Die Kritiker: «Person of Interest» (Pilot)

Mit «Person of Interest» präsentiert RTL Crime am Dienstag eine neue Deutschlandpremiere. Die Krimiserie kann zum Auftakt gut unterhalten, das gewisse Etwas fehlt ihr aber noch. Wo es hapert und wie die Chancen für einen Free-TV-Erfolg bei RTL stehen, lesen Sie hier.

Inhalt
In «Person of Interest» lernen die Zuschauer den ehemaligen CIA-Agenten John Reese kennen, der nicht gerade auf einen ehrenhaften Austritt aus dem Dienst des US-Geheimdienstes zurückblickt: Sein alter Arbeitgeber hält ihn nämlich schlichtweg für tot. Doch da Reese über einen immensen Erfahrungsschatz und reichlich Schlagkraft verfügt, weckt er das Interesse des mysteriösen Software-Ingenieurs und Milliardärs Finch. Dieser hat für die US-Regierung ein Computerprogramm mit einem brillanten Algorithmus entwickelt, das die Identität von Personen bestimmen kann, die in Kürze in ein Gewaltverbrechen verwickelt sein werden.

Eine wichtige Frage kann der Computer jedoch nicht beantworten: ob der oder die Betreffende das Opfer oder der Täter sein wird. Nur gemeinsam haben Reese und Finch deshalb die Chance, das Rätsel um die jeweilige «Person of Interest» zu lösen und eine Straftat vielleicht noch zu verhindern. Doch bei ihren waghalsigen und von niemandem offiziell genehmigten Einsätzen begibt sich das ungewöhnliche Duo auf hauchdünnes Eis und bewegt sich nicht selten selbst außerhalb der geltenden Gesetze...

Darsteller
Michael Emerson («Lost») ist Mr. Finch
Jim Caviezel («Frequency», «Angel Eyes») ist Reese
Kevin Chapman («Rescue Me», «Mystic River») ist Fusco
Taraji P. Henson («Der seltsame Fall des Benjamin Button», «Karate Kid») ist Carter

Kritik
Stellen Sie sich vor, es gebe eine Maschine, die Verbrechen vorhersagen kann. Und nun stellen Sie sich vor, Sie würden hierfür überall und zu jeder Zeit beobachtet werden. Klingt nach Paranoia, oder? Genau darum geht es in «Person of Interest» – um eine Maschine, die so oder so ähnlich arbeitet. Eigentlich eine super Erfindung, wären da nicht zwei große Haken: Die Maschine kann einem weder sagen, wann noch von wem die Verbrechen ausgeführt werden. Bei den ausgespuckten Personen kann es sich neben dem Täter genauso gut um das Opfer handeln – man weiß es einfach nicht.

Diese Problematik wird schon in der ersten Folge aufgegriffen und sorgt somit für Spannung und unerwartete Wendungen. Sie sorgt aber auch für zahlreiche Fragen, die es in den nächsten Folgen zu beantworten gilt: Wie kann die Maschine das? Wie ist es möglich, nur anhand der Versicherungsnummern die Namen der Personen herauszufinden? Einige Fragen wurden vage beantwortet: Die Maschine erstellt eine relevante und eine irrelevante Liste. Während die erste potenzielle Terroristen ausfindig macht, listet die irrelevante Liste all jene Menschen auf, die keine größere Bedrohung darstellen – also praktisch Personen, wie du und ich. Diese Liste, warum auch immer, ist für die Serie von Bedeutung. Am Anfang mag das für den Zuschauer befremdlich wirken, lässt man sich aber darauf ein, kann das Grundkonzept schon recht gut unterhalten.

Wie bei vielen anderen Piloten, hat die Serie ein großes Problem mit der Charaktereinführung. Die Serie beginnt mit einem sogenannten Flashback, also einem Rückblick auf die Vergangenheit eines Protagonisten. Im weiteren Verlauf wird immer wieder auf dieses Stilmittel zurückgegriffen. Leider zeigen sich hier bereits erste Schwächen, denn viel anfangen kann man mit den Rückblenden nicht. Man kann höchstens spekulieren, was es wiederum schwierig macht, mit den Figuren warm zu werden. Zunächst wird der Fokus auf Reese gelegt, einem Ex-Soldaten, der wahrscheinlich nicht nur seine Frau verloren, sondern zwischenzeitlich auch an Depressionen gelitten hat. Es wäre wünschenswert wenn dies später gleichermaßen mit anderen Figuren, allen voran natürlich Mr. Finch, passieren würde. Denn Mr. Finch ist zweifelsohne die interessanteste Person.

Er war es schließlich, der die Maschine nach den Anschlägen vom 11. September 2001 entworfen hat und so womöglich viel mehr über sie weiß, als er in der ersten Folge preis geben will. Mit Reese hat er recht schnell einen Kompagnon gefunden, der ihm dabei helfen soll, für Gerechtigkeit zu sorgen – auf eigene Faust versteht sich, denn das was sie da tun, ist nicht gerade legal. Sie müssen unentdeckt bleiben und sollten sie auffliegen, könnte das nicht weniger als ihren Tod bedeuten. So viel Fairness muss sein: Gegen Ende der Folge wird Reese darin eingeweiht. Welches Motiv Mr. Finch hat, wird jedoch nicht klar. Ebenso wenig ist ersichtlich, warum sich Reese so leicht hat überreden lassen, dort mitzumachen. Kaum waren zehn Minuten der Gefühlsduselei („Noch ist es nicht zu spät, Sie können die Frau retten“) vergangenen, da schien der Drops bereits gelutscht zu sein – und alle Skepsis, die im Vorfeld noch ansatzweise vorhanden war, löste sich in Nichts auf. Das Intro ertönt – und die Jagd auf die vermeintlichen Täter beginnt.

Die Schauspieler wirken authentisch, der Look und Soundtrack der Serie gefällt ebenfalls. Hinter der Serie steht unter anderem J.J. Abrams – ein Name der oftmals mit dem Wort Qualität fällt, in letzter Zeit aber einige Kratzer abbekam. Mit «Alcatraz» landete der ehemalige «Lost»-Produzent erst kürzlich einen Flop – und das sowohl quotentechnisch, als auch inhaltlich gesehen. Jonathan Nolan, Bruder des Regisseurs Christopher Nolan, ist einer der Autoren. An gutem Personal mangelt es der Serie also nicht. Optisch macht die Serie einiges her – Spionagefilme wie «Eagle Eye» oder «Spy Game» lassen grüßen.

Michael Emerson, den vielen als Benjamin Linus aus «Lost» kennen dürften, macht seine Sache gut. Auch in «Person of Interest» verkörpert er eine mysteriöse und dem Anschein nach undurchsichtige Person. Es wird spannend sein zu beobachten, in welche Richtung sein Charakter gehen wird und vor allem, wie sich das Gespann Finch/Reese schlagen wird. Mit der deutschen Synchronisation kann man leben, Emerson beispielsweise wird erneut von Udo Schenk («Lost») gesprochen. An den anderen Stimmen gibt es nichts auszusetzen.

Zwar kommt die Serie wie ein Procedural rüber, doch der erste Eindruck trügt. Neben den Fällen der Woche zieht sich ein leichter roter Faden. Nun liegt es an den Autoren, die Storys weiter zu spinnen und die Charakterzeichnung voranzutreiben. Der Transparenz wegen sei noch gesagt, dass sich der Rezensent hier nur auf die Pilotfolge beziehen kann. Allerdings wird gemunkelt, dass sich die Serie in den USA richtig gut entwickeln haben soll; mit ähnlich politischen Zügen wie «The Good Wife» (ebenfalls ein CBS-Format). Sollte dies der Fall sein, können sich die Zuschauer auf eine tolle erste Staffel freuen. Denn eines steht schon mal fest: Potential hat die Serie.

Dennoch stellt sie für RTL ein Wagnis dar. Im Free-TV läuft «Person of Interest» am Donnerstag um 21.15 Uhr; also auf dem Sendeplatz, den zuletzt «Bones» inne hatte. Da sich Serien mit episodenübergreifenden Geschichten zuletzt aber sehr schwer taten (siehe «Touch», «Prison Break», «True Blood»), ist die Programmierung auf diesem prominenten Platz doch sehr riskant. Schlechte Quoten könnten eine schnelle Absetzung zur Folge haben. Man kann deswegen nur hoffen, dass RTL der Serie ausreichend Zeit gibt, um sich zu etablieren. In den USA sahen teilweise mehr als 15 Millionen Zuschauer zu. Ein gutes Vorzeichen für den Deutschlandstart?

Für Pay-TV-Zuschauer startet die Serie schon am Dienstag, den 14. August um 20.15 Uhr bei RTL Crime. Am 13. September 2012 startet die Serie im Free-TV, zu sehen sein wird die erste Staffel donnerstags um 21.15 Uhr auf RTL.
13.08.2012 08:03 Uhr  •  Daniel Sallhoff, Inhaltsangabe: RTL Kurz-URL: qmde.de/58475