Thommy, hör auf

Die Gremlins sind wieder da: Hinter den Kulissen der Sendung «Gottschalk live» beginnt ein abenteuerliches und nicht-faires Spiel - «Gottschalk live» ist nicht mehr zu retten und deshalb hat Thomas selbst eigentlich nur noch eine Möglichkeit. Ein Kommentar von Manuel Weis.

Was denkt wohl Günther Jauch in diesen Tagen, wenn er von den Geschehnissen rund um seinen alten Radio-Freund Thomas Gottschalk hört? Ist es wieder das Wort „Gremlins“, das ihm in den Ohren klingelt? Jauch selbst benutzte es damals, als sein Wechsel zur ARD einst platzte. Er sprach von Gremien voller Gremlins, von Irrlichtern und Wichtigtuern. Und genau diese sind nun Anfang 2012 – also viereinhalb Jahre später – wohl wieder aus der Mottenkiste gekrochen. Diesmal zum Leidweisen von Jauchs Freund Thomas Gottschalk, der seit Ende Januar bekanntlicherweise die quotenschwache Vorabendshow «Gottschalk live» moderiert.

Die ersten 29 Folgen der von Grundy Light Entertainment hergestellten Liveshow erreichten bei den 14- bis 49-Jährigen gerade einmal 3,1 Prozent Marktanteil, insgesamt liegt man bei desaströsen 5,4 Prozent und noch 1,51 Millionen Zuschauern. Jüngst wurde aber auch die Eine-Million-Marke gerne einmal verfehlt. Dass man angesichts dieser Werte durchaus über ein frühzeitiges Aus nachdenkt, ist verständlich. Nun aber greifen die Strukturen der ARD: Da gibt es Frank Beckmann, der das Vorabendprogramm des Ersten Deutschen Fernsehens koordinieren soll. Der NDR-Mann spricht sich für eine Fortsetzung der Show aus. Im Interview mit Quotenmeter.de erklärte er: „Am Ende muss natürlich auch in Sachen Quote eine steigende Tendenz erkennbar sein. Aber: Dafür haben wir Zeit.“ Außerdem erklärte er: „Für «Gottschalk live» gibt es viele gute Vorschläge, das Format zu verbessern. Und daran und nur daran arbeiten die Kollegen des WDR in der Redaktion gemeinsam mit der Produktionsfirma Grundy mit Hochdruck. Ich bin überzeugt, dass wir die Quote nach oben drücken werden.“

Der Relaunch des Formats begann also Anfang dieser Woche – seitdem sendet Gottschalk aus einem Baustellenstudio und vor etwa 100 Zuschauern. Das half zumindest ein bisschen: Im Wochenschnitt wurde mit 2,9 Prozent bei den Jungen der beste Wochenschnitt seit Sendewoche drei ermittelt, bei allen stieg die Zuschauerzahl um 0,12 Millionen auf durchschnittlich 1,22 Millionen. Das ist noch nicht der große Anstieg, aber es ist einer. Weitere Änderungen am Format, das nun auch von einem neuen Redaktionsleiter seitens der Grundy geführt wird, sollen in den kommenden Wochen folgen. Was allerdings nicht in Ordnung ist, ist die Vorgehensweise der ARD – und damit ist nicht Frank Beckmann gemeint.

Wie in dieser Woche sogar noch öffentlich bekannt wurde, haben sich Programmdirektor Volker Herres und die Intendanten in einer Schaltkonferenz am Montag (also noch vor der ersten Ausgabe nach dem Relaunch) über die Zukunft der Sendung unterhalten und sind wohl einer Meinung gewesen: Man müsse die Notbremse ziehen und eine Option nutzen, Mitte April aus dem Produktionsvertrag auszusteigen. Vor allem Programmchef Herres ist mit Qualität und Quote nicht zufrieden – und hier kämpfen die Gremien voller Gremlins wieder gegeneinander. Wieso treibt Frank Beckmann einen Relaunch mit der Produktionsfirma voran, wenn das Gremium sich gerade an jenem Tag dann mehrheitlich für ein Ende ausspricht? Es ist zu hören, dass zwar noch kein endgültiger Beschluss gefasst wurde – aber das Erreichen der Quotenziele wurde doch deutlich angesprochen und Gottschalk steht nun vor einer Mammutaufgabe, die niemals zu schaffen ist.

Am Donnerstag dann erklärte Volker Herres, und spätestens da wird erkennbar, dass er «Gottschalk live» beendet sehen möchte, gegenüber Bild.de: „Ich habe ihn erinnert, dass unser Ziel mindestens 10 Prozent sind und jetzt rasch ein starker Trend nach oben gehen muss. Ansonsten tue sich die ARD bei einer Entscheidung über die Fortsetzung der Sendung schwer.“ Dieses Zitat kommt von ihm, obwohl sein Moderator nur wenige Stunden vorher äußerte, Herres und keiner in der ARD würde von Gottschalk die zehn Prozent fordern und erwarten.

Nun ist der Karren also schon ziemlich tief im Schlamm und was sich die Produktionscrew und wohl auch der Moderator selbst denken, wird in einem Zitat gegenüber dem Münchner Merkus deutlich. «Gottschalk live»-Redakteur Carsten Wiese nämlich spricht davon, es manche ihn traurig und wütend, wie mit Gottschalk umgegangen werde. "Keiner redet die Quote schön, aber man sollte dem Format doch die Chance geben, sich nach dem Relaunch zu entwickeln." Genau das tut der Großteil der ARD aber nicht – und deshalb stellt sich die Frage, wieso sich Grundy Light Entertainment und auch Frank Beckmann auf (fast) alleiniger ARD-Front noch abmühen sollen.

Das Ende der Geschichte dürfte vergleichsweise nah und klar sein: Gottschalk wird die Quoten bis Mitte April niemals auch nur annähernd in Richtung zehn Prozent bekommen. Steht seine Sendung im Schnitt dann einen Prozentpunkt besser da als aktuell wäre schon viel erreicht. Das aber wird der Intendanz nicht genügen – und so ist ein frühes Aus der Produktion unabdingbar – nur müsste es eleganter von Statten gehen als es sich derzeit andeutet. Immerhin sprechen wir hier von Thomas Gottschalk, dem vielleicht größten Moderator Deutschlands. Und eben weil wir von ihm sprechen, ist ihm eigentlich nur eines zu raten: Thommy, hör selbst auf – eine reelle Chance hast Du sowieso nicht mehr.
24.03.2012 09:14 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/55702