kabel eins: Wer hat noch nicht, wer will noch?

kabel eins ist eine Experimentierfläche für ProSieben und Sat.1 geworden. Jüngst musste man unter anderem «Die strengsten Eltern der Welt» abgeben.

Season:
Sechs Prozent Marktanteil – für kabel eins durchaus ein Erfolg. Auf diesen Wert in der wichtigen Zielgruppe kam der Münchner Sender sowohl im TV-Jahr 2010/2011 als auch in der vor kurzem zu Ende gegangenen Saison 2011/2012. Dass man das Ergebnis halten konnte, ist angesichts von Verlusten bei der Konkurrenz durchaus als Erfolg zu werten.

Die Baustellen:
Dennoch wird kabel eins keine allzu einfache Zeit vor sich haben. Jüngst wurde bekannt, dass sich Schwestersender Sat.1 schon wieder eines der größten Quotengaranten von kabel eins bedient hat. Neue Folgen der Doku «Die strengsten Eltern der Welt» werden 2013 beim Bällchensender zu sehen sein. Sat.1 hatte vorher auch schon «The Biggest Loser» abgegriffen. Innerhalb der Senderfamilie mag dies der richtige Schritt sein, die Abnehm-Show legte beim großen Bruder in der Zuschauergunst noch einmal zu. kabel eins aber fehlt es nun an wirklichen Alternativen in diesem Genre – im August wird nun zunächst noch einmal das mit einem Fernsehpreis prämierte «Stellungswechsel» sein Quotenglück versuchen.

Die Primetime bei kabel eins ist eigentlich kein allzu großes Problem, sieht man mal vom Wochenende und hier insbesondere vom Sonntag, ab. Was der Sender dort auch versuchte, war über kurz oder lang zum Scheitern verurteilt. Verständlich, dass man den Sommer über nun mit Spielfilmen den Schaden zunächst zu minimieren versucht. Spannend wird ohnehin eher die Entwicklung der Daytime – denn auch dort wurde kabel eins übel mitgespielt. Über Jahre hinweg fuhr man dort mit alten, amerikanischen Sitcoms und natürlich mit «Two and a Half Men» gute, mit unter auch zweistellige Marktanteile ein.

Den Trend erkannte dann auch ProSieben – dort laufen heute «The Big Bang Theory» und «How I Met Your Mother» selten mit weniger als 15 Prozent Marktanteil. Das aber hatte zur Folge, dass sich die älteren von kabel eins gezeigten Formate zunehmend schwerer taten. So schwang der Klassikersender auf US-Dramen wie «Cold Case» um. Noch liegt man damit oberhalb des Senderschnitts – fraglich ist aber, ob sich episodische Geschichten ähnlich gut wiederholen lassen wie amerikanische Sitcoms.

Die Chancen:
Sie sind bekanntlich immer vorhanden, wenn sich ein Sender an Neues heranwagen muss. Durch die Tatsache, dass kabel eins inzwischen eine Art Trendsetter für Sat.1 und ProSieben ist, sieht sich Geschäftsführer Karl König wieder einmal zum Experimentieren gezwungen. Das steht ihm gut – ob er damit auch erfolgreich ist, wird sich schon in drei Wochen klären. Dann startet nämlich ein neuer Krimi-lastiger Dienstag – der es dann mit den RTL-Formaten wie «CSI: Miami» aufnehmen muss. Die Sendungen sind längst nicht mehr unantastbar und kabel eins hatte dienstags bis jetzt selten Probleme.

Große Chancen hat man auch am Vorabend, wo zuletzt schon hin und wieder experimentiert wurde. Spezial-Folgen von «Achtung Kontrolle» am Flughafen ließen die Quoten wieder in die Höhe schnellen – wahrscheinlich also, dass sich kabel eins noch für weitere Einsatzgebiete seiner Ordnungshüter entscheidet. Klar ist auch, dass sich das Magazin «Abenteuer Leben» (welches in der Produktion günstig ist) wieder und wieder neu erfinden muss. Für kabel eins ist das 17.50-Uhr-Format jedenfalls ein Glücksfall. In der Regel liegen die Quoten oberhalb des Senderschnitts – und das mit Beiträgen, die man innerhalb der Senderfamilie so wunderbar zweit, dritt- und viertverwerten kann.

Nicht aber, dass Sat.1 plötzlich auf die Idee kommt, das Format einfach zu übernehmen. Ob kabel eins unter den Voraussetzungen – und auch wegen des wieder enorm starken RTL II – aber am Ende der kommenden Fernsehsaison immer noch auf sechs Prozent Marktanteil in der Zielgruppe kommen wird, ist fraglich. Gelingt es ein drittes Mal, dann wäre es ein Erfolg sondergleichen. Ziel der Geschäftsführung sollte es aber zunächst einmal sein, die Verluste eher niedrig zu halten.
24.07.2012 09:10 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/58072