Am Donnerstag hat der Kölner Sender sein Programm der nächsten TV-Season vorgestellt. Darunter befinden sich viele bereits bekannte Neustarts, aber auch einige Überraschungen, die neue Trends im Fernsehen setzen könnten – so zum Beispiel die eigenproduzierten Sitcoms. Ein Kommentar.
Im Vorfeld der Programmpräsentation hat die Branche viel von RTL erwartet: Schließlich wird der Marktführer nicht noch ewig tatenlos zusehen wollen, wie man in der Primetime Quoten abgibt und besonders mit US-Serien und den eigenen Castingshows zahlreiche Zuschauer verliert. Das berüchtigte Ausruhen auf den eigenen Lorbeeren soll also spätestens jetzt vorbei sein: Für all seine drei großen Shows «Das Supertalent» (Foto), «Deutschland sucht den Superstar» und «Let’s Dance» kündigt RTL – teils massive – Neuerungen an, um verloren gegangene Zuschauer zurückzugewinnen. Nach mehreren Jahren ohne größere Änderungen gibt es also nun offenbar Einschnitte – ob dies zum Erfolg oder eher zu weiteren Quotenverlusten führt, bleibt abzuwarten. Fest steht aber: RTL konnte gar nicht länger tatenlos zusehen – und dieser Umstand, auch an bekannten und größtenteils beliebten TV-Formaten weiter zu basteln, steht exemplarisch für den neuen Tatendrang, welchen der Kölner Sender in den nächsten Monaten bei seinem Programm beweist.
Zumindest einige echte Überraschungen hat RTL dennoch parat: So kündigte man mit «Die neuen Abenteuer der alten Christine» (Foto) eine weitere eigenproduzierte Sitcom an, die mit Diana Amft («Doctor’s Diary») prominent besetzt ist – und auf einer US-Comedy basiert, die es auf fünf Staffeln gebracht hat. Damit beschreitet RTL durchaus neue Wege: Denn sehr lange ist es her, dass ein Sender eine deutsche Sitcom direkt nach US-Konzept entwickelt und sich keine eigenen Geschichten ausdenkt. Denn an letzteren sind diese in den vergangenen Jahren meist gescheitert. Sollte das RTL-Projekt ankommen, dann hätte man wohl endlich den Schlüssel dafür gefunden, wie deutsche Sitcoms, gerade im Vergleich zu den nach wie vor populären US-Sitcoms, funktionieren. Mehrere Jahre nach dem Start des heimischen Sitcom-Booms um «Half Men» und «The Big Bang Theory» wäre dies eigentlich auch längst an der Zeit…
Den höchsten Programmanteil bei RTL hat bisher das Doku-Soap- und Reality-Genre gehabt, das der Sender unter dem Oberbegriff „Real Life“ vereint – und von dieser Strategie weicht man nicht ab, sondern verstärkt sie sogar noch: Ganze 25 Sendungen zählt RTL in seiner Pressemitteilung auf, die in der kommenden TV-Saison in diesem Reality-Bereich starten werden. Darunter viele altbekannte Formate wie «Bauer sucht Frau», einige nur einmalige Testausgaben, aber auch neue größere Sendungen wie Christian Rachs dritte RTL-Show. Die Reality-Programme bleiben die Eckpfeiler des Kölner Senders – und dies sogar noch stärker als bisher. In der kommenden TV-Season wird sich wohl auch entscheiden, mit welchen Formaten man langfristig weiter planen kann; einige schwächere Real-Life-Programme werden dann wohl aus dem Raster fallen.
Was also erwartet die Zuschauer bis zum nächsten Sommer bei RTL? Ein Programm, das sich punktuell verändert, besonders im Fiction-Bereich. Dort könnte man mit den eigenproduzierten Sitcoms sogar wieder zum Trendsetter für das deutsche Fernsehen werden. Abseits davon erneuert man sich mit bewährten Programmen (wie beim «Supertalent»), mit bewährten Charakterköpfen (wie mit Christian Rach) und mit bewährten Spielkonzepten (wie bei der «Traumhochzeit» oder den neuen Talent-Shows, die in Teilen an «Schlag den Raab» erinnern). All diese bewährten TV-Zutaten präsentiert man in neuer Verpackung, garniert mit ein wenig Experimentierfreude. Immerhin: Verglichen mit den Programmpräsentationen der anderen Sender lesen sich die RTL-Neustarts abwechslungsreicher, mutiger, erfolgversprechender. Das Heft des Handelns hat der Marktführer offenbar (wieder) in die Hand genommen.