Frank Beckmann: '«Gottschalk live» bekommt zunehmend Format'

Exklusiv-Interview: Der ARD-Vorabendkoordiantor spricht erstmals über den Relaunch von «Gottschalk live», über Reißleinen im April und über die Entwicklung der Schmunzel-Krimis «Heiter bis tödlich».

Herr Beckmann, wie lebt es sich als Vorabendkoordinator der ARD? Sind Ihre Sorgenfalten in den vergangenen Monaten tiefer geworden?
Nein, wir haben uns vorgenommen, im Vorabendprogramm des Ersten etwas Neues zu entwickeln. Somit war mir auch klar, dass wir auch etwas ausprobieren müssen.

Thema «Gottschalk live» - sicherlich das spannendste TV-Experiment des bisherigen Jahres. Ihr Fazit?
Wir haben den wohl prominentesten deutschen Moderator für den ARD-Vorabend gewonnen, darüber freuen wir uns. Mit der Akzeptanz sind wir noch nicht zufrieden. Wir müssen nachsteuern. Das ist bei täglichen Sendungen nichts Ungewöhnliches. In den kommenden Tagen werden wir von «Gottschalk live» weitere Piloten herstellen, ohne diese jemals im Fernsehen zu zeigen. Ab dem 19. März geht die Sendung dann mit einem überabeiteten Konzept an den Start.

Der Relaunch, der Anfang der Woche durch die Medien geisterte, wird also kommen. Was Sie ändern wollen, ist ja schon durchgesickert – was sind die Gedanken dahinter?
Wir werden künftig Studiopublikum einladen. «Gottschalk live» hat viele humorvolle Elemente, die bislang verpufften, weil eine Reaktion im Studio darauf fehlte. Die Redaktion im Hintergrund ist kein Ersatz für Studiopublikum. Das wollen wir verbessern. Ich glaube auch, dass es Thomas Gottschalk gut tut, wenn er sofort ein Feedback vom Zuschauer bekommt. Zudem ändert es die Stimmung am Set.

Spekuliert wird auch über die Einführung eines Sidekicks…
Das ist sicher ein Denkmodell. Es muss jemand sein, der wirklich zu Gottschalk und in das Format passt. Ein guter Sidekick kann dazu führen, dass die Sendung noch mehr Struktur hat. Er kann auch helfen, die Themen des Tages noch besser einzuordnen. Möglich, dass am 19. März ein Sidekick dabei ist, möglich aber auch, dass das nicht der Fall ist.

Ganz ehrlich: «Gottschalk live» hatte schon gute Elemente, die wurden dann aber meistens durch den nächsten Gast, die nächste Werbung, das nächste Thema nach gefühlt zehn Sekunden abgebrochen. Wissen Sie eigentlich ganz genau, was «Gottschalk live» sein will?
Sie haben Recht: Man meint, im Vorabend manchmal unglaublich auf das Tempo drücken zu müssen. Es kann gut sein, dass wir uns künftig mehr auf einen Gast konzentrieren. Wir werden aber weiterhin auf die Themen setzen, die keinen Platz in der «Tagesschau» haben. Ein bisschen „Wundertüte“ muss auch künftig bleiben – und das ist die Sendung für mich. Am Ende ist es ja entscheidend, was spontan entsteht. Es gab da viele sehr unterhaltsame Momente, manches war geplant, manches entstand aus der Situation heraus.

Wenn Gottschalk mehr als fünf Prozent Marktanteil holt, ist es inzwischen ein besserer Tag. Haben Sie wirklich noch den glauben, dass sich die Quoten in Richtung Senderschnitt entwickeln?
Unsere Aufgabe ist es, die derzeitigen Marktanteile von «Gottschalk live» zu erhöhen. Wir haben gerade darüber gesprochen, dass wir nun Änderungen vornehmen, die die Qualität der Sendung weiter verbessern werden. Und wenn ich mir die Ausgaben der vergangenen Woche ansehe, dann finde ich, dass wir qualitativ schon eine deutliche Tendenz nach oben sehen. «Gottschalk live» bekommt zunehmend Format. Am Ende muss natürlich auch in Sachen Quote eine steigende Tendenz erkennbar sein. Aber: Dafür haben wir Zeit.

Es gab Spekulationen über eine Ausstiegsmöglichkeit der Produktionsvereinbarung Mitte April. Nun sind solche Exit-Möglichkeiten bei täglichen und neuen Formaten nichts Besonderes. Können Sie denn heute mit Sicherheit sagen, dass Gottschalk im Mai noch sendet?
Es ist richtig, dass bei Experimenten auch „Reißleinen“ verabredet werden. Aber da sind wir noch lange nicht. Im Gegenteil: Für «Gottschalk live» gibt es viele gute Vorschläge, das Format zu verbessern. Und daran und nur daran arbeiten die Kollegen des WDR in der Redaktion gemeinsam mit der Produktionsfirma Grundy mit Hochdruck. Ich bin überzeugt, dass wir die Quote nach oben drücken werden. Auch Thomas Gottschalk glaubt da fest daran.

Wie erleben Sie ihn derzeit?
Auch er wusste, dass das schwer wird. Und es gab auch ein paar schmerzliche Artikel. Es wurde aber weitaus mehr honoriert, dass mutige Experimente auch Unterstützung verdienen. Das hat mich sehr gefreut. Und wir nehmen die Kritik, auch von Ihnen, sehr ernst. Klar ist: Es kostet momentan sehr viel Kraft, aber wir werden diesen Weg gehen – besonders bei den Impulsen, die momentan von außen kommen.

Gehen wir mal weg von «Gottschalk live» und hin zu «Heiter bis tödlich». «Hubert und Staller» haben Sie schon verlängert, die Serie lag bei den 14- bis 49-Jährigen in der Nähe des Senderschnitts. Was lief denn da richtig?
«Hubert und Staller» ist ein schönes Beispiel dafür, dass der von uns eingeschlagene Kurs richtig ist. Wir haben gegenüber dem Programm, was vorher da war, bei den jüngeren Zuschauern um etwa 50 Prozent zugelegt. Bei den 20- bis 59-Jährigen hat die Serie etwa sieben Prozent geholt – das ist gut. Davon brauchen wir jetzt noch mehr Serien. Nicht alle Formate haben das geschafft, und es wäre natürlich schöner, wenn andere Serien auch schon an diesem Punkt wären.

Wieso war denn «Hubert und Staller» nun so viel erfolgreicher als andere Serien?
Das lag meiner Meinung nach an den sehr skurrilen Figuren, an den tollen Darstellern, die auch schon länger zusammenspielen – sie hatten somit eine wunderbare gemeinsame Grundlage. Die Serie hat einen tollen Humor, aber gleichzeitig werden die Fälle an sich auch ernstgenommen. Es gilt ja schließlich immer, auch noch ein Verbrechen aufzuklären. Ich habe wirklich herzlich gelacht bei «Hubert und Staller» und bin der festen Überzeugung, dass die zweite Staffel nach dem, was ich bisher kenne, noch besser wird.

Wie fällt Ihr Fazit bei den anderen «Heiter bis tödlich»-Serien aus?
«Morden im Norden» ist kürzlich ordentlich angelaufen, die Geschichten der Serie sind stimmig. Der Cast ist toll. Die Serie legt den Fokus etwas mehr auf den Krimi, der Humor ist darin nicht so vordergründig. Das ist für uns nun spannend: Was wollen die Zuschauer am Vorabend besonders gern? Spannend ist ja auch, dass die Norddeutschen eher für einen kühleren Humor bekannt sind. Das Land an der Küste ist rauer, und so ist auch der Humor. Wir müssen die Serien dann so gestalten, dass sie auch bundesweit funktionieren.

Bis auf «Hubert und Staller» haben Sie noch keine weitere Serie fortgesetzt, obwohl zwei schon zu Ende sind. Wann fallen hier die Entscheidungen?
Da haben wir keine Eile. «Hubert und Staller» mussten wir schnell fortsetzen, weil es von «München 7» nur acht Folgen gibt. Wir wollen die einzelnen Tage regional prägen. Von «Morden im Norden» kommen nun 16 Episoden, weshalb eine Entscheidung bei «Nordisch herb» nicht drängt.

Eines kann Ihnen aber nicht schmecken: Einige «SOKO»-Serien im ZDF haben, unter anderem sogar bei den Jungen, jüngst zugelegt – und das «Großstadtrevier» holt die schlechtesten Marktanteile seit Ewigkeiten.
Wir haben mit dem Start von «Gottschalk live» die Sendezeiten der Formate im Vorabend verändert – das «Großstadtrevier» beginnt jetzt um 18:30 Uhr. Nun müssen wir dem Zuschauer einfach die Zeit geben, sich daran zu gewöhnen. Gerade beim «Großstadtrevier» wird doch ersichtlich, dass die Verluste momentan konkret mit der Schema-Veränderung verbunden sind. Auch «Verbotene Liebe» läuft jüngst etwas schwächer. Das haben wir erwartet und gehen von einer Erholung in den kommenden Wochen aus.

Kurz noch ein paar Sätze zur «Verbotenen Liebe» - das dürfte noch das geringste Sorgenkind sein, oder?
Die Daily hat ein bisschen verloren, aber da passiert hinter den Kulissen zurzeit sehr viel. Der Mallorca-Strang wurde abgedreht, aber es gibt in der neuen Staffel neue Settings, die dem Format noch mehr Wertigkeit verleihen. Ich halte es für möglich, dass die Serie ihre Zuschauer recht schnell wieder zurückholt – es gibt eine sehr stabile Fangemeinde...

Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Beckmann.
11.03.2012 08:57 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/55428