Die Kritiker: «Alcatraz»

Im Stil eines Hollywood-Movies präsentiert sich die Auftaktfolge der Mysteryserie «Alcatraz» und legt damit den Grundstein für ein weiteres Serienhighlight im Herbst 2012.

Inhalt
Alcatraz gilt als das berüchtigtste Gefängnis in der Geschichte von Amerika und beherbergte einst die gefährlichsten Verbrecher des Landes. Doch wegen steigender Kosten und dem zunehmenden Verfall der Einrichtung beschloss man vor rund 50 Jahren die Schließung. Am 21. März 1963 sollte Alcatraz endgültig stillgelegt und alle noch übrigen Insassen von der Insel in andere Gefängnisse auf dem Festland überführt werden. So geht es zumindest aus den offiziellen Berichten hervor. Doch ist das ganz und gar nicht das, was an diesem Tag in Wahrheit passierte...

Als Detective Rebecca Madsen (Sarah Jones) von der Polizei in San Francisco auf einen besonders grausamen Mordfall angesetzt wird, gibt ihr ein merkwürdiger Fingerbadruck vom Tatort Rätsel auf: Er führt die Ermittler zwar zu einem dringend Tatverdächtigen namens Jack Sylvane (Jeffrey Pierce) - doch dieser saß einst auf Alcatraz ein und soll bereits vor über 30 Jahren verstorben sein. Die junge Polizistin lässt der Fall von da an einfach nicht mehr los, zumal sie mit ihrem Großvater und ihrem Ersatz-Onkel Ray Archer (Robert Forster) gleich zwei ehemalige Gefängnis-Wärter auf Alcatraz in der Familie hat. Als dann auch noch der rätselhafte FBI-Agent Emerson Hauser (Sam Neill), auf der Bildfläche erscheint und viel mehr in der Angelegenheit zu wissen scheint, als er zugibt, ist Rebeccas Ermittlungseifer erst recht geweckt.

Sie wendet sich Hilfe suchend an den ausgewiesenen Alcatraz-Experten und Comic-Fan Dr. Diego "Doc" Soto (Jorge Garcia). Gemeinsam machen die beiden eine schier unglaubliche Entdeckung: Sylvane ist nicht nur quicklebendig, sondern befindet sich längst auf einem blutigen Rachefeldzug durch die Straßen von San Francisco. Was jedoch noch viel erstaunlicher ist: Seit 1963 scheint der ehemalige Gefängnisinsasse keinen Tag gealtert zu sein. Ist Sylvane womöglich nicht der letzte Verschollene, der nun plötzlich wieder auftaucht? Und was ist in jener schicksalshaften Nacht vor knapp 50 Jahren wirklich geschehen?

Darsteller
Sam Neill («Jurassic Park», «Das Piano») ist Emerson Hauser
Sarah Jones («Sons of Anarchy», «Lone Star») ist Rebecca Madson
Jeffrey Pierce («Foreigner – Der Fremde», «Navy CIS») ist Jack Sylvane
Jorge Garcia («How I Met Your Mother», «Fringe», «Lost») ist Dr. Diego “Doc“ Soto
Robert Forster («Mullholland Drve», «The Descendants») ist Ray Archer

Kritik
Die von niemand Geringerem als J.J. Abrams produzierte Mysteryserie «Alcatraz» ist ohne Zweifel eines der herausragenden Serienhighlights in diesem Jahr. Die Story um ehemalige Gefangene der berühmtesten Gefängnisinsel der Welt, die plötzlich im Amerika von hier und heute wieder auftauchen, liest sich bereits auf dem Papier ungeheuer spannend. Da war es zu hoffen, dass auch die Umsetzung dieses vielversprechenden Stoffes gelingen würde. Da sich schließlich der Produzent von Serienhits wie «Fringe» und Regisseur von «Lost» des Stoffes annahm, war jedoch zu erwarten, dass mit «Alcatraz» ein weiterer Stern am internationalen Serienhimmel aufgehen würde.

Diese hohen Erwartungen wurden bereits mit der Pilotfolge erreicht, wenn nicht gar übertroffen. In der Auftaktepisode der mystischen Serie stimmt nahezu alles. Bereits der Einstieg hat die Ausmaße eines Prologs, wie man ihn aus einem Hollywood-Movie gewohnt ist. In einem Rückblick auf das Jahr 1963 zeigt «Alcatraz» in beunruhigend unaufgeregten Kameraeinstellungen, was sich damals auf der Gefängnisinsel zutrug und wovon die Öffentlichkeit nichts erfuhr. Entgegen der verbreiteten Meinung, am 21. März jenen Jahres hätte die Umsiedlung aller noch auf Alcatraz gefangenen Insassen aufs Festland begonnen, zeigt die Serie, wie die diensthabenden Cops lediglich vollkommen leere Knastgebäude vorfanden.

Cut! Eine Einstellung später befinden wir uns immer noch innerhalb der Gefängnismauern. Diesmal jedoch im Jetzt. Aus der Insel ist ein Museum geworden und durch die Gänge schlendern anstatt Insassen nun lediglich Touristen. Ohne großartige Erklärungen folgt der Kamera von nun an einem nicht näher vorgestellten Mann, der einer der Zellen entstammt und Kurs auf’s Festland nimmt. Cut! Wir erfahren, dass es sich bei ebenjenem Herren um einen ehemaligen Alcatraz-Insassen handelt. Wo er jedoch herkommt, oder was er vorhat, erfahren wir nicht. Hiermit endet der auffällig lange Prolog und die eigentliche Handlung beginnt.

Bereits Dank dieses ausführlichen Auftakts schafft es «Alcatraz», mysteryaffine Zuschauer sofort in seinen Bann zu ziehen. Neben der unheimlichen Erzählweise, die die meisten Informationen im Verborgenen lässt und die einzelnen Puzzlestücke erst im Laufe der Folge zu einem großen Ganzen zusammensetzt, überzeugt vor allem das Ambiente der Szenerien, sowie die optische und akustische Aufmachung der Pilotfolge. Die eigens für die Serie komponierten Orchesterstücke erinnern einen spontan an den 2010 veröffentlichten Thriller «Shutter Island» von Martin Scorsese, der passenderweise ebenfalls unheimliche Geschehnisse auf einer abgeschiedenen Insel thematisierte. Möglicherweise bediente sich J.J. Abrams für einige Serienfans zu sehr an dem Scorcese’schen Gefängnisfilm, da neben der Musik besonders die Kamerafahrten und -einstellungen an «Shutter Island» erinnern. Jedoch soll dies vor allem als ein Qualitätsmerkmal verstanden werden – und die Ähnlichkeiten darauf zurückzuführen sein, dass sich Abrams lediglich von seinem Regie-Kollegen inspirieren ließ.

Die für den Fortschritt der Handlung relevanten Handlungsstränge thematisieren vor allem die Ermittlungen der jungen Polizistin Rebecca Madsen. Gerade in Bezug auf die Charakterisierung lassen sich hier leicht Parallelen zu Abrams‘ Mystery-Steckenpferd «Fringe» ziehen. Auch bei Rebecca Madsen handelt es sich um eine unnahbare, äußerst kühl gezeichnete Figur, die dank ihres verbissenen Ehrgeizes gewillt ist, sich auch gern mal über Vorgesetzte hinwegzusetzen. Vor allem erkennbar ist erneut der Faktor, dass sich die junge Ermittlerin als Frau in einer männerdominierten Domäne zurechtfinden muss. Sogar Madsons Äußeres erinnert stark an die Protagonistin aus «Fringe», weshalb man Abrams, sofern man bei «Alcatraz» verzweifelt nach Kritikpunkten suchen möchte, in diesem Punkt sicherlich ein wenig Fantasielosigkeit vorwerfen könnte. Dieser Punkt relativiert sich allerdings schnell. Schließlich passt die von Shootingstar Sarah Jones verkörperte Figur der Rebecca hervorragend in die Serie. Eine andere Charakterzeichnung hätte ihrer Rolle nicht gut getan, weshalb sie sich so wunderbar in Plot und Aufmachung fügt. Dies gilt auch für Jones‘ Kollegen, allen voran Sam Neill. Mit dem Hollywoodstar konnte der Produzent einen großen Namen für seine Produktion gewinnen und traf bei Neill voll ins Schwarze. Obwohl seine Figur des Emerson Hauser in der ersten Folge lediglich grob gezeichnet wird, besitzt selbige ein ungeheures Charisma. Zwar ist Neills Rolle nicht unbedingt als die des Serienlieblings angelegt, Fans von Figuren mit allerhand Ecken und Kanten dürften an ihr allerdings schnell Gefallen finden. Das Ermittlertrio wird von einem sympathischen Jorge Garcia abgerundet, der durch seine äußerst sympathische Charakterzeichnung allerhand Spannung aus diversen Szenerien nimmt. Somit trumpfen die Protagonisten der Serie mit einer ausgeprägten Vielseitigkeit auf, die sicherlich auch in den kommenden Folgen dafür sorgen kann, dass es unter ihnen nicht langweilig wird.

Der Plot schreitet zum Auftakt von «Alcatraz» noch relativ gemächlich voran, was jedoch absolut in die Szenerie passt. In zwei parallelen Handlungssträngen erzählt die Story die Ermittlungen der Cops und ihr Herantasten an die skurrile Thematik der wieder auftauchenden Insassen, auf der anderen Seite verfolgt der Plot den zunächst unbekannten Ex-Sträfling aus dem Prolog. Besonders der zweite Erzählstrang ist äußerst interessant zu beobachten. Besonders dadurch, dass die Figur des ehemaligen Gefangenen, Jack, durch Flashbacks immer mehr reift. Aus dem Unbekannten wird nach und nach eine komplexe Figur, deren Handeln man im Laufe der Zeit immer besser versteht. In dem Moment, wo er und die Ermittler schließlich aufeinandertreffen, scheint sich der Kreis der ersten Folge zu schließen, nur um zum Schluss mit einem beeindruckenden Finale aufzuwarten.

Fazit der Pilotfolge: «Alcatraz» hat dank einer ausgeklügelten Story, imposanten Bildern, herausragender Musik und tollen Darstellern die Möglichkeit, etwas ganz Großes zu werden. Die Qualität, die die Serie bereits in der ersten Folge erreicht, entspricht der eines typischen J.J. Abrams-Filmes, der zu jedem Zeitpunkt seine Handschrift trägt, die dabei aber nicht zum Selbstzweck verkommt. Winzige Mängel könnten kritische Zuschauer darin sehen, dass sich der Produzent in einigen Faktoren ein wenig an vorausgegangenen Werken orientiert haben könnte. Jedoch nicht so sehr, dass es stört oder gar den Sehgenuss schmälert. Daher kann die Pilotepisode von «Alcatraz» vor allem als eins bezeichnet werden: rundum gelungen!

«Alcatraz» ist ab dem 19. September, jeden Mittwoch um 20:15 Uhr bei RTL Nitro zu sehen.
18.09.2012 09:30 Uhr  •  Antje Wessels  •  Quelle: Inhalt: RTL Nitro Kurz-URL: qmde.de/59195