Ein Mobbingopfer erlangt Superkräfte: «Chronicle» vereint Jugenddrama mit „Found Footage“-Thrill.
Die Gattung des Superheldenfilms kann man kaum noch neu erfinden, zeigte sie sich doch längst in einer immensen Bandbreite: Superhelden können total albern sein (siehe «Batman & Robin»), doch sie können ebenfalls in ernstzunehmenden, psychologische Tiefe zeigenden Thrillern agieren (siehe etwa «The Dark Knight»). Das Ideal des maskierten Rächers wurde auseinander genommen (etwa in «Watchman»), in realistischer Form glorreich neu zusammengesetzt (beispielsweise in «Die Unglaublichen») und zuweilen geschah sogar beides gleichzeitig («Kick-Ass»). Auch mit der Erzählform wurde bereits ausgiebig experimentiert, so dehnte M. Night Shyamalan in «Unbreakable» den typischen ersten Akt eines Superheldenfilms auf volle Spielfilmlänge aus.
Außerdem wird das sich wiederholende „Found Footage“-Genre mit neuen Ansätzen versehen. Üblicherweise wird die Form vermeintlich echten Filmmaterials gewählt, um durch die vorgetäuschte Realität die Schrecken eines Horrorfilms zu vergrößern. Am erfolgreichsten gelang dies «The Blair Witch Project» und den «Paranormal Activity»-Filmen. In «Chronicle» dagegen beeinflusst die gewählte Darstellungsform auch die Erzählweise und dient dazu, eine tragische sowie übernatürliche Jugendgeschichte mit zeitgemäßen Kniffen besonders persönlich zu erzählen. Deshalb ist «Chronicle» auch überzeugten Gegnern des „Found Footage“-Trends zu empfehlen.
Anfangs beschränkt sich ihr Talent darauf, LEGO-Steine schweben zu lassen, doch mit unstillbarer Neugierde und ständigem Training gelingt es ihnen, ihre Fähigkeiten auszubauen. So kommt es, dass die frisch gebackenen, ungestümen Freunde ihre Freizeit damit verbringen, mittels Telekinese ihrem Umfeld ungesehen Streiche zu spielen. Andrew aber findet, dass sie ihre Kraft nicht derart verschwenden sollten, weshalb er sie auch dazu einsetzt, sich gegen seine Umwelt zur Wehr zu setzen. Dies wiederum stürzt Steve und Matt in Besorgnis, da sie befürchten, dass der Einsatz ihrer Kräfte außer Kontrolle geraten könnte ...
Der Vorhersehbarkeit des Hauptplots stehen dabei zahlreiche denkwürdige Sequenzen gegenüber, deren Verlauf sich nicht vorausahnen lässt. Scherzen die Hauptfiguren in einem Moment noch unbeschwert herum, folgen in der nächsten Szene schon rührende Dialoge oder dem Publikum mit ihrer Drastik den Boden unter den Füßen wegziehende Wenden. Sprunghaft wirkt dies dank des ausgefeilten Drehbuchs sowie des großartigen Schauspiels von Dane DeHaan jedoch nie. Gegen Schluss dreht DeHaan leider zu sehr auf, vor dem Schlussakt erzeugen seine verletzliche, komplexe Darstellung sowie das eng an den Figuren bleibende Format des Films aber eine raue Atmosphäre. Das Fundament eines Mobbing-Jugenddramas führt dazu, dass der Protagonist Andrew als eine moralisch komplexe Figur aufgebaut werden kann, wodurch auch der Film selbst zu einer mehrbödigen, tragischen und dennoch unterhaltsamen Geschichte wird.