Die Kino-Kritiker: «ParaNorman»

Die nicht ganz massentaugliche Stop-Motion-Komödie «ParaNorman» ist eine der charmantesten Horror-Hommagen die es im Kino je zu bewundern gab. Mit lauter kleinen Details gespickt und mit anrührenden Charakteren begeben sich die Macher von «Coraline» erneut auf die Pfade der düsteren Animation.

Bereits mit dem düsteren Animationsstreifen «Coraline» bewies die Stop-Motion-Trickschmiede Laika Entertainment, dass man mit Animationsstreifen nicht unbedingt immer den farbenfrohen, heiteren Weg der Familienunterhaltung gehen muss. Das Gruselmärchen von 2009 präsentierte sich als düstere, teils tragische Erzählung um eine junge Heldin, die sich in einer ihr fremden, unheimlichen Welt zurechtfinden muss.

Ähnlich steht es um «ParaNorman», den neusten Streich des Regieduos Chris Butler (Storyboard bei «Coraline») und Sam Fell (Regie bei «Flutsch und weg»). Der titelgebende Held Norman aus der Kleinstadt Blithe Hollow hat eine ganz besondere Gabe: er kann tote Menschen sehen und mit ihnen kommunizieren. Durch diese Eigenschaft ist er an seiner Schule ein Außenseiter und seine Klassenkameraden meiden ihn. Zuhause sieht es auch nicht harmonischer aus. Seine oberflächliche große Schwester Courtney hält ihn für verrückt und wenn Norman allabendlich mit seiner verstorbenen Großmutter spricht, können es sich auch seine Eltern nicht verkneifen, ihren kleinen Sprössling ebenfalls „ein wenig merkwürdig“ zu nennen. Es ist eben schwierig, seine Umgebung von etwas zu überzeugen, was sie mit eigenen Augen nicht sehen kann.

Doch Norman hat einen Freund, den treudoofen Neil. Stets eine Hockeymaske dabei, unbeholfen, aber unglaublich liebenswert. Gemeinsam sind die beiden ein tolles Team. Und das müssen sie auch sein, als Norman eines Tages auf seinen schrägen Onkel Prenderghast trifft. Dieser eröffnet ihm, dass Blithe Hollow kurz vor den Auswirkungen eines jahrhundertealten Hexenfluchs steht, der sich vor 300 Jahren über das Städtchen legte. Nun liegt es an Norman, all die Einwohner der Stadt davor zu beschützen – was auch immer kommen mag. Doch die Zeit ist abgelaufen, noch bevor er „Freitag, der 13.“ sagen kann. Auf einem nahegelegenen Friedhof steigen die Toten aus ihren Gräbern und wandeln ab sofort als Zombies Blithe Hollow entgegen. Das Gespann muss sich also dringend etwas einfallen lassen. Gemeinsam mit der aufgetakelten Courtney und Neils dümmlichem Bruder Mitch machen sie sich auf, das Geheimnis des Fluchs zu ergründen und ihn zu stoppen.

Die mit Horrorelementen durchtränkte Knetmassenparty rund um den Titelhelden Norman, ist eine faszinierende Hommage an das Splatter- und Horrorkino der Siebziger- und Achtziger-Jahre. Auf ungeheuer charmante Art und Weise reiht sich ein augenzwinkernder Verweis an den nächsten. Unter anderem auf Klassiker wie «Halloween», «Nightmare on Elm Street» und «Der Tod steht ihr gut». Zwischen die vielen ironischen Anspielungen schlängelt sich eine niedliche Handlung, die auf der einen Seite kindgerecht aufgezogen ist, auf der anderen Seite aber gerade den erwachsenen Zuschauern jede Menge Spaß bietet. Vor allem die kantigen Hauptfiguren schließt der Zuschauer schnell in sein Herz. Wirklich hübsch anzusehen sind sie alle nicht, umso deutlicher sticht dafür der Charakter hervor. Damit zeigt «ParaNorman» früh auf, dass der Film sich ungern darauf beschränken lassen möchte, ein „Kinderfilm“ zu sein. Denn auch, wenn sämtliche Werbung und Trailer sich vor allem an ein junges Publikum richten, so zeigt sich deutlich, dass vor allem viele der Lacher den Erwachsenen vorbehalten bleiben werden. Für diejenigen, den sich die parodistischen Elemente nicht erschließen, bietet sich neben derer allerhand Klamauk. Dabei verzichtet man bis auf nahezu eine einzige Szene gänzlich auf Slapstick, zeigt aber in dieser, dass «ParaNorman» noch viel komischer hätte werden können, wenn man es nicht bei ihr belassen hätte. Hauptsächlich zieht der Animationsfilm seinen Humor jedoch aus ironischen Dialogen und den übermäßig stereotypen Figuren.

All jene, die hinter «ParaNorman» jedoch immer noch ein reines Kinderabenteuer vermuten, werden verwundert sein. Zwar schauen die schaurig-schönen Bilder in Stop-Motion-Technik alle weitaus weniger gruselig aus, als ihre realen Horrorvorbilder, doch allein die Tatsache, dass ein Animationsstreifen eine FSK-12-Freigabe erhält, zeigt es deutlich: Splattereinlagen funktionieren auch in animierter Form und können den heranwachsen Cineasten so durchaus Schrecken einjagen. Dadurch könnte aus dem Kinobesuch schnell eine rasante Geisterbahnfahrt werden, aus der zartbesaitete Zuschauer nur allzu schnell wieder aussteigen möchten. Das bekräftigt die anfängliche Äußerung, «ParaNorman» sei durchaus ein Spaß für Erwachsene, noch einmal mehr.

Doch leider ist es fraglich, ob dieser ganz besondere Streifen das Zeug dazu hat, in Deutschland zum Publikumsmagneten zu werden. Denn all die vielen kleinen Details, die rasante Action, die spritzigen Dialoge und der überraschende Enttwist können nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Film keine eindeutige Zielgruppe hat. Sich an Geheimtipps-orientierende Horrorfans dürften durchaus den Weg ins Kino finden. Für den klassischen Kino-Familienausflug ist «ParaNorman», wie bereits lang und breit beschrieben, allerdings nicht geeignet. Ein eventueller Kultstatus könnte dem kleinen Zauberwerk jedoch trotzdem bevorstehen. Denn wie schon einige seiner ähnlich gestrickten Vorgänger wie unter anderem «Nightmare before Christmas» oder «Corpse Bride», die allesamt eine ähnliche Publikumsorientierung besaßen, könnte auch «ParaNorman» zu einem Kassenschlager des Heimkinos werden. Bis es soweit ist, ist die charmante Gruselmär ab dem 23. August erst mal im Kino zu bewundern. Vielleicht als einer der Geheimtipps des Kinojahres 2012.
21.08.2012 09:00 Uhr  •  Antje Wessels Kurz-URL: qmde.de/58626