Popcorn und Rollenwechsel: Filmverschlimmbesserung

Wenn Filmemacher ihre Werke nicht ruhen lassen können, ist Ärger mit Filmfans vorprogrammiert.

„Hört auf, meine Kindheit zu vergewaltigen!“ – Ein Satz, der sich in zahlreichen Sprachen in nahezu allen Filmforen des Internets finden lässt. Menschen, die einen Film ganz besonders in ihr Herz geschlossen haben, können sehr wehrhafte Züge an den Tag legen, wenn es um ihre filmischen Schätze geht. Wenn bei Wiederveröffentlichungen irgendwelche Änderungen vorgenommen wurden, sind die Klagen zumeist häufig, und leise werden sie auch nicht vorgetragen.

Ganz besonders hart traf es im Laufe der Jahrzehnte die «Star Wars»-Fans. Einen überzeugten Fan der Sternenkriegs-Saga zu finden, der wunschlos glücklich ist, dürfte mittlerweile die sprichwörtliche Suche nach der Stecknadel in einem intergalaktischen Heuhaufen sein. Die viel diskutierte, jüngste Blu-ray-Veröffentlichung ersetzte den durch eine Puppe des «Muppet»-Machers dargestellten Yoda in «Episode I: Die dunkle Bedrohung» durch ein computeranimiertes Modell, ließ Darth Vader im Finale der sechsten Episode aufschreien, wo er zuvor stumm blieb, und der legendäre Schusswechsel zwischen Han und Greedo wurde schon wieder bearbeitet. Und das waren längst nicht alle Änderungen.

«Star War»-Fans sind vielleicht die größten Leidtragenden, was Wiederveröffentlichungen in der Filmwelt angeht, jedoch sind sie nicht völlig allein. In den USA wurde derzeit zum Beispiel auch der Kino-Neustart des Disney-Zeichentrickklassikers «Der König der Löwen» heiß diskutiert. Der erfolgreichste Zeichentrickfilm aller Zeiten wurde in 3D konvertiert und eroberte in dieser Fassung überraschend die Spitze der US-Kinocharts, obwohl dieser Kinostart eigentlich nur auf die Heimkino-Neuveröffentlichung des Films hinweisen sollte.

Die Meinungen über den 3D-Effekt decken das gesamte Spektrum ab: Manche Zuschauer sind erstaunt und meinen, den Klassiker in einem neuen, besseren Licht erblickt zu haben, andere finden es eine ansprechende, wenngleich überflüssige Spielerei und wieder andere… Tja, richtig geraten: Andere behaupten, Disney würde durch die bloße Existenz einer 3D-Fassung ihre Kindheit zerstören. Wer auf 3D verzichten will, wird jedoch nicht daran gehindert, den Film auf DVD oder Blu-ray in 2D zu sehen. Diese Wahlfreiheit lässt Lucas dem Kunden leider nicht, wer die Blu-ray-Änderungen vermeiden will, muss auch konsequent die neuen Blu-rays meiden.

Momentan scheint die Frage, was eine Restauration eines älteren Kinofilms machen darf, und was nicht, Hochkonjuntur zu haben. Zu Beginn vergangener führte nämlich auch Steven Spielberg einen seiner Klassiker wieder auf: «Jäger des verlorenen Schatzes» feierte sein 30. Jubiläum mit einer Sondervorführung in Los Angeles, in deren Rahmen Steven Spielberg beteuerte, Indiana Jones’ erstes Abenteuer wäre bloß wieder auf den Glanz seiner Erstaufführung poliert worden. Von sonstigen Änderungen habe er abgesehen, weil ihn die erschütterten Reaktionen der «E.T.»-Fans auf die digital bearbeitete DVD-Fassung des Familienklassikers noch immer nachgehen. Das Hinzufügen einiger Computereffekte, die Tilgung einer kontroversen Dialogzeile sowie das retuschieren der von FBI-Agenten getragenen Gewehre zerstörte «E.T.» für viele Liebhaber, und dies wolle Spielberg nie mehr wiederholen.

Solch schwere Eingriffe in Filme sind auch definitiv schwer zu verteidigen. Sobald ein Filmemacher ein kulturelles Phänomen erschafft, und Leuten die Möglichkeiten nimmt, es in der ursprünglichen Form zu erleben, muss man sich herbe Kritik gefallen lassen. Ja, eigentlich bleiben Filme die Kinder ihrer Schöpfer, aber sie übergehen auch in den kollektiven Besitz all jener ein, die sie mit begeisterten Augen aufsogen. Wenn ein durch äußere Umstände (etwa kommerziellen Studiodruck) verschlimmbesserter Film wieder in die richtige Spur gelenkt werden soll, steht es dem Filmemacher natürlich frei, einen Director’s Cut zu machen – aber das Original sollte verfügbar bleiben.
19.09.2011 00:00 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/52081