Popcorn und Rollenwechsel: Stunts for Oscar

Stuntlegenden setzen sich dafür ein, dass ihre Leistungen mit Oscars gewürdigt werden.

Die wenigsten Kinogänger dürften Jack Gill kennen, selbst vielen wissbegierigen Filmliebhabern dürfte dieser Name nichts sagen. Seine Leistung für die Filmwelt wird hingegen sehr wohl vom Publikum verfolgt: Er sorgte als Stuntkoordinator und Stuntman dafür, dass die Action in «Fast & Furious Five», «8 Blickwinkel», «Bad Boys II», «Con Air» oder «The Rock» brenzlig und beeindruckend aussieht. Dass Vertreter seiner Zunft dennoch kaum Anerkennung erhalten, soll sich demnächst ändern.

Seit 21 Jahren ist Gill ein verbaler Verfechter der Position, dass die schweißtreibende Arbeit von Stuntleuten seitens der Academy of Motion Picture Arts & Sciences ebensolche Berücksichtigung verdient hat, wie die Leistung von Toncuttern, Effektkünstlern oder Kameramännern. Und wie Gill vergangenes Wochenende verriet, könnte seine Stimme bald erhört werden, denn in drei Wochen ist ein Treffen mit Dawn Hudson vereinbart, der neuen Vorsitzenden der Academy. Unterstützung erhält er dabei vom Stunt-Veteranen Mickey Gilbert, der schon an Klassikern wie «Ben Hur» beteiligt war. Sollte Hudson Verständnis für Gills und Gilberts Anliegen haben, gäbe es zukünftig eine Oscar-Kategorie für die besten Stunts. Ein Bittschreiben der beiden Stuntmeister wurde laut Gill auch bereits von angesehenen Regisseuren unterschrieben. Zu den Unterstützern sollen Steven Spielberg und Martin Scorsese zählen.

Seitens einiger Filmproduzenten erwartet Mickey Gilbert dagegen Widerstand: Zu Hollywoods goldenen Zeiten vertuschten Studios die Tatsache, dass Darsteller nicht alle gefährliche Actioneinlagen selbst machen, und diese Denke hätten allerhand moderne Studiovertreter und Produzenten geerbt. In deren Augen würde eine zu offensichtliche Thematisierung der Stuntarbeit den Glanz der Besucher anlockenden Stars trüben. Die Offensive, Stunts in den Oscars zu verankern, soll jedoch niemandes Leistung schmälern. Deswegen sprach sich Gill auch erfolgreich gegen eine von vielen Stuntkünstlern anvisierte Demonstration am Tag der Oscar-Verleihung aus.

Eine neue Oscar-Kategorie durchzuboxen, ist allerdings sehr schwierig. Seit den Fünfzigern wurden nur zwei neue Sparten eingeführt: 1964 wurde erstmals die Statuette für den besten Tonschnitt, 2002 die Trophäe für den besten animierten Langfilm verliehen. Diese Preise wurden etabliert, weil die dahinter stehenden Branchen immer bedeutungsvoller wurden. Gerade beim Animationsfilm zeigte sich dies sehr deutlich, wuchs der Trickfilm von einem in Hollywood eher raren Medium nicht nur zum Kassenschlager-Garanten an, sondern wurde auch rein quantitativ bedeutungsvoller. Einige Jahre vorher hätten die Disney-Trickfilme noch ohne jegliche ernsthafte Konkurrenz im Rennen um den Oscar antreten müssen.

Die Existenz von Stuntarbeit ist nicht bedroht. So lange es Filme gibt, in denen Menschen gegeneinander kämpfen oder verfolgt werden, wird auch Stuntpersonal benötigt. Jedoch mussten spektakuläre Stunts längst das Rampenlicht an atemberaubende Computereffekte abgeben, weshalb es schon lobend herausgestellt werden muss, wenn zum Beispiel Christopher Nolan einen sich vom Hochhaus stürzenden Batman nicht am Computer erstellen lässt.

Aber genau deshalb wäre eine Oscar-Würdigung für gelungene Stuntarbeit begrüßenswert. Denn sichere, gut aussehende Stunts sind eine schwer zu meisternde Handwerkskunst, und wenn sich mit ihr auch Oscars verdienen lassen, würden sich manche Filmemacher vielleicht wieder daran erinnern, dass Stuntarbeit ebenso eine Daseinsberechtigung hat, wie die Verwendung komplexer Computertricksereien.
16.04.2012 00:00 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/56129