Regielegende Oliver Stone ist zurück, doch sein Drogenthriller «Savages» bietet neben tollen Schurken auch viel zu viel hohles Geschwafel.
Oliver Stone. Dieser Name ließ Filmkenner einst ehrfürchtig erstarren, schuf der vornehmlich für unterhaltende, politisch motivierte Werke bekannte Regisseur doch unter anderem den Kriegsschocker «Platoon», die Präsidentschaftsdramen «JFK – Tatort Dallas» und «Nixon» sowie den Thriller «U-Turn». Stones Stern befindet sich jedoch seit einiger Zeit im Sinkflug, das Antik-Epos «Alexander» wurde verlacht, «World Trade Center» galt trotz schwerer Thematik als mutlos und selbst das vorab viel diskutierte Sequel «Wall Street: Geld schläft nicht» rief nur müde Reaktionen hervor.
Auf der Leinwand allerdings potenziert sich die Wirkung dieser Figur ins Unerträgliche: Mit dauerbreitem Grinsen torkelt die Westentaschenphilosophie von sich gebende Blondine durch die Kulisse, behauptet, alles im Blick zu haben, ist tatsächlich jedoch kaum mehr als das Bückstück zweier Kumpels. Zwar wird behauptet, dass die Jungs das Mädel aufgrund ihres Charakters lieben, vorgeführt wird dies allerdings nicht. Ja, sie riskieren ihr Leben für sie, doch weshalb, bleibt unklar, Dialoge und Handlung legen höchstens die Vermutung nahe, dass nunmal der Sex unglaublich gut sein muss. Der Gegenstand von Os im grünen Rauch vernebelter Beinahepoesie ist: Der kriegerische Chon (Taylor Kitsch) ist wie Erde, er fickt, hat "Wargasmen" (ein englischsprachiges Wortspiel, bei dem sich einem die Zehennägel aufrollen), der Hippie Ben (Aaron Taylor-Johnson) ist wie Luft und macht Liebe. Lässt sich mit gutem Willen über diese Erzählerinnenkommentare schmunzeln, wird Os Geplapper alsbald zur Belastungsprobe, und spätestens, wenn sie einen an den zotteligen Haaren herbeigezogenen Bezug zum Filmtitel herstellt, reißt das naive Kindchen, das keine drei Stunden alleine klarkommt, jegliches Wohlwollen gegenüber Oliver Stones neustem Werk mit einem verplanten, doch gewaltvollen Hieb ein.
Zwei semiprofessionelle Drogenzüchter aus Kalifornien sollen in ein mexikanisches Kartell einsteigen, pfeifen auf den Deal und erzürnen dadurch die handgreiflichen Drogenkapitalisten (Salma Hayek und Benicio del Toro). Alsbald findet sich O in den Händen der Gangsterbosse wieder, weshalb ihre Freunde versuchen, sie mit Hilfe einiger doppelbödiger Tricks und einem korrupten Drogenpolizisten (John Travolta) zu retten. Ein Entführungsthriller also, mit Hinterlist und blutigen Schießereien. Das muss schon äußerst clever oder opulent sein, um 130 Filmminuten zu rechtfertigen, «Savages» setzt dagegen auf Fehlschläge und kleinschrittiges Vorgehen, dem aber die Nachvollziehbarkeit abhanden kommt, die vielleicht ein so niedriges Tempo erlauben könnte. Letzten Endes könnten zahlreiche Stationen auf dem Weg zum gleich zweimal erzählten Finale der Schere zum Opfer fallen, und der Handlung würde keine relevante Entwicklung fehlen.
Wenn «Savages» funktioniert, dann bloß in den raren Szenen, in denen Oliver Stone den Filmtitel wortwörtlich nimmt. Nicht in den pseudophilosophischen, bedeutungsschwanger aufgebauten, bei genauem Hinschauen ultraflachen Momenten, sondern wenn Stone die Gewalt im Drogenkrieg sprechen lässt. Hier blitzt der Oliver Stone von «U-Turn» auf, ein kontrollierterer «Natural Born Killers»-Stone, ein Regisseur, der seine Figuren leiden lässt, das Publikum mit unerwarteten Gräueltaten überrascht und durch knallharte, nicht aber voyeuristische Härte wenigstens szenenweise Spannung schafft. Es ist Benicio del Toro, der die wenigen Glanzmomente des Films auf seinen Schultern trägt, mit ansteckend genüsslicher Übertreibung, schmierigem Grinsen und schurkischem Machogehabe. Auch Salma Hayek sorgt für Höhepunkte, selbst wenn ihr komplexes Spiel der Drogenbaronin wegen der emotionslosen Handlung fast verschenkt ist.