Polanskis neuer Film ist eine bissige Gesellschaftssatire mit einem zu Höchstform auflaufenden Christoph Waltz.
Das offene Austragen von Meinungsverschiedenheiten ist untrennbar mit der Menschheitsgeschichte verbunden. Ein nicht unwesentlicher Teil der gesellschaftlichen Entwicklung fußt zweifellos auf Streit in den verschiedensten und längst nicht immer negativ besetzten Varianten sowie den aus ihnen geborenen Auseinandersetzungen. Auch wenn die Umstände und die Auswirkungen bei so unterschiedlichen Arten von Konflikten wie Kriegen, Machtkämpfen zwischen politischen Parteien, Nachbarschaftsstreits oder einfachen Kabbeleien zwischen Kindern sehr weit auseinander gehen, steht doch für die Beteiligten in der Regel stets die Durchsetzung der eigenen Interessen und Ansichten im Mittelpunkt. Die durch Erziehung bestenfalls vermittelten Werte sollen dabei in unserer Gesellschaft aber zumindest auf zwischenmenschlicher Ebene für ein gewisses Maß an Toleranz und Kompromissbereitschaft beim Umgang miteinander sorgen. Dass es allerdings nicht viel bedarf, um auch einen scheinbar noch so gesitteten Menschen seine antrainierten Manieren über Bord werfen zu lassen, beweist Oscarpreisträger Roman Polanski («Der Pianist») nun eindrucksvoll mit seinem neuesten Werk, der herrlichen schwarzen Komödie «Der Gott des Gemetzels».
Vom ersten Moment der verkrampften Konfrontation an inszeniert Polanski das unstete Klima derart greifbar, dass man den unvermeidlichen Ausbruch der zunächst unter der Oberfläche brodelnden Differenzen regelrecht herbeisehnt. Schnell wird klar, dass die zwei verschiedenen Parteien keineswegs auf einer Wellenlänge liegen. Dass dies, wie sich bald herausstellt, auch innerhalb der jeweiligen Ehen in vielen Punkten der Fall zu sein scheint, heizt den ganzen Konflikt nur noch weiter an und sorgt dafür, dass sich die Allianzen zwischen den Anwesenden immer wieder vorübergehend in unterschiedliche Richtungen verschieben. Dabei scheint ein Ende des Zwistes mehrmals zum Greifen nah, werden sich die Vier doch selbst abwechselnd der Absurdität ihrer Diskussionen hin und wieder bewusst. Stets führen jedoch weitere Nichtigkeiten, in die sich die Eltern zunehmend hineinsteigern, zur Fortsetzung des Streitgesprächs, das sich die meiste Zeit schon längst nicht mehr um die Rauferei der beiden Söhne dreht. Die vier Erwachsenen verhalten sich im Zuge dessen obendrein bisweilen auch nicht wirklich reifer als ihre Kinder, über die sie zu Anfang noch so altklug geurteilt haben.
Mindestens so grandios wie die Dialoge selbst, sind auch die vier Darsteller, denen sie in die Münder gelegt wurden. Mit Jodie Foster («Das Schweigen der Lämmer»), Kate Winslet («Der Vorleser») und Christoph Waltz («Inglourious Basterds») konnte Roman Polanski gleich drei hochkarätige Oscarpreisträger vor der Kamera versammeln, die ebenso wie John C. Reilly («Chicago», «Aviator»), der Vierte im Bunde, allesamt zu Topform auflaufen. Christoph Waltz kann sich durch sein eigenwilliges und verschmitztes Schauspiel sogar noch einen Tick von seinen ohnehin schon großartigen Co-Stars abheben. Im Zusammenspiel wissen alle vier zweifellos für ungemein skurriles Vergnügen zu sorgen, das hin und wieder lediglich ein wenig durch die vermeidbare Einbindung des einen oder anderen überholten Geschlechterklischees getrübt wird. Doch das ist wohl Kritik auf hohem Niveau. Ansonsten lässt sich Polanski mit seinem neuen Film nämlich in der Tat so gut wie nichts zu Schulden kommen.