Die Kritiker: «Nachtschicht – Reise in den Tod»

Story
Südtirol, ein Waldstück. Zwei Lieferwagen, zwei Fahrer – und plötzlich zehn aus dem Wald laufende dunkelhäutige Menschen. Der Transport der illegal eingewanderten Ausländer beginnt – für Fahrer Bruno Markowitz kein stressfreies Unterfangen. Seine Auftraggeber erwarten die «Lieferung» unbeschadet und ungesehen. Schließlich sollen die Flüchtlinge in Familien und Restaurants als billige Schwarzarbeiter eingesetzt werden. Probleme gab es bisher nie – bis eine der Frauen Anzeige gegen den Mann, der sie beschäftigt, erstattet. Der Vorwurf: Gewalt. Das Team Erichsen und Brenner wird eingeschaltet.

Die Untersuchungen lassen immer neue Details ans Licht kommen. Bald schon finden sich die Ermittler inmitten einer organisierten Bande wieder, in der selbst vertrauenswürdige Personen zu zweifelhaften Gestalten werden…

Darsteller
Armin Rohde («Kein Sex ist auch keine Lösung») ist Erich Bo Erichsen
Barbara Auer («Effi Briest») ist Lisa Brenner
Minh-Khai Phan-Thi («Männer ticken, Frauen anders») ist Mimi Hu
Götz George («Schimanski») ist Bruno Markowitz
Hadnet Tesfai ist Lola Obasi
Liz Baffoe («Lindenstraße») ist Gloria Adewunmi
Dominique Siassia («Sturm der Liebe») ist Marie France Amadou

Kritik
In Zeiten, in denen nahezu jede Thematik für Spielfilme abgegrast zu sein scheint, wird es immer schwieriger, stimmige und schlüssige Plots auf Zelluloid zu bannen. Regisseur und Drehbuchautor Lars Becker («Amigo – Bei Ankunft Tod») bediente sich für seine neueste Episode der Fernsehfilmreihe «Nachtschicht» am Thema illegal eingewanderter Ausländer. Seine Geschichte präsentiert Becker atmosphärisch dicht, aber nicht ganz klischeefrei.

Inszeniert ist das Gezeigte von Beginn an spannend und authentisch. Die ruhige Erzählweise verschafft eine stetige Grundspannung, die durch die hervorragenden Bilder von Kameramann Andreas Zickgraf («Kommissar Stolberg») und den stimmigen Musikeinsatz stilvoll auf den Zuschauer übertragen wird. Hektische Schnitte und Effekthascherei sucht man hier dankenswerterweise vergebens.

Götz George spielt als kauziger «Lieferant» seine Schauspielerkollegen fast an die Wand. Ihm nimmt man seine moralischen Gewissensbisse und die gleichzeitige Verzweiflung, schnell an viel Geld zu kommen, jeder Zeit ab. Ein schroffer, humorloser alter Mann, in dem tief im Inneren ein weicher Kern auszumachen ist. Sein Gegenüber, Armin Rohde als Kommissar Erichsen, macht seine Sache mindestens genauso gut. Kecke Sprüche springen über seine Lippen, vergessen aber dabei nie die Ernsthaftigkeit der Situation. Schauspielerin Hadnet Tesfai trägt in ihrem Debüt die schwerste Bürde, meistert diese aber hervorragend. Einzig Kripoassistentin Mimi Hu, dargestellt von Minh-Khai Phan-Thi, wirkt in ihrer Rolle etwas steif. Ein dicker Pluspunkt hingegen sind die beiden chaotischen Kleinkriminellen, die die meisten Lacher für sich verbuchen können, ohne dabei peinlich zu sein.

So ernst das angegangene Thema auch ist, Situationen für ein Augenzwinkern bieten sich einige. Allerdings rutscht Becker ab und an in allzu bekannte Klischees ab. Es scheint nur logisch, dass der Freund einer jungen Frau, die eine Flüchtige bei sich beherbergt, ebenfalls arbeitslos und – so scheint es – voreingenommen gegenüber ausländischer Einwanderer eingestellt ist. Auch der Charakter des Familienvaters, der seiner ausländischen Haushaltshilfe gewalttätig entgegentritt, ist nicht frei von Vorurteilen. Überspitzt angedeutete Ausländerfeindlichkeiten gehören zum Umgangston. Darauf hätte in so machen Szenen auch gerne verzichtet werden dürfen. Den ein oder anderen (unvermeidbaren) Durchhänger muss dann auch der ansonsten kurzweilige, weil interessante Film über sich ergehen lassen. Ins Gewicht fällt dies jedoch kaum, da eine recht ernste Angelegenheit bei all der Spannung auch mal eine Ruhepause benötigt.

«Reise in den Tod» ist eine geschichtlich nicht neue, aber sehr stark gespielte und bebilderte Episode der «Nachtschicht»-Reihe. Regisseur Lars Becker gelingt ein bis hin zum dramatischen und im Gegensatz zum restlichen Verlauf heftigen Finale ein spannendes, interessantes und authentisches Werk.

Das ZDF strahlt «Nachtschicht – Reise in den Tod» am Montag, den 16. Januar, um 20.15 Uhr aus.
15.01.2012 12:41 Uhr  •  Janosch Leuffen Kurz-URL: qmde.de/54340