Die Kritiker: «Menschen hautnah»

Größe, Alter, Beruf – die Dokumentation zeigt drei Paare, die sich trotz oder gerade wegen ihrer Ungleichheit lieben.

Inhalt
Die Dokumentation begleitet drei Paare in ihrem Alltag. Das mag auf den ersten Blick nichts Besonderes sein, doch die vorgestellten Paare fallen etwas aus dem Rahmen: Silvia ist 1,93 Meter groß, ihr Mann Winnie wirkt dagegen mit seinen knapp 1,63 Metern geradezu winzig. Trotz des Größenunterschieds sind die beiden seit über 15 Jahren zusammen und haben sogar zwei Kinder. Auch Lehrerin Dorothee und ihr Mann Frank stoßen mit ihrer Liebe zueinander immer wieder auf kritische Stimmen. Denn Dorothee war bereits Ende 30, als sie sich in den 19-jährigen Abiturienten verliebte. In der Beziehung von Martina und Volker dagegen spielt der berufliche Stand eine wichtige Rolle: Sie ist Chefärztin und er LKW-Fahrer. Dennoch funktioniert das Zusammenleben.

Hätten sich diese drei Paare über eine Dating-Agentur im Internet gesucht, wären sie niemals einander vorgestellt worden. Und die auf Äußerlichkeiten bedachte Welt lässt sie es spüren: Den klassischen Rollenvorstellungen widersprechen die Paare so sehr, dass sie, ohne es zu wollen, provozieren. Menschen hautnah begleitet drei Paare, die den Klischees trotzen: „Ich freu mich jeden Tag auf meine Frau“, sagt Winnie über seine Silvia mit den langen Beinen, „ich glaube, so fühlt sich Liebe an.“

Kritik
Man möchte eigentlich meinen, dass unsere Gesellschaft mittlerweile so tolerant ist, dass die Vorlieben anderer akzeptiert und vor allem respektiert werden. Dass dies noch immer nicht der Fall ist, machen die drei Paare aus der neuen «Menschen hautnah»-Episode unmissverständlich klar.

Silvia und Winnie werden aufgrund ihres Größenunterschieds von knapp 30 Zentimetern in der Öffentlichkeit oft angegafft. Das liegt auch vor allem daran, dass Silvia ihren Mann überragt – und nicht umgekehrt, was wohl für deutlich weniger Aufsehen sorgen würde. Die unterschiedlichen Körpergrößen scheinen zunächst eher lustig, stellen sich aber vor allem für das Paar oftmals als große Belastung durch die Gesellschaft heraus. Dabei sind die beiden ungemein sympathische und lebensfrohe Menschen, die sich nun mal einfach lieben.

Den interessantesten Fall stellen Dorothee und Frank dar. Ihre Liebe bietet ausreichend Diskussionsstoff, nicht nur bei den eigenen Freunden. Er ist 18 Jahre jünger als seine Frau – und diese Tatsache gilt für viele heute immer noch als verpönt. Auch Dorothee und Frank sind fröhliche Personen, die den ganzen Aufruhr um ihre Beziehung gar nicht verstehen können. Die Interviews mit Familie und Freunden sind dabei höchst interessant und ergiebig. Den Filmemachern ist es außerdem gelungen, redefreudige und kameraaffine Protagonisten zu finden, die noch dazu völlig authentisch wirken.

Die Dokumentation ist nicht zuletzt dank der Betroffenen ein kurzweiliges und Augen öffnendes Werk geworden. Ohne den Zeigefinger zu heben oder die moralische Keule zu schwingen erzählen Andrea Oster und Ute Schneider von Menschen, die sich – trotz der vermeintlichen Unterschiede – wahnsinnig gern haben. Dabei herausgekommen sind drei ebenso humorvolle wie ernste Geschichten, bei denen sich der Zuschauer sicherlich nicht nur einmal beim skeptischen Staunen ertappen wird – um direkt danach darüber nachzudenken, warum er denn eigentlich genauso reagiert hat.

Der WDR strahlt «Menschen hautnah: Liebe – trotz aller Unterschiede» am Donnerstag, den 6. September, um 22:30 Uhr aus.
06.09.2012 12:10 Uhr  •  Janosch Leuffen Kurz-URL: qmde.de/58979