Serien-Update: «Combat Hospital»

Die kanadisch-britische Co-Produktion überzeugt durch seine Authenzität, aber nicht durch seine Charakterarbeit. Warum eine zweite Staffel trotzdem nicht verkehrt ist

Das kanadisch-britische Krankenhausdrama «Combat Hospital» war schon während seiner Premiere gewissermaßen ein kreativer Erfolg, nachdem die Autoren es schafften, die üblichen Genreklischees, welche von ABC und «Grey's Anatomy» teilweise auf die Spitze getrieben wurden, zu umschiffen und stattdessen authentische Episodenstoffe zu liefern. Das Gefühl einer „anderen“ Krankenhausserie, welche die Genrefans seit dem Finale von «Emergency Room» suchten, blieb jedoch während der kompletten ersten Staffel erhalten und nach 13 Episoden ist zu sagen, dass die Kanadier auch besseres Fernsehen herstellen können als die Amerikaner. Obwohl «Combat Hospital» letzten Endes keine weltbewegende Serie ist, in ihrem Charakteraufbau nicht konsequent war, und gerne einmal die eine oder andere Story aus den vorherigen Episoden vergaß, sind die Geschichten von Soldaten und Ärzten in einem Militärlazarett im Afghanistan des Jahres 2006 interessanter als manch andere Staffel von «Grey's Anatomy».

Interessanter deshalb, weil die Autoren innerhalb der 13 Episoden durchaus ernstzunehmende Geschichten geschrieben haben, welche das Chaos und die Ungewissheit der eigenen Zukunft in Kandahar widerspiegeln sollten. Dass es rein erzählerisch nicht immer geklappt hat, liegt in der Natur der Serie: «Combat Hospital» ist kein waschechtes Serial, wie es seine Genrevorgänger «Emergency Room» oder «Grey's Anatomy» waren und sind; stattdessen gab es vor allem während der ersten Staffelhälfte Geschichten, die innerhalb der ersten fünf Minuten der Episode begonnen, und innerhalb der letzten fünf Minuten wieder abgeschlossen wurden. Keine Chance auf ein erneutes Aufgreifen in den späteren Episoden; keine Möglichkeit zur Weiterentwicklung der Charaktere. Dieser Umstand verbesserte sich jedoch in der zweiten Staffelhälfte, nachdem man einigen der Charaktere nicht nur eine ausgefeilte Hintergrundgeschichte verpasste, sondern auch eine Story, die sich tatsächlich über mehr als nur 45 Minuten schlängelte. Als hätten die Autoren während der Produktion dazugelernt und wussten, wohin sie mit ihren Charakteren wollten.

Nichtsdestotrotz gab es mit eben diesen auch einige Probleme. Rebecca Gordon (Michelle Borth) wurde zu Beginn der Serie eine tonnenschwere Privatstory an die Fersen gekettet, welche sich zwar noch während der Pilotfolge auflöste, doch in den nächsten Episoden gab es keine Spur von einem Privatleben mehr (nicht, dass ein Privatleben im Krieg überhaupt die Chance hätte zu überleben). Gleichzeitig gab es mit Rebecca und ihrem Medizinerkollegen Simon (Luke Mably) einen potentiellen romantischen Plot, der in der Zukunft ebenfalls nicht mehr aufgegriffen wurde, nur damit die Autoren gegen Ende der Staffel eine erneute 180-Grad-Drehung vollziehen konnten. Mit dem amerikanischen Soldat Bobby Trang (Terry Chen) wurde Ähnliches getrieben. Seine sexuelle Beziehung mit einer anderen Soldatin ging sogar soweit, dass die Zuschauer überhaupt keine Möglichkeit sahen, ihn für voll zu nehmen, wenn er es nicht mal schaffte, sich selbst ernst zu nehmen. Dass der Rest des Charakterpools selten bis gar nicht eine eigene Story bekam, liegt daran, dass sich im Großen und Ganzen auf die medizinischen Fälle konzentriert wurde und die behandelnden Ärzte kaum Möglichkeiten fanden, als Helden zu scheinen.

Das Problem war jedoch nicht allzu groß, nachdem die medizinischen Storys in der Regel interessant genug waren, und zeigten, dass «Combat Hospital» eine andere Form des Storytellings hatte, welche von den amerikanischen Networkserien abweicht. Beispiele waren in der Mitte der Staffel zu finden, in der die (An-)Spannung der Situation in fünfminütigen Szenen nicht unterbrochen wurde. Es wurde nicht zu anderen Nebengeschichten geschnitten, um die Gefahr des Momentes (zum Beispiel eine gefährliche Operation) mit einer humorvollen Szene aufzulockern, wie es viele US-Serien mit unzähligen Nebenschauplätzen tun. Stattdessen gab es für fünf Minuten Angst und Terror für die Charaktere, und die Szene löste sich innerhalb des Gefüges auf, ununterbrochen von scheinbar unwichtigen Entwicklungen anderer Geschichten (die Soaps von The CW haben gerne mal dieses kreative Problem). Dass die Geschichten dann auch noch realistisch genug waren, um die Situation für die internationalen Soldaten in Afghanistan widerzuspiegeln, ist ein weiterer Pluspunkt, welcher die Serie sehenswert macht.

Die größte Frage ist jedoch, ob der kanadische Fernsehbetreiber Shaw «Combat Hospital» und der ausstrahlende Sender Global nun für eine zweite Staffel verlängern wird. Obwohl die Einschaltquoten ausgezeichnet waren (im Schnitt rund 1,5 Millionen Zuschauer), und die Serie häufig das erfolgreichste fiktionale Programmder Woche war, leben die kanadischen Produktionsfirmen nun mal von den Auslandsverkäufen – welche sich eher zum schlechteren entwickelten, nachdem «Combat Hospital» auf dem amerikanischen Markt gefloppt ist und ABC sogar auf die Ausstrahlung einer Episode verzichtete. Sollte die Krankenhausserie international also keinen Zuspruch finden, wird es sich nicht lohnen, weiteres Geld in die für kanadische Verhältnisse teure Serie (zwei Millionen Dollar pro Episode) zu stecken. Zu hoffen bleibt nur noch, dass der britische und australische TV-Markt von der Serie Wind bekommt und so eine Fortsetzung garantiert ist. Zu wünschen wäre es der Serie, denn auch die Kanadier zeigen mit «Combat Hospital», dass gutes Fernsehen nicht nur aus den Staaten kommen muss.

Ein Beispiel der eher schlechten Charakterarbeit war Bobby, und wie seine gewalttätige Seite während eines Hockeyspiels das Licht der Welt erblickte. In den Episoden zuvor war Bobby der ruhige Arzt, der immer mit seinem kalten und gefühllosen Gesichtsausdruck zu überzeugen wusste, und der ihm rein gar nichts anhaben konnte. Doch plötzlich entwickelt er eine scharfe Aggression gegenüber seinen Kollegen und einem Kind, welche buchstäblich aus dem Nirgendwo kam. Hier ist es zwar schön zu betrachten, dass Bobby nach dem „Debakel“ mit seiner Sexpartnerin Suzy (Ellen Wong) eine weitere Story bekam, doch es herrschte Aufklärungsnot. Zusätzlich schien im Staffelfinale genau diese Story völlig vergessen zu sein. Warum Bobby aggressiv wurde, konnte die Psychologin Grace Pedersen (Deborah Kara Unger) nicht herausfinden, und darauf angesprochen wurde er im Finale auch nicht mehr. Dass Bobby auch seinen Gefühlsausbruch unter Kontrolle hatte, nachdem Suzy getötet wurde, ist ein anderes Problem: Irgendwie scheint Bobby überhaupt keine Gefühle zu haben/zeigen zu wollen, was nicht nur ungewöhnlich, sondern in dieser Form auch unbegreiflich ist.

Selbiges gilt für den romatischen Plot zwischen Rebecca und Simon. Sie machte nach ihrer Schwangerschaftsangst in der Pilotfolge deutlich, dass sie kein Interesse an jeglichen romatischen Beziehungen hat. Nichtsdestotrotz bandelt sie in drei Episoden mit dem Special Forces Soldat Joe (Adam Beach) an und lässt sich am Ende sogar dazu hinreißen, Simon eine Chance zu geben. Da gab es einfach keinen Moment, in dem Rebecca an ihre Vergangenheit dachte, sowie an die Gründe, warum sie in Afghanistan landete. Dass die Charaktere, vor allem Rebecca, auch keine Konsequenzen aus ihren multiplen Fehlern davontrugen, ist ein weiteres Manko: Egal, wie gut die Ärzte unter Krisenbedingungen in ihren Job auch sind – machen sie einen Fehler, ist dieser spätestens in der nächsten Episode vergessen und alles beginnt von vorn. Auch scheinen die Tode der Patienten die Ärzte innerhalb der Episode nicht besonders mitzunehmen: Der anscheinende Selbstmord eines krebskranken Master Sergeants während einer militärischen Aktion bringt Bobby dazu, nur mit seinen Kollegen darüber zu reden, und nicht mit seinen Freunden (oder der basiseigenen Psychologin); während eine interne Ermittlung gegen Rebecca nach einem Helikopterabsturz, welcher von einem ihrer Patienten verursacht wurde, noch vor dem Ende der Episode ein Ende findet und im Anschluss überhaupt keine Erwähnung mehr findet.

Hier gibt es einfach zu viele Storys, bei denen es möglich ist, diese über mehrere Episoden hinauszustrecken, um diese glaubwürdiger zu machen. Doch die Autoren verzichteten darauf, um mit «Combat Hospital» ein charakterzentriertes Procedural zu liefern, welches nur gegen Ende auf eine Erweiterung ihrer Charakterplots setzt. Das ist zwar kein unbedingt großes Problem für die Serie, welches den Unterhaltungswert kürzt, doch geht die vollständige Glaubwürdigkeit des Krieges in Afghanistan flöten, wenn es keine fortlaufenden Geschichten gibt. Ein Problem, an welchem während der letzten drei Episoden durchaus gearbeitet wurde, aber immer noch nicht ausradiert ist.
05.10.2011 09:30 Uhr  •  Christian Wischofsky Kurz-URL: qmde.de/52427