Der Fernsehfriedhof: Bowlen für Millionen

Quotenmeter.de erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 161: Eine aufgeblasene und undurchsichtige Liveshow mit Günther Jauch und einem hyperaktiven Dackel.

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir einer unverschämt teuren Samstagabendshow.

«Millionär gesucht!» wurde am 23. Mai 1998 bei RTL geboren und entstand zu einer Zeit, als siebenstellige Geldgewinne noch eine Seltenheit waren. Umso spektakulärer war daher die Ankündigung des Senders, in jeder Ausgabe seiner neuen Show garantiert eine Million DM vergeben zu wollen. Möglich war dies jedoch nur durch eine Zusammenarbeit mit der Süddeutschen Klassenlotterie (SKL), die für sämtliche Gewinne aufkam. Im Gegenzug dafür trug die Sendung den Untertitel «Die SKL-Show» und als Kandidaten durften nur Losbesitzer teilnehmen, die zufällig ausgewählt wurden.

Weil sowohl die Gewinne als auch die Protagonisten mit der SKL im Zusammenhang standen, handelte es sich formal um eine Lotterieshow, die deshalb als Glücksspiel eingestuft werden musste. Um dieser Anforderung gerecht zu werden, durfte der Gewinn nur vom Zufall abhängen und nicht durch eigenes Können oder Geschick erreicht werden. Weil klassische Ziehungsmethoden jedoch kaum eine abendfüllende Liveshow tragen konnten, wurde ein ebenso kompliziertes wie sinnfreies Spielprinzip entwickelt.

Im Zentrum standen dabei eine überdimensionale Bowlingbahn und ein Dackel. Entlang der Bahn, die wie eine Stadion-Laufstrecke kreisförmig ums Studio herumführte, waren insgesamt 42 Logen angeordnet, in denen Losbesitzer saßen. Als Kandidaten durften dann diejenigen Personen um die Million spielen, vor deren Loge die beleuchtete Kugel liegen blieb. Zusätzlich befand sich in der Mitte des riesigen Studios ein hohes Podest, dessen Boden aus sechs mal sieben Monitoren bestand, die zugleich das Spielfeld bildeten. Dort erschienen dann beispielsweise Gesichter von Studiogästen, die von den Kandidaten bezüglich ihres Verhaltens, ihrer Fähigkeiten oder Eigenschaften eingeschätzt werden mussten. So galt es beispielsweise unter sieben Kindern, diejenigen zu benennen, die Flöte spielen konnten oder wer aus sieben Rentnerinnen einmal U-Bahn-Schaffnerin war. Wer dabei falsch lag, flog raus und hatte seine Chance auf den Hauptgewinn vertan. Auf diese Weise wurde das Teilnehmerfeld auf vier Personen reduziert.

Für sie bestand nun die Aufgabe, eine „Insel“ in der Mitte des Spielfelds zu erreichen. Jeder stand dabei drei Felder von ihr entfernt und war einer Farbe zugeordnet. Wer auf die Insel zugehen durfte, entschied dann der Dackel Firlefanz, der entsprechend farbige Ballons mit den Zähnen zerplatzte. Wessen Ballon als letzter „überlebte“, durfte einen Schritt nach vorn. Am Ende erreichten auf diese Weise zwei Personen das Finale und damit das eigentliche Spiel um die Million.

In diesem standen die Finalisten nun in der Mitte des Spielfelds. Die Million befand sich an der Nordseite des Feldes. Abermals wurden Bowling-Würfe auf der großen Bahn ausgeführt. Den Logen waren nun Spielfarben zugeordnet, die wiederum den beiden verbliebenen Mitspielern entsprachen und die sich derart der Million schrittweise nähern durften. Allerdings gab es auch einige Felder, bei denen der Hauptpreis an eine der anderen Seiten des Feldes wandern konnte und so die Verhältnisse umdrehte. Wer nach fünf Würfen der Million am nächsten stand, durfte sie dann auch endlich mit nach Hause nehmen.

Auch abseits des Hauptgewinns zeigte sich die Lotterie sehr großzügig. Auf dem Weg ins Finale gewannen die Kandidaten teure Sachpreise wie Autos oder Weltreisen, jede Loge, die im Finale beim Bowlen getroffen wurde, erhielt zudem 10.000 DM und auch die Zuschauer zu Hause konnten als Telefonglücksbringer 5.000 DM gewinnen. In diesem Zusammenhang kam es in der ersten Ausgabe gleich zu einem kleinen Eklat, da die zugehörige Telefonnummer nach der Vorwahl mit den Ziffern 1, 1 und 2 begann. Viele aufgeregte Kandidaten vergaßen in der Hektik die Vorwahl, weswegen sich die Feuerwehr-Leitstellen über das erhöhte Telefonaufkommen beschwerten. Eine Tatsache, auf die noch während der Liveshow hingewiesen wurde.

Schon die verbale Beschreibung des Ablaufs lässt vermuten, dass die Sendung nur mäßig unterhaltsam war. Zwar hatten sich die Macher mit dem Einschätzungsspiel bemüht, auch Aktionen durchzuführen, bei denen die Zuschauer am heimischen Bildschirm mitraten konnten, aber weil es aufgrund der Glücksspielanforderungen absichtlich keine Hinweise gab, wirkte die Auflösung oft willkürlich. Entsprechend negativ fielen auch die Kritiken der Show aus, die immer wieder bemängelten, dass das Konzept zu sehr auf das Finale ausgerichtet sei, das dafür aber zu unspektakulär daher kommen würde. Ein Redakteur der Berliner Zeitung verglich das Anschauen des Formats treffender Weise mit dem Zusehen bei einer Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Partie. Dass die Show zusätzlich mit Prominenten wie Sarah Connor, Dirk Bach, Til Schweiger oder Marius Müller-Westernhagen, welche die Bowlingkugeln warfen, und Liveauftritten von Bands wie A-ha garniert wurde, half dabei nicht und blähte die über zweistündige Sendung nur noch mehr auf. Daher verwundert es auch nicht, dass die Quoten am Samstagabend zur besten Sendezeit nie berauschend waren. Zwar hatte die Premiere noch eine Sehbeteiligung von 5,58 Millionen Menschen, doch die übrigen Ausgaben erreichten meist nur noch Reichweiten knapp oberhalb von vier Millionen Zuschauern.

Als Moderator wurde RTL-Allzweckwaffe Günther Jauch für das Event auserwählt, der versuchte durch das undurchsichtige Treiben so souverän wie möglich zu führen, jedoch mehrfach daran scheiterte, den vor allem älteren Kandidaten die Spielregeln zu vermitteln. Sein Engagement für die SKL war als mutig zu bezeichnen, hatte die Lotteriegesellschaft aufgrund angeblich unmoralischer Geschäftspraktiken beim Losverkauf via Telefon zu jener Zeit einen zweifelhaften Ruf. Branchenkenner unterstellten dem Unternehmen daher, mit der Abendshow und dem Engagement des beliebten Moderators, der sich auch für Anzeigen und Werbespots verpflichten ließ, offensiv gegen das Negativ-Image ankämpfen zu wollen. Daher ist es fast schon tragisch-komisch, dass ausgerechnet Jauch unbeabsichtigt für das Ende der Show sorgte.

Als dieser nämlich ab dem Jahr 1999 mit seiner damals neuen Sendung «Wer wird Millionär» den Quiz-Boom auslöste und unzählige Nachahmer wie «Die Quiz-Show», «Die Chance Deines Lebens» oder «Einundzwanzig» nach sich zog, gerieten die Quoten der SKL-Sendung zunehmend unter die Räder und konnten zuweilen nicht einmal mehr über die 4-Millionen-Marke klettern. Weil dann nach der Währungsumstellung der Gewinn auf eine Million Euro verdoppelt werden musste, um den Titel weiter zu rechtfertigen, wurde die Produktion bei sinkenden Quoten erheblich teurer. Im August 2002 wurde daher die Einstellung des Programms zum Ende des Jahres beschlossen. Ihr Nachfolgeformat «Die 10-Millionen-SKL-Show», die schon im April 2001 anlief und nach der Euroeinführung unter dem Titel «Die 5-Millionen-SKL-Show» fortgeführt wurde, erinnerte dann sehr stark an das erfolgreiche Quiz. Die Sendung, die konsequenterweise ebenfalls von Jauch präsentiert wurde, hielt sich bis zum Juli 2008 im Programm, bevor die Änderungen im Glücksspielstaatsvertrag wirksam und derartige Lotterieshows im Fernsehen verboten wurden.

«Millionär gesucht!» wurde am 02. November 2002 beerdigt und erreichte ein Alter von 23 Folgen. Die Show hinterließ den Moderator Günther Jauch, der mit dem Quiz «Wer wird Millionär» noch heute hin und wieder Millionenbeträge verteilt. Die Idee, Lotteriegewinne in einer Fernsehsendung zu verteilen, wurde ab April 1998 und damit kurz nach der Premiere der SKL-Show auch vom staatlichen Lotto in Form der «Lotto Show» mit Ulla Kock am Brink im Ersten aufgegriffen. Parallel kooperierte die SKL übrigens auch mit dem Sender Sat.1, wo sie das Format «Gottschalk kommt!» unterstützte.

Möge die Show in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann einer dicken und unverschämten Satire-Show am Samstagabend.
27.10.2011 09:00 Uhr  •  Christian Richter Kurz-URL: qmde.de/52848