Die Kritiker: «Magic City»

Die freizügige Serie «Magic City» handelt von den Problemen der Schönen und Reichen im Hotelbusiness der 50er. Wir haben die ersten drei Episoden vorab gesehen und bewertet.

Handlung
Es ist der Morgen des 31. Dezember 1958. In wenigen Stunden beginnt der große Silvesterandrang, am Abend singt niemand geringeres als Frank Sinatra im prunkvollen Ballsaal des Miramar Playa Hotels Miami Beach und Hotelbesitzer Isaac „Ike“ Evans steht unter enormen Druck: Streikposten blockieren den Zugang zum Hotel, immerhin das prächtigste in Miami Beach, und bedrohen somit den als Höhepunkt in der Geschichte des Luxustempels gedachten Abend. Um dennoch einen reibungslosen Ablauf zu garantieren, bittet Ike seinen ältesten Sohn Stevie, zuständig für die Bar des Miramar sowie die Versorgung mit galanten Escortdamen, die noch fehlenden Fuhren Alkoholika an den Streikposten vorbeizuschmuggeln. Dieser lässt sich jedoch von der sinnlichen Lily ablenken, nicht wissend, dass sie die neue Frau des überaus eifersüchtigen Gangsterbosses Ben "The Butcher" Diamond ist, der 49 Prozent des Miramar hält ...

Stevies jüngerer Bruder Danny verguckt sich derweil in das Hausmädchen Mercedes, die liebliche Tochter des kubanisch-stämmigen Hotelmanagers Victor Lazaro. Ikes Frau Vera ist während dessen damit beschäftigt, das Verhältnis zu ihrer Stieftochter aufzubessern ...

Darsteller
Jeffrey Dean Morgan («Watchmen») ist Ike Evans
Olga Kurylenko («Ein Quantum Trost») ist Vera Evans
Steven Strait («Sky High») ist Stevie Evans
Jessica Marais («Die Chaosfamilie») ist Lily Diamond
Christian Cooke («The Chase») ist Danny Evans
Elena Satine («Meine erfundene Frau») ist Judi Silver
Dominik García-Lorido («La linea») ist Mercedes Lozaro
Taylor Blackwell («Army Wives») ist Lauren Evans
Danny Huston («Kampf der Titanen») ist Ben Diamond
Yul Vazquez («Meine Frau, unsere Kinder und ich») ist Victor Lazaro

Kritik
Wer im Urlaub ein teures Zimmer in einem luxuriösen Hotel an einem prachtvollen Strand bucht, wird in den seltensten Fällen auf Abenteuerferien aus sein. Üblicherweise besteht die Kundschaft solcher Spitzenunterkünfte aus Personen, die sich nach dem Luxus, Lifestyle und Komfort eines mit stilsicherem Auge entworfenen Wohlfühltempels sehnen. So, wie das Miramar Playa Hotel die Schönen und Reichen zu sich locken will, die es sich gut gehen lassen möchten, ist «Magic City» eine US-Kabelserie der Kategorie "Wohlfühlfernsehen". Wohlgemerkt nicht in dem Sinne, in dem zahlreiche Sitcoms unanstrengende und risikoarme Unterhaltung bieten, die den Zuschauer für 20 bis 30 Minuten seine Sorgen vergessen lassen — schließlich ist «Magic City» keine Comedy, sondern aller Entspanntheit zum Trotz eine Dramaserie. Gönnen aber Nerven aufreibende Dramaserien wie «Lost», «Breaking Bad» oder «Boardwalk Empire» dem Zuschauer nur selten Atempausen zwischen ihren dramatischen Wendungen, setzt «Magic City» primär auf seine Ästhetik und das Vermitteln eines längst vergangenen Lebensgefühls.

Schnell drängt sich deswegen ein Vergleich mit der wenige Jahre später, im Werbe- statt Hotelgewerbe angesiedelten Erfolgsserie «Mad Men» an, jedoch ist «Magic City» eigenständig genug, um nicht als Abklatsch zu gelten. Sowohl der Look als auch die dramaturgische Antriebsfeder sind anders, was sich auch auf die Grundstimmung auswirkt. «Mad Men» blickt um Spannung zu erzeugen auf Erfolge und Rückschläge im Geschäfts- und Privatleben seiner Hauptfiguren, und dient so auch als Abhandlung über moralischen Wandel. Die Starz-Serie «Magic City» derweil betrachtet die Divergenz zwischen der Sonnen- und Schattenseite solcher Prunkstädte wie Miami Beach: Tagsüber Lifestylehauptstadt, nachts brummt das organisierte Verbrechen. Ikes Kokettieren mit der Mafia bringt ausreichend Brisanz in die Serienhandlung ein, damit sie nicht zum Erliegen kommt, da er seine Entscheidungen aber mit großem Vorlauf überdenkt, zerren sie den Zuschauer nicht an den Rand seines Fernsehsessels. Überraschung bietet das Gangster-Element der ersten drei Episoden nicht durch unvorhergesehene Taten, sondern bloß aufgrund der nicht stets erwarteten Drastik der kriminellen Vergehen.

Leben wird den unaufgeregten, beschaulich erzählten Handlungsfäden durch das talentierte Ensemble eingehaucht. Die überzeugendste Leistung kommt von Jeffrey Dean Morgan als reicher Hotelier, dessen Leben nach außen hin perfekt wirkt, tatsächlich aber auf einen Abgrund zusteuert, und der seine Befürchtungen in sich hineinfrisst. Ex-Bondgirl Olga Kurylenko überrascht unterdessen mit facettenreichem Spiel, Danny Houston liefert zwar keine originelle, dennoch eine sehr beeindruckende Performance als Mafiaboss ab und auch die restlichen Darsteller sind zweifelsfrei nicht nur aufgrund ihres guten Aussehens gecastet worden. Was bei einer solchen Serie nicht gerade selbstredend ist, erweckt «Magic City» doch den Eindruck, dass die USA der späten 50er-Jahre ein real gewordenes Modemagazin waren. Inklusive geschmackvoller Einrichtung, galanter Kleidung und sehr viel nackter Haut. Denn in erster Linie ist «Magic City» Fernsehen für's Auge, und in dieser Hinsicht kann die Kabelserie mit ihrer ambitionierten Ausstattung, der Hochglanz-Fotografie und den attraktiven Schauspielerinnen und Schauspielern vollauf überzeugen. Auch als Lifestyle-Zeitkapsel ist die Retro-Serie an der vorderen TV-Front dabei.

Inhaltlich hapert es anfangs derweil ein wenig. Dass das verruchte Element der Serie eine untergeordnete Rolle spielt, ist schlicht eine stilistische Entscheidung, und nicht etwa eine eindeutige Schwäche. Allerdings fehlt ihm die nötige Stärke und das nötige Überraschungsmoment, um «Magic City» den Pep zu verleihen, den es bräuchte, um in der Liga von «Mad Men» mitzuspielen. So hingegen ist «Magic City» wie Urlaub im atemberaubend schönen Miramar Plaza, wenn seiner Bar der hochprozentige Alkohol ausgeht. Es fehlt der berauschende Extrakick.

«Magic City» ist ab Sonntag, dem 30. September 2012, sonntags um 21 Uhr auf Sky Atlantic HD zu sehen.
29.09.2012 09:45 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/59450