Til Schweiger macht eine Pause von der Romantik und inszenierte mit «Schutzengel» ein Actiondrama, in dem er und seine älteste Tochter die Hauptrollen spielen.
Til Schweiger ist, ganz gleich wie sehr sich seine ärgsten Kritiker darüber auch aufregen mögen, eines der wichtigsten Multitalente des heutigen Kinodeutschlands. Als Schauspieler, Autor, Produzent und Regisseur lockte er mehrere Millionen Menschen ins Kino und prägte mit Farb- und Klangbild seiner Regiearbeiten die Erscheinung der neuen deutschen Romantikkomödie. Dass in Schweiger ein alter Romantiker steckt, hat er mit dem unterschätzten «Barfuss», den enormen Kassenschlagern «Keinohrhasen» und «Zweiohrküken» sowie mit dem überstilisierten «Kokowääh» bereits ausgiebig unter Beweis gestellt.
Die Geschichte beginnt, als das Waisenmädchen Nina (Luna Schweiger) Zeugin eines schweren Verbrechens wird. Einzig eine Aussage der Teenagerin könnte den skrupellosen Geschäftsmann Thomas Backer (Heiner Lauterbach) hinter Gitter bringen, weshalb sie ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen wird. Aufgrund eines Informationslecks ist die Sicherheit Ninas jedoch alsbald nicht weiter gewährleistet, weshalb der für ihren Schutz beauftragte Ex-KSK-Soldat Max (Til Schweiger) beschließt, sich auf eigene Faust um das Wohl der Vollwaise zu sorgen. Das Verhältnis zwischen den beiden ist zu Beginn allerdings problematisch, da Max ein überzeugter Einzelgänger ist, während sich die vom Schicksal mehrfach geschlagene Nina noch nie einem Erwachsenen anvertraut hat. Auf der Flucht vor den im Auftrag Backers handelnden Killern und der Max misstrauenden Polizei lernen sie sich dennoch besser kennen und fangen an, ehrliche Sympathie füreinander zu empfinden. Die einzigen Vertrauten des Duos sind Max' einziger Freund Rudi (Moritz Bleibtreu), ein sarkastischer Kriegsveteran, und die Staatsanwältin Sara (Karoline Schuch), die ihr bestes tut, Max den Rücken freizuhalten. Doch Backers Männer sind äußerst hartnäckig ...
Genauso, wie «Schutzengel» durch solche Patzer hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt, schafft Multitalent Schweiger allerdings auch einige sehr starke Filmmomente. Mit seiner älteren Tochter Luna steht dem Regie führenden Hauptdarsteller sein schauspielerisch talentierterer Spross gegenüber, weshalb statt klebriger Vater-Tochter-Gespräche der Marke «Kokowääh» stimmige Dialoge entstehen, in denen sich Schützling und Beschützer vorsichtig ausfragen und ihre Verletzlichkeit zeigen. Auch darf man seinen Hut davor ziehen, wie Schweiger schwere Themen, wie die Vernachlässigung von Kriegsveteranen oder deren Probleme, in den Alltag zurückzufinden, zwecks Vertiefung seines Unterhaltungsfilms anschneidet, ohne ihnen ungerecht zu werden. «Schutzengel» will kein sozialkritisches Soldatendrama sein, behandelt diese Ansätze aber mit Respekt, statt sie zu dümmlichen Anekdoten verkommen zu lassen. Vor allem Moritz Bleibtreus charismatischer Spaßvogel Rudi profitiert von diesen ernsten Zwischentönen, wird so aus der Comic-Relief-Kumpelrolle eine denk- und liebenswürdige Filmfigur, die einem leicht ans Herz wächst. Und auch als Actionregisseur weiß Schweiger zu überzeugen, selbst wenn er die Glaubwürdigkeit und Dramatik des Actionfinales durch besagte Übermacht der Schurkenseite untergräbt. Der Überfall auf die Wohnung des Zeugenschutzprogramms trifft mit voller Wucht und anders als in diversen Hollywoodfilmen wird sogar ausgiebig nachgeladen, was Schweiger als spannungsförderndes Mittel nutzt.
Dass «Schutzengel» trotz des überzeugenden dramatischen Unterbaus, einer angemessen kargen Atmosphäre und ansehnlicher Action nicht zum alleinigen Retter des deutschen Spannungskinos aufsteigt, liegt derweil nicht nur an den zuvor erwähnten Schnitzern und mancher zu dick aufgetragener Dialogzeile, sondern auch am zu besonnenen Tonfall der meisten Darsteller. Dass Schweigers Filmfiguren längere Monologe in einem Flüsterton darbieten, ist der Kinogänger bereits gewohnt und passt in diesem Fall auch zur Charakterisierung der Schweiger-Rolle. Doch wenn Lauterbachs Waffenmagnat im monotonen Kammerton Mordaufträge erteilt oder sich über unangenehme Reporterfragen beschwert, ist dies nicht einschüchternd, sondern schwach und hölzern, wodurch seine Bedrohlichkeit in Mitleidenschaft gezogen wird. Auch viele Randdarsteller, etwa nahezu jede Polizistenfigur und einige von Backers Gefolgsleuten, scheinen sich ganz beiläufig durch ihre Zeilen zu lesen.