Die Kritiker: «Nils Holgerssons wunderbare Reise»

Inhalt
Bauersohn Nils Holgersson ist ein kleiner Lausebengel: Wann immer sich seine Eltern darauf verlassen, dass er auf dem Bauernhof mit anpackt, lungert er nur rum und schießt mit seiner Steinschleuder auf Tiere. Zur Strafe verweigert ihm sein Vater, sich der Jagd nach dem tückischen Fuchs Smirre anzuschließen.

Allein die Apothekerstochter Åsa glaubt, dass in Nils mehr als ein Taugenichts steckt. Als Nils aber beim zweisamen Angeln einen Raben mit Steinen beschießt, wirft auch sie dem Jungen jegliche Respektlosigkeit vor und zieht stürmisch von dannen.

Kurz darauf schrumpft ein Hauskobold Nils auf Wichtelgröße, um ihm eine Lektion zu erteilen. Der verwunderte Nils kann nun auch die Sprache der Tiere verstehen, und muss lernen, dass sein ungehobeltes Benehmen die Tiere des Bauernhofs arg verletzte. Während Nils verzweifelt dem Hauskobold nachjagt, in der Hoffnung er würde ihn wieder in seine Ursprungsgröße versetzen, fliegt ein Schwarm Wildgänse über den Bauernhof und neckt die Hausganst Martin, sich ihm doch anzuschließen. Dieser entschließt sich kurzerhand, tatsächlich aufzubrechen, was Nils zu verhindern versucht. Da er seine Größe unterschätzt, befindet er nun als blinder Passagier auf der Flugreise nach Lappland ...

Darsteller und Sprecher
Justus Kammerer («Zwerg Nase») ist Nils Holgersson
Pauline Rénevier ist Åsa
Kurt Krömer («Eine Insel namens Udo») ist Formula
Hanns Zischler («Wilde Wellen») ist Der Kobold
Bastian Pastewka («Pastewka») spricht Gans Martin
Katja Riemann («Die Grenze») spricht Wildgans Åkka
Udo Schenk («In aller Freundschaft») spricht Fuchs Smirre
Ben Becker («Der Landarzt») spricht Adler Gorgo
Jan Josef Liefers («Tatort») spricht Rabe Bataki
Yvonne Catterfeld («Das Mädchen auf dem Meeresgrund») spricht Wildgans Daunenfein

Kritik
Vor über 100 Jahren wurde das Buch «Die wunderbare Reise des Nils Holgersson mit den Wildgänsen» erstmals veröffentlicht. Ursprünglich wollte die Autorin Selma Lagerlöf mit diesem Roman schwedischen Kindern die Landeskunde ihrer Heimat näher bringen, allerdings löste er sich längst von diesem Zweck und ist ein international angesehenes Stück schwedischer Literatur. Bislang wurde die Geschichte Nils Holgerssons bloß im Zeichentrickmedium adaptiert, wohl nicht zuletzt, weil eine Realverfilmung tricktechnisch hohen Aufwand bedeutete.

Die internationale Koproduktion, die Das Erste über die Weihnachtstage ausstrahlt, scheut nicht davor zurück, den handwerklichen Anforderrungen gerecht zu werden. Die sprechenden Tiere und die Trickaufnahmen des geschrumpften Nils werden mit geschickt gewählten Kameraeinstellungen, Greenscreen, Computer- und Puppenanimation äußerst ansehnlich bewerkstelligt. Auch die Aufnahmen mit echten Tieren sind sehr gelungen, man merkt dem Film an, dass für das Training der Tierdarsteller sehr viel Zeit aufgebracht wurde. Zwischen den beeindruckenden Tricks schleichen sich jedoch auch immer wieder schwach ausgeleuchtete oder leicht hölzerne Animationen ein. Diese sind zwar weiterhin auf einem gehobenen Fernsehniveau, stechen in dieser hochwertigen Produktion aber ärgerlich hervor.

Jungdarsteller Justus Kammerer gelingt es derweil, den Lausebengel Nils Holgersson trotz seiner charakterlichen Schwächen sympathisch anzulegen. Zugleich vermeidet er es, Nils zu geglättet darzustellen, was in einigen modernen Verfilmungen schwedischer Kinderbuchklassikern geschieht und ihnen somit einen Teil ihrer Identität raubt. Nils Holgersson muss Zuschauerempathie erwecken, sonst wäre die lange Geschichte für das Publikum zu ermüdend, und dennoch unerzogen sein, immerhin ist die Stärkung seines Charakters der Sinn und Zweck dieser Odyssee.

Das Format eines Event-Zweiteilers birgt Vor- und Nachteile für die kostspielige Produktion. Einerseits bietet die lange Laufzeit genügend Raum, um ausführlich auf einige Handlungspunkte einzugehen, womit der Film gegenüber der klassischen Zeichentrickserie nicht all zu viel einbüßen muss. Andererseits resultiert die stattliche Laufzeit auch in einen langsamen Start für «Nils Holgerssons wunderbare Reise»: Bis Nils auf Wichtelgröße geschrumpft wird, vergehen eher schleppende dreißig Minuten. Dank der zeitlosen Geschichte, die in dieser Realverfilmung erfreulicherweise ohne unnötige Modernisierungen nacherzählt wird, ist «Nils Holgerssons wunderbare Reise» aber trotz kleinerer Schwächen ein warmherziger und fantasiereicher Familien-Fernsehtipp für die Weihnachtstage.

Das Erste strahlt den ersten Teil von «Nils Holgerssons wunderbare Reise» am 25. Dezember 2011 ab 16.00 Uhr aus, der zweite Teil folgt am 26. Dezember ab 16.20 Uhr.
22.12.2011 11:00 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/53944