Die Kritiker: «Föhnlage. Ein Alpenkrimi»

Story
Bei einem Konzert in Garmisch-Partenkirchen stürzt ein Mann von der Decke ins Publikum und nimmt einen Konzertbesucher mit in den Tod. War es ein Unfall? War es Mord? Jedenfalls bleiben die beiden nicht die einzigen Leichen, die Hauptkommissar Jennerwein - wider Willen von München in seine Heimat Garmisch-Partenkirchen versetzt - im Laufe der Ermittlungen in seltsamer Paarung vorfindet. Die heimelige Welt des alteingesessenen Bestatter-Ehepaars Grasegger gerät dabei aus den Fugen und Jennerweins Widersacher aus Kindertagen, der Baulöwe Xaver Harrasser, kommt ins Schwitzen als Jennerwein sich dem wohl gehüteten Geheimnis ihres idyllischen Alpenfriedhofs nähert und damit einem lukrativen Geschäft um doppelte Böden auf die Spur kommt.

Es herrscht Föhn im bayerischen Alpenvorland. Und wer den Föhn kennt, weiß, dass manche Bewohner dieser speziellen Höhenregion ein vages Gefühl der Antriebslosigkeit überkommen kann, andere von Migräne geplagt werden und der ein oder andere sogar zu unbestimmten Mordgedanken fähig ist. Das alteingesessene Bestatterehepaar Ignaz und Ursel Grasegger ist eigentlich durch nichts und niemanden aus der Ruhe zu bringen, schon gar nicht durch einen warmen Wind. Doch seit Hauptkommissar Jennerwein seine Ermittlungen aufgenommen hat, wird für sie die Alpenluft immer dünner. Denn unter der begrünten Idylle des Friedhofs in ihrem kleinen Kurort verbirgt sich ein wohlbehütetes Geheimnis.

Eigentlich wollte Kommissar Jennerwein von München nach Landshut versetzt werden. Doch nun ist er in Garmisch-Partenkirchen gelandet. Ausgerechnet! Hier wollte er nie wieder hin. In diesem idyllischen Kurort ist Jennerwein nämlich aufgewachsen. Von hier hat er, so früh es in seinem Leben ging, die Flucht ergriffen. Nun ist er wieder da. Zudem plagt ihn, bedingt durch den Föhn, seine Migräne. Eigentlich hatte er sich nach Entspannung gesehnt. Garmisch-Partenkirchen ist für ihn nun der Ort, der genau das Gegenteil von Entspannung bedeutet. Gleich am ersten Abend gibt es zwei Tote: Der Obertürschließer Eugen Liebscher fällt im Kulturzentrum während eines Konzerts durch die Decke und begräbt Ingo Stoffregen unter sich.

Alles deutet zunächst auf einen Unfall hin. Jennerwein erkennt jedoch schnell, dass Liebscher nicht freiwillig gesprungen ist. Während es Kollege Johann Ostler im Fall um das Kulturzentrum etwas ruhiger angehen lässt, stürzt sich die junge Kommissarin Nicole Schwattke in die Arbeit. Für sie ist der Deckensturz der Fall ihres Lebens. So nutzt sie jede Gelegenheit, sich zu profilieren. Dabei schießt sie übers Ziel hinaus, als sie in einer ersten Stellungnahme gegenüber der Presse der Stadt eine Mitschuld an den Ereignissen gibt. Nun trifft Jennerwein die volle Entrüstung seiner Heimatstadt. Kurzum: man will ihn wieder loswerden. Und eigentlich wäre Jennerwein nichts lieber als das. Die jüngsten Ereignisse und die Schatten der Vergangenheit hinter sich lassen. Doch es kommt anders.

Denn hinter der properen Fassade der Stadt gibt es noch ein Geheimnis zu entdecken, das sowohl mit Jennerweins Erzrivalen Harasser als auch mit dem alteingesessenen Bestatterehepaar Ursel und Ignaz Grasegger zu tun hat. Die Graseggers bekommen nämlich regelmäßig Besuch von einem österreichischen Kleinkriminellen: Karl Sowboda. Dieser hat neben Geld immer eine Leiche im Gepäck. Diesmal ist es eine Badeleiche, direkt vom Strand, mit einem kaum sichtbaren Einschussloch in der Brust und in Frischhaltefolie verpackt. Liebscher und Stoffregen, die beiden Leichen im Konzertsaal, werden für Jennerwein in diesem Fall nicht die einzigen bleiben, die er in ungewohnter Paarung miteinander vorfindet.

Darsteller
Martin Feifel («Emmas Glück») ist Hubertus Jennerwein
Katharina Marie Schubert ist Nicole Schwattke
Jürgen Tonkel («Wintertochter») ist Johann Ostler
Georg Friedrich («Wer früher stirbt, ist länger tot») ist Karl Swoboda
Andreas Giebel («Die Rosenheim-Cops») ist Ignaz Grasegger
Gundi Ellert («Die Tote im Moorwald») ist Ursel Grasegger
Helmfried von Lüttichau («Wickie und die starken Männer») ist Xaver Harasser

Kritik
Es ist keine Idyllisierung des Heimatbegriffs, die der mittlerweile vierte Heimatkrimi des Bayerischen Rundfunks, dieses Mal in der Alpenregion angesiedelt, bietet. Der Film spricht auch die zersetzende und zerstörerische Kraft an, die es in der süddeutschen Provinz gibt. Die Degeneration, die mafiösen Strukturen der Vetternwirtschaft, die Ausgrenzung von „Nicht-Zugehörigen“. «Föhnlage», eine Adaption des gleichnamigen Romans von Jörg Maurer, präsentiert ein Bayern ohne schnuckelige Berghütten und zufriedene Kühe, sondern eines, das auch rücksichtslos über Leichen geht.

Die Aufklärung des Mordfalls tritt über weite Passagen vor dem Kuriositätenkabinett, das die Drehbuchautoren Stefan Holtz und Florian Iwersen hier präsentieren, in den Hintergrund. Das ist nicht sonderlich problematisch, ist das Treiben dieser sonderbaren Gestalten doch meist auch recht nett anzusehen. Schwierig wird es allerdings, wenn die Überzeichnung der Figuren zu stark ausfällt, wie etwa bei der dauernd brabbelnden, inkompetenten Kommissarin Schwattke. Das schadet der Glaubwürdigkeit leider spürbar.

Humoristisch unterfüttert wird der Stoff durch eine Vielzahl an Gags, von denen auch nicht wenige zünden: je trockener die Punchline, desto größer der Lacher. Das lässt auch schnell erkennen, wer die wirklich fähigen Darsteller in diesem Film sind. Helmfried von Lüttichau und Andreas Giebel unterstreichen gekonnt das Selbstverständnis der Absurditäten, die ihre Rollen ausmachen, während Katharina Marie Schubert als überforderte Kommissarin leider zu sehr zu betonen scheint, wie bekloppt ihre Figur eigentlich ist. Die trockenere, gewissermaßen „natürlichere“ Herangehensweise ihrer Kollegen ist da die deutlich effektivere.

In größere dramaturgische Probleme verwickelt sich «Föhnlage» jedoch, wenn der Klamauk übertrieben wird und die Albernheiten überhand nehmen, etwa bei der zu forciert auf komisch getrimmten Verfolgungsjagd, die sich Swoboda mit Schwattke liefert. Dann ist jede Glaubwürdigkeit leider passé. Selbiges gilt auch dafür, dass Jennerwein, nachdem er am Wagen von Xaver Harassers Sohn ein wenig Selbstjustiz geübt hat, keinerlei Konsequenzen zu spüren bekommt. Nicht nur, dass diese Szene deplatziert wirkt, sie zerstört auch ein Stück weit das Gesamtkonstrukt, das ansonsten eigentlich ganz gut funktioniert.

Das Bayerische Fernsehen strahlt «Föhnlage. Ein Alpenkrimi» am Samstag, den 1. Oktober 2011, um 20.15 Uhr aus.
29.09.2011 08:24 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/52300