Die Kino-Kritiker: «Hotel Lux»

Nazis, Kommunisten und unpolitische Kabarettisten: Die Tragikomödie «Hotel Lux» von Leander Haußmann führt Michael „Bully“ Herbig ans ernste Fach heran.

Publikumsmagnet Michael „Bully“ Herbig sprach schon häufiger davon, aus seiner Sparte ausbrechen zu wollen. Der Hauptdarsteller und Regisseur von «Der Schuh des Manitu» und «(T)Raumschiff Surprise - Periode 1» wollte auch ernstere Filme verwirklichen. Mit der Tragikomödie «Hotel Lux» rückt er bereits ein gutes Stück aus seiner Komfortzone heraus, wenn auch nur als Hauptdarsteller. Die Regie übernahm dagegen Leander Haußmann, der sich zuvor mit «Sonnenallee» und «Herr Lehmann» einen Namen machte.

Story
Im Berliner Varieté-Theater Valetti teilen die Kabarettisten nach allen Seiten aus. Zu den Publikumsrennern gehören der ganz und gar politisch desinteressierte Hans Zeisig (Michael „Bully“ Herbig) und sein bester Freund Siggi Meyer (Jürgen Vogel). Das Duo parodiert gekonnt Hitler und Stalin, und das völlig sorglos – selbst wenn zu Gunsten der Meinungsausgewogenheit direkt nach ihnen ein der NSDAP beigetretener Schauspielkollege eine antisemitische Hetznummer auf die Bühne bringt. Anders als Zeisig ahnt der kommunistisch orientierte Meyer, dass sich das politische Klima deutlich verschlechtern wird, weshalb er mit Hilfe einer niederländischen Genossin (Thekla Reuten) abtaucht. Für den von Hollywood träumenden Zeisig heißt es hingegen „The Show must go on”, zumindest bis die Nazis die Leitung des Theaters übernehmen. Als sie Zeisig zwingen, die Propagandanummer über den „listigen Juden” zu übernehmen, zeigt sich der Kabarettist erstmals rebellisch. Sein regimekritischer Hitler-Gag setzt ihn auf die ewig lange Liste der Staatsfeinde, weshalb er mit gefälschten Papieren ins Ausland fliehen muss. Ihn verschlägt es ins Moskauer Hotel Lux, den berühmt-berüchtigten Fluchtort zahlloser kommunistischer Leitfiguren. Dort verstrickt sich Zeisig in ein gefährliches Verwechslungsspiel, das er nur überleben kann, wenn er seine notorische Gleichgültigkeit endlich abstreift…

Kritik
Für viele interessierte Kinogänger dürfte die entscheidende Frage sein, wie sich Herbig in seiner ersten ernsteren Rolle schlägt. Die Antwort darauf: Ihm gelingt der Brückenschlag zwischen ruhigerem Humor und sanfter Tragik sehr gut und vor allem fließend. Und seine Darbietung wäre sicherlich noch runder, noch ansprechender, gelinge es auch dem generellen Tonfall von «Hotel Lux», übergangslos zwischen Dramatik und Witz zu wechseln. Denn Autor und Regisseur Leander Haußmann, der in einer turbulenten Vorproduktion zwei Co-Autoren verschliss, tut sich in «Hotel Lux» zwischenzeitlich erstaunlich schwer, die Gangart zu wechseln.

Dass auf herzhaftes Lachen Momente folgen, in denen sich der Hals des Publikums zuschnürt, ist in diesem Subgenre der komödiantisch-tragischen Geschichtsverarbeitung vollkommen normal. Doch während Klassiker wie «Zug des Lebens» oder «Das Leben ist schön» auch Übergangszonen zwischen beiden Extremen finden, und den schlagartigen Übergang von Komödie zu Tragik nur in signifikanten Szenen wagen, wirken viele Tonwechsel in «Hotel Lux» schlicht undurchdacht. Auf unerwartete Tode folgen gerne heitere Blödeleien, die dramatischen Folgen der vorhergegangenen Szene werden indes unter den Teppich gekehrt. Und welche Auswirkungen die zunächst ahnungslose Maskerade Zeisigs auf Unschuldige hat, wird ebenfalls lange ignoriert, was dem kritischen Zuschauer manche Lacher im Hals stecken bleiben lässt, obwohl sie ganz offensichtlich als Scherz ohne doppelten Boden gedacht sind.

Leander Haußmanns Unsicherheit, welche Stimmung er kleineren Wendepunkten in seiner Tragikomödie verleihen soll, halten «Hotel Lux» immer wieder zurück. Sie machen den Film keineswegs schlecht, schmälern allerdings die Größe seiner positiven Seiten. Und diese sind, trotz des eben erwähnten Makels, klar in der Überzahl. Neben Herbigs charmantem Spiel fällt auch Jürgen Vogel wieder einmal sehr positiv aus. Komödiantisch wagt er es, mehr aus sich herauszugehen, als der sich drosselnde Herbig, zugleich stellt Vogel die in seiner Figur Unruhe stiftende Furcht angenehm subtil zur Schau. Nicht zuletzt deshalb sind die gemeinsamen Szenen der wunderbar harmonierenden Herbig und Vogel die unbestrittenen Höhepunkte von «Hotel Lux».

Ebenfalls beachtenswert ist Valery Grishkos Darstellung des Josef Stalin. Ihm kommt die schwer zu bewältigende Aufgabe zu, einen einschüchternden Diktator zu porträtieren, über den der Zuschauer trotzdem lachen kann. Und all dies im selben Film, in dem Michael „Bully“ Herbig einen Kabarettisten mimt, der eine überzeichnete Version Stalins in seinem Repertoire hat. Und, wie im Film durchaus korrekt angemerkt wird: Neben einer Hitler-Parodie ist das ein wahres Kunststück, schließlich kann fast jeder Hitler nachmachen. Der Stalin hingegen, der sei eine viel feinere Figur. Zumindest im Falle von «Hotel Lux» stimmt das, weshalb es sehr schade ist, dass Stalin nicht früher in die Handlung eingearbeitet wird.

Wenn Herbig mit Vogel oder Grishko zusammenspielt, läuft also alles rund im «Hotel Lux». Grundsolide sind auch die Szenen mit Thekla Reuten als niederländische Kommunistin mit ständig wechselnden Identitäten. Reuten bringt mit einer unterkühlten Art sowie trockenem Witz etwas von der Größe einer altmodischen Hollywood-Komödie in diesen Film. Ansonsten ist «Hotel Lux» zwar voller Passion, allerdings auch sehr ungeschliffen. Wie erwähnt hapert es am Übergang zwischen Tragik und Komik, das ewige Verwechslungsspiel wird holprig rübergebracht und auch bei den historischen Fakten fällt «Hotel Lux» zwischen zwei Stühlen: Für reine Geschichtsmuffel ist diese Tragikomödie definitiv zu hoch, wer sich allerdings ausgezeichnet mit der Materie auskennt, dürfte die geschichtlichen Randfiguren (darunter Walter Ulbricht) als viel zu flach empfinden.

Unterm Strich ist «Hotel Lux» ein lobenswerter Karriereschritt für„Bully”. Ein Megaerfolg wie seine Kino-Spinoffs der «Bullyparade» wird er sicherlich nicht, trotzdem dürften einige Kinogänger interessiert seine ersten Gehversuche im tragikomischen Fach verfolgen. Aufgrund kleinerer Makel schafft es «Hotel Lux» nicht zum absoluten Kinomuss, doch wer durch Trailer, Prämisse oder das Mitwirken Michael „Bully“ Herbigs und/oder Leander Haußmanns neugierig wurde, sollte den Kinogang riskieren.

«Hotel Lux» ist ab heute, dem 27. Oktober 2011, in vielen deutschen Kinos zu sehen.
27.10.2011 10:00 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/52865