The CW: Wer zu spät kommt, den bestraft die Quote?

Seine drei neuen Serien hat der kleine US-Sender The CW absichtlich erst sehr spät gestartet, um der großen Konkurrenz aus dem Weg zu gehen. Nun sind die ersten Einschaltquoten von «Arrow» und Co. da – hat sich die Strategie gelohnt?

Von solchen Zuschauerzahlen kann das Network The CW sonst nur träumen: 4,14 Millionen Menschen sahen die Auftaktfolge zu «Arrow», einer neuen Superheldenserie im düsteren Stil von Christopher Nolans «Batman»-Saga. Schon im Vorfeld des Starts waren die Reaktionen aus der Comic-Community, wo der Charakter Green Arrow seine Heimat hat, relativ positiv und die Erwartungen entsprechend hoch – dass aber zur Premiere so viele Menschen zuschauen würden, hätten wohl selbst die optimistischsten Senderverantwortlichen nicht geglaubt.

Denn sonst begnügen sich Neustarts von The CW oft mit deutlich weniger Zuschauern – in der Vergangenheit beispielsweise die ebenfalls hoch gehandelten Serien «The Beautiful Life» mit «O.C., California»-Star Mischa Barton (Startreichweite: 1,38 Millionen) oder der Reboot von «Melrose Place» (2,31 Millionen). Die letzten ähnlich erfolgreichen Starts wie «Arrow» liegen mindestens drei Jahre zurück: «The Vampire Diaries» – noch heute das CW-Aushängeschild – und die Neuauflage von «90210» starteten 2009 und 2008 vor jeweils mehr als 4,5 Millionen Zuschauern. Solche Erfolge blieben aber die Ausnahme.

Einen großen Unterschied zu den anderen beiden Erfolgen gibt es bei «Arrow»: Denn hier setzte der Sender bewusst auf einen verspäteten Start – «90210» (Foto) und «Vampire Diaries» begannen dagegen vergleichsweise früh, mit Terminen am 2. und 10. September des jeweiligen Jahres. Diesmal schickte The CW all seine neuen Formate erst auf den Bildschirm, als andere Serien bereits mehrere Wochen mit frischen Staffeln zu sehen waren. «Arrow» startete am 10. Oktober, drei Wochen nach der offiziellen Eröffnung der neuen TV-Saison. Die anderen Premieren – «The Beauty and The Beast» und «Emily Owens, M.D.» – folgten noch später, am 11. und 16. Oktober.

Die Strategie hinter diesem Schritt ist klar: Man geht anderen Serienstarts aus dem Weg – und kann dann mit Promotion für die eigenen Formate punkten, wenn der Hype um Konkurrenzprogramme bereits verflogen ist. «Arrow» startete am 10. Oktober gegen keinen einzige andere TV-Premiere – und profitierte vermutlich stark davon, dass sie die einzige Dramaserie in ihrem Timeslot ist: CBS und FOX setzen parallel auf Realityformate («The X Factor» und «Survivor»), NBC und ABC auf ihre halbstündigen Comedys. Der Durst nach einer ganz anderen Programmfarbe war bei den Zuschauern also offensichtlich hoch.

Problematischer wird eine Analyse bei den zwei anderen CW-Neustarts: «Beauty and the Beast» war zur Premiere am 11. Oktober das einzige Serienprogramm; die anderen vier Networks zeigten die Debatte des Vizepräsidenten und seines Herausforderers zur anstehenden US-Wahl. «Beauty and the Beast» holte zu dieser Zeit 2,78 Millionen Zuschauer – eine gute, aber nicht überwältigende Zahl. Noch bessere Premierenreichweiten hatten 2011 beispielsweise die Neustarts «Ringer» und «The Secret Circle» – beide sind bereits nach einer Staffel abgesetzt.

Äußerst schlecht präsentierte sich der dritte aktuelle CW-Neustart, «Emily Owens, M.D.», der am 17. Oktober gegen die zweite Redeschlacht zwischen Barack Obama und Mitt Romney antrat. Auch hier hoffte The CW vermutlich darauf, dass politikscheue Zuschauer vermehrt zur einzigen Alternative schalten, doch nur 1,67 Millionen fanden den Weg zum kleinen Network – und mehr werden es vermutlich auch nicht werden, wenn in den nächsten Wochen die geballte Serienkonkurrenz von CBS, ABC und Co. zurückkehrt.

Ist die Spätstarter-Strategie aus Quotensicht also ein Modell für die Zukunft gewesen? Vermutlich nicht. Zwar müssen für eine endgültige Einschätzung erst die mittelfristigen Zuschauertrends abgewartet werden, aber die vergleichsweise gewöhnlichen Einstandsreichweiten von «The Beauty and the Beast» und die desaströsen von «Emily Owens, M.D.» lassen den Schluss zu, dass die Strategie hier nicht funktioniert hat. Der bisherige Erfolg von «Arrow» ist demzufolge nicht unbedingt seinem späten Start zuzuschreiben – sondern zwei anderen Punkten: erstens der cleveren Programmierung auf einem Sendeplatz, an dem die gesamte Network-Konkurrenz keine Drama-Serie zeigt, sondern nur Comedy und Reality. Und zweitens dem anhaltenden Kult um Superhelden-Verfilmungen, der das Fernsehen bisher nur ansatzweise erreicht hat. Es wurde vermutlich Zeit, die Leere zu füllen, die «Smallville» hinterlassen hat – diese Serie war nicht zufällig auch ein Produkt aus dem Hause The CW.
20.10.2012 09:20 Uhr  •  Jan Schlüter Kurz-URL: qmde.de/59871