Die Kritiker: «Zum Kuckuck mit der Liebe»

Story
Im Jahre 1967 führt das Schicksal den Schwarzwälder Kuckucksuhrenbauer Gottlieb Dobisch an einem norddeutschen Deich auf wundersame Weise mit seiner Auserwählten Leonore zusammen. Die beiden heiraten, gründen eine Familie und eröffnen die erste Kuckucksuhrenfabrik des Nordens, die durch das Firmenmotto „Pünktlichkeit, Präzision, Perfektion" zu beachtlichem Erfolg gelangt. Gute 40 Jahre später ist Gottlieb längst verstorben, doch seine Familie – allen voran Leonore – führt die Geschäfte in seinem Sinne weiter. Gottliebs lang gehegter Wunsch, in den Verband der Schwarzwälder Kuckucksuhrenhersteller aufgenommen zu werden, blieb indessen bislang unerfüllt.

Jetzt naht eine neue Chance: Eine Delegation aus Süddeutschland hat sich angekündigt, das Anliegen ein weiteres Mal zu prüfen. Um den besten Eindruck zu machen, beauftragt Leonore ihre verlässliche Schwiegertochter Katrin, die Empfangsrede zu halten. Katrin jedoch, verheiratet mit Anton, dem jüngeren der beiden Dobisch-Söhne, übermannen angesichts dieser Aufgabe Selbstzweifel und Versagensängste, die schon lange an ihr zehren. Der befreundete Hausarzt Dr. Ingo Leuwerik, dem die Familie Dobisch – und vor allem Leonore – sehr am Herzen liegen, schlägt ihr vor, heimlich in Hamburg einen Rhetorikkurs zu besuchen. Katrin willigt ein und landet ausgerechnet bei dem labilen Sprachtrainer Hubertus Hobbs, der seine privaten Probleme allabendlich im Alkohol ertränkt.

Eine Verkettung unglücklicher Umstände führt dazu, dass sie mit Hobbs einen spontanen, unüberlegten Seitensprung begeht, der nicht ohne Folgen bleibt. Denn Schwägerin Greta, die voller Neid und Eifersucht auf Katrins profilierte Stellung in der Familienhierarchie blickt, hat ihren Mann, Antons älteren Bruder Lothar, damit beauftragt, ihrer Konkurrentin hinterherzuspionieren. Als Katrins Fehltritt schließlich auffliegt, steht alles auf dem Spiel: Familienehre, Eheglück und die weitere Zukunft der Kuckucksuhrenfabrik.

Darsteller
Bernadette Heerwagen («Die Aubergers») als Katrin Dobisch
Jan-Gregor Kremp («Allein gegen die Angst») als Hubertus Hobbs
Rüdiger Vogler («Anonyma – Eine Frau in Berlin») als Dr. Ingo Leuwerik
Rita Russek («Wilsberg») als Leonore Dobisch
Johann von Bülow («Das dunkle Nest») als Anton Dobisch
Elena Uhlig («Sexstreik!») als Greta Dobisch
Stephan Grossmann («Weissensee») als Lothar Dobisch

Kritik
Es gibt Drehbücher, die in ihrer schier grenzenlosen Borniertheit fast schon eine Zumutung sind. Dieses aus der Feder von Thomas Oliver Walendy ist sicherlich eines davon. Fassen wir die Prämisse einmal zusammen: Nachdem er sich auf den ersten Blick in eine Frau beim Wäscheaufhängen verliebt hat, beschließt der Schwarzwälder Gottlieb Dobisch, in Norddeutschland zu bleiben und dort eine Kuckucksuhrfirma zu gründen, die dann auch recht schnell ziemlich erfolgreich wird. Zu seinem Glück fehlt ihm aber noch eines: das Gütesiegel des Kuckucksuhrverbandes aus dem heimischen Schwarzwald, das man ihm aber partout nicht erteilen will. Also fängt er an zu saufen und stirbt schließlich eines frühen Todes.

Seine Witwe und seine beiden Söhne, sowie deren Gattinnen, leben von nun an in dem Wahn, alles Erdenkliche in die Wege zu leiten, um dieses Gütesiegel zu erwerben, und opfern für etwas derart Sinnloses ihr Leben auf. Über Jahrzehnte hinweg. Solche Sorgen möchte man haben. Es ist durchaus bemerkenswert, wie lächerlich man hier die Grundlage der Gefühlswelten der Figuren aufbaut. Und für wie dumm man damit die Zuschauer hält. Denn auch ansonsten stottert der Plot ohne Sinn und Verstand vor sich hin – logisch ist hier nichts. Wieso Katrin auf die glorreiche Idee kommt, ihr Rhetorikseminar geheim zu halten, erschließt sich einem beim besten Willen nicht; ebenso wenig, dass sie dann auch noch eine Affäre mit ihrem jähzornigen Lehrer eingeht, den sie zuerst verabscheut. „Ich bin verwirrt“, lautet die lapidare dramaturgische Begründung. Verwirrt zu sein, soll hier alles erklären und rechtfertigen. Damit bietet «Zum Kuckuck mit der Liebe» (Regie: Hajo Gies) ausschließlich Irrationalität in Reinform. Wer soll da bitteschön folgen können?

Noch schlimmer wird es allerdings, wenn man sich ansieht, wie Walendy seinen Stoff in Dialogform gebracht hat. Denn spätestens hier hört sich wirklich alles auf. Mit Stilblüten wie „Manchmal sind Uhren auch nur Menschen“ (Nach einem Gespräch mit dem Anthropologen Ihres Vertrauens wird man Ihnen anraten, hier zu widersprechen) und „Auch Joggen löste das Problem nicht“ (Wieso sollte es auch) wird schnell klar, nach welchen Regeln dieses Drehbuch zusammengeschludert wurde. Dramaturgisches Gespür scheint nebensächlich zu sein, sinnvolle Spannungsbögen wurden wohl für unnötig befunden. Es geht ums Schicksal, ums Fühlen, ums Verwirrtsein. Dass die Geschichte, die man zu erzählen versucht, aber von vornherein völlig unlogisch ist und keinerlei Sinn ergibt, scheint bei der Degeto niemanden interessiert zu haben.

Da hilft leider auch eine recht gelungene Besetzung nicht mehr, die mit der Ausnahme von Elena Uhlig, deren übertriebene Mimik zum grenzdebilen irrationalen Pathos ganz gut passt, vollkommen unterfordert wirkt. Bernadette Heerwagen und Johann von Bülow bemühen sich sichtlich, noch ein wenig Glaubwürdigkeit zu erreichen, was angesichts der massiven Überzeichnung ihrer Charaktere aber gar nicht mehr gelingen kann. Die einzigen Punktlandungen in «Zum Kuckuck mit der Liebe» kommen von Jan-Gregor Kremp und Rita Russek. Ansonsten kann diesen Film aber getrost der Kuckuck holen.

Das Erste strahlt «Zum Kuckuck mit der Liebe» am Freitag, den 03. Februar 2012, um 20.15 Uhr aus.
02.02.2012 11:44 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/54730