RTL II setzt auf schwere Jungs

Von AZ Media TV kommt eine neue RTL II-Dokumentation – ab jetzt immer mittwochs. Wir haben die erste Folge schon gesehen.

Es ist schon ein lustiges Doppel, das RTL II am späten Mittwochabend aufweist. Nach 23.00 Uhr gibt es krasse Chicks in der «Mädchen-Gang» zu sehen. Man könnte fast sagen, die Protagonisten der Sendung stehen alle mit einem halben Bein im Knast. Direkt im Knast sitzen die Jugendlichen der neuen Doku-Reihe «Der Jugendknast», die um 22.05 Uhr läuft. Bei RTL II legt man Wert darauf, dass das Format eine echte Doku mit echten Geschichten ist – und eben keine Scripted Reality. Programmdirektor Andersen bezeichnet das neue Format, welches im Sommer 2011 gedreht wurde, als fesselnde Dokumentarreihe, die den Alltag in einem deutschen Jugendgefängnis zeigt. „Mit allen Höhen und Tiefen, denen die Insassen täglich ausgeliefert sind.“ Die Botschaft der Filme laute, man dürfe niemanden aufgeben.

Klingt gut, kommt in den ersten Minuten aber in typischer RTL II-Manier her. Man könnte sagen, die Macher haben sich bemüht, das RTL II-Publikum in gewohnter Weise anzusprechen. Die Akteure der Doku werden direkt zu Beginn vorgestellt, etwa als „Max, der Unberechenbare“ oder „Danni, der Zerstörer“. In den darauffolgenden Minuten sehen die Zuschauer verpixelte Gesichter von Insassen, die sich nicht filmen lassen wollten – ebenso wie einige Pieptöne – die Sprache im Jugendknast ist eben rau.

Die Pilotfolge (insgesamt kommen sechs Ausgaben) liefert mitunter durchaus interessante Einblicke – sie erzählt aber, wie es für Reportagen im Privat-TV inzwischen üblich ist – in mehreren Strängen. Die Zuschauer erleben zwei Häftlinge auf der Suche nach verschwundenen Büchern, begleiten Insassen der Station E2 bei ihrem wöchentlichen Einkauf und sehen die Pfarrerin der Anstalt bei Gesprächsrunden mit jungen Vätern.

Dass ein Insasse dort im Alter von 22 Jahren fünf Kinder von vier Frauen hat, dürfte den Otto-Normal-Bürger abschrecken. Dort im Knast – und vielleicht für manchen Zuschauer von RTL II – ist das vielleicht nicht gänzlich ungewöhnlich. Gedreht wurde das Format übrigens in Sachsen, genauer gesagt in Regis-Breitingen. Dort sitzen insgesamt 370 junge Männer ein – die Liste der Verbrechen ist zumeist lang. Jeder Insasse, der von Kameras begleitet wird, muss diese auch in aller Ausführlichkeit herunterrattern. Und da ist dann teilweise nicht nur von gebrochenen Schlüsselbeinen die Rede, sondern auch davon, dass versucht wurde, mit einem Hammer den Schädels eines Opfers zu spalten.

Effekthascherei? Teilweise – allerdings nicht in solch drastischer Art und Weise wie man es schon von vergleichbaren Dokumentationen kennt. Verantwortlich für die sechsteilige Reihe ist nämlich AZ Media TV aus Hannover, eine angesehene Produktionsfirma. Das Unternehmen macht für RTL unter anderem «30 Minuten Deutschland», steht für Dokutainment und Reality.

Allein schon, weil das Format versucht, einen realitätsnahen und unverfälschten Eindruck vom Knastleben zu vermitteln, ist ein Blick in die Sendung durchaus zu empfehlen. Ob es das über sechs Folgen lang gebraucht hätte, steht auf einem anderen Blatt. Die Grundthematik aber hat einen Platz im deutschen (Privat)-Fernsehen verdient.
25.07.2012 09:00 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/58093