Sat.1 ist jüngst mit seinen Testversuchen im Daily Talk gefloppt und scheint ein großes Comeback des Genres damit vorerst begraben zu haben. Aber woran liegt es, dass die Gesprächsrunden am Nachmittag nicht mehr gefragt sind?
Die Entwicklung des Daily Talk im deutschen Fernsehen ist eigentlich am besten anhand einer Sendung abzulesen, die quasi eine Art Sekundärliteratur des Genres auf Ramschniveau darstellte: ProSiebens «talk talk talk». Ab 1999 präsentierte das Format dort in Zusammenschnitten die „Highlights“ der Daily Talkshows – nicht nur von ProSieben selbst, sondern auch von Sendungen bei Sat.1 und der Konkurrenz von RTL. Diese Zweitverwertung des Krawall-Talks funktionierte lange Zeit erfolgreich. Bis irgendwann einfach das Material selbst fehlte, weil Daily Talks aus dem deutschen Fernsehen verschwanden. «talk talk talk» griff dann teilweise auf Archivware zurück, teilweise auf Ausschnitte aus ausländischen Talksendungen, teilweise auf Clips aus TV-Formaten, die nicht mehr allzu viel mit einer klassischen Gesprächsrunde zu tun hatten. Und irgendwann war auch dieses Material aufgebraucht: 2011 stellte ProSieben «talk talk talk» ein.
Diese Entwicklung dürfte kaum eine Produktionsfirma, geschweige denn einen Sender, dazu bewegen, künftig verstärkt auf das Daily-Talk-Genre zu setzen. Sat.1 hat mit seinen Scripted-Talks in diesem Jahr diese bittere Erfahrung machen müssen – bei RTL war dies schon 2008 der Fall, als man in einem Testlauf auf die provokante Talkshow «Natascha Zuraw» setzte. Am Nachmittag um 15 Uhr fuhr man damit ebenfalls schlechte Quoten ein, sodass RTL das Format schnell im Archiv verschwinden ließ. Kurze Zeit später startete der Sender dann am Nachmittag seine Scripted-Realitys – mit bombastischem Erfolg. Oliver Geissens RTL-Talk war einige Monate später auch Geschichte.
In diesem Programmumfeld scheinen simple Gesprächsrunden schon lange ihren Reiz verloren zu haben. Selbst der letzte verbliebene Daily Talk «Britt» passte sich im Laufe der Jahre den neuen Bedingungen an und ergänzte Talk-Elemente durch Einspieler oder Lügendetektor-Tests. Die frühen Zeiten, in denen der Daily Talk als seriöse Unterhaltung mit relevanten Themen – wie bei Hans Meiser oder Ilona Christen gesehen – galt, scheinen indes völlig vorbei. Zumindest am Nachmittag, wo Krawall regiert. Doch ganz verschwunden sind die boulevardesken Talk-Anteile im Fernsehen nicht: Man findet sie heute zum Beispiel ein wenig bei Markus Lanz, der immer wieder illustre Gästerunden hat, in denen auch gesellschaftliche Themen angesprochen werden. Und wo manchmal wenig prominente Menschen mit besonderen Geschichten auftreten – also solche Menschen, die vor vielen Jahren am Nachmittag bei Christen und Co. Platz genommen hätten. Dies gilt auch für Lanz‘ Vorgänger Kerner, der nicht zufällig vor seiner ZDF-Zeit bei Sat.1 war. Und dort unter anderem – wie sollte es anders sein – eine tägliche Nachmittags-Talkshow moderiert hat.