deutlich machen. Obwohl Regisseur Sam Mendes gleich zu Beginn klotzt statt kleckert, und Bond eine einfallsreiche Schneise der Zerstörung durch Istanbul zieht, bleibt er den von «Casino Royale» gelegten Gesetzen treu. Zwar ist der Verlauf der packenden und überwältigenden Actionsequenz unwahrscheinlich, nicht aber vollauf unrealistisch. Dies gilt auch für den restlichen Film: Obwohl Verfolgungsjagden und Duelle die Popcorn-Grandeur solcher Bonds wie «Goldeneye» aufweisen, behalten sie die Bodenständigkeit und Realitätsnähe von «Casino Royale» bei. Ein wenig erinnert die handgemachte, aufwändige semi-plausible Action an Christopher Nolans Milliardenhit «The Dark Knight», den Sam Mendes im Vorfeld des «Skyfall»-Kinostarts auch als Inspirationsquelle nannte.
Ein weiterer Vergleichspunkt zu «The Dark Knight» tritt in Gestalt von Silva auf – nicht, dass Oscar-Preisträger Javier Bardem seinen Schurken als Joker-Kopie anlegt. Davon sieht der begnadete Mime glücklicherweise ebenso ab, wie von der Idee, schlicht seine einschüchternde Performance als Anton Chigurh aus «No Country for Old Men» zu wiederholen. Gemein ist dem Joker und Silva jedoch, dass beide ein moralisch verrottetes Spiegelbild der Heldenfigur ihrer jeweiligen Filme darstellen. Zudem teilen sie sich einen Hang zu komplexen (stellenweise an die Grenze der Plausibilität reichenden) Plänen. Und: Ähnlich wie Heath Ledger stiehlt auch Javier Bardem seinem heroischem Gegenüber die Schau.
Nicht nur Bonds Gegner hat mehr Persönlichkeit als gewohnt zu bieten, auch der Star dieses langlebigen Kino-Franchises zeigt sich sehr facettenreich. Mit unaufdringlichem Selbstvertrauen meistert Daniel Craig den Spagat zwischen ikonischem Überagenten und gebrochenem, frustrierten Actionhelden, der keine einfachen Beziehungen kennt. Am spannendsten geraten Craigs Szenen mit M, die in «Skyfall» mehr zu tun bekommt denn je zuvor und für Bond als Mutterfigur dient – was für sie sowohl Verehrung als auch Widerspenstigkeit seitens Bond bedeutet. Mit Bond-Girls hält sich «Skyfall» derweil zurück: Kurze Techtelmechtel gibt es zwar, allerdings ist ihnen nur wenig Leinwandzeit vergönnt. Bei über 140 Leinwandminuten, die mit großen Actionsequenzen gespickt sind, ist dies leicht zu verschmerzen, zumal die Filmhandlung in dramatischen sowie pointierten Dialogen Bonds Zukunft und auch seine Vergangenheit behandelt, so dass für inhaltlich verzichtbare Liebeleien einfach kein Platz mehr bleibt.
Was Fans des klassischen Bonds derweil freuen dürfte: Obwohl Bond, seine Verbündeten und sein Widersacher redseliger sind als noch bei Craigs Vorgängern, fließt «Skyfall» mit höherem Tempo als «Casino Royale» oder «Ein Quantum Trost». Hatten diese Filme die eine oder andere Länge, in denen Bonds Selbstbedauern zäh in Szene gesetzt wurde, weist «Skyfall» keine derart gravierenden Durchhänger auf. Nach der schaurig-schönen Titelsequenz könnten die handelnden Figuren etwas rascher in Position gebracht werden und das Finale im vernebelten Schottland wird ebenfalls minutiöser vorbereitet als es die Handlung nötig hätte, aber diese Kritikpunkte grenzen bei diesem dramaturgisch ausgefeilten Actioner fast schon an Haarspalterei.
Außerdem, und den Wert dessen darf man nicht unterschätzen, ist «Skyfall» der bis dato visuell beeindruckendste Bond-Film. Zu verdanken ist dies der mehrfach Oscar-nominierten Kameralegende Roger Deakins («No Country for Old Men»). Der Dauerkollaborateur der Coen-Gebrüder schafft sowohl einprägsame Landschaftsaufnahmen als auch charakterstarke Actionbilder, deren Spiel mit Licht und Schatten dem guten, alten James Bond tatsächlich noch einen völlig neuen Kniff verleiht. Und dies ohne aufgesetzten Modernitätsdrang. Es wäre tatsächlich vorstellbar, dass Deakins dafür eine weitere Oscar-Nominierung erhält – womit die Academy James Bond zum Jubiläum ein rares Geschenk machen würde. Die letzte Nominierung für einen Bond-Streifen liegt nämlich ganze 30 Jahre zurück. Wenn diese Durststrecke enden soll, so ist mit «Skyfall» die ideale Gelegenheit gekommen.