Popcorn und Rollenwechsel: Marvels Kinowelt

Von verworrenen Filmlizenzen, gemeinsamen Kinouniversen und möglichen Logikbrüchen.

«Captain America - The First Avenger» konnte vergangenes leider nicht den ersten Platz in den deutschen Kinocharts erobern. Das ist bedauerlich, weil «Captain America - The First Avenger» entgegen des Anscheins auch für ein internationales Publikum sehr gute Unterhaltung bietet. Also hätte er es meiner Meinung nach verdient, an dem bereits länger laufenden «Planet der Affen - Prevolution» oder auch «Die Schlümpfe» vorbeizuziehen.

Glücklicherweise ist die Kinozukunft von Captain America nicht von deutschen Kinogängern abhängig. Marvel Studios plant bereits eine Fortsetzung, und bereits nächstes Jahr sieht man den Supersoldaten gemeinsam mit Hulk, Thor und Iron Man in «Die Avengers». Auf diesem Film lasten enorme Erwartungen, sowohl seitens der Fans, als auch Erwartungen kommerzieller Natur. Mit beiden «Iron Man»-Teilen, «Der unglaubliche Hulk» sowie den diesjährigen «Thor» und «Captain America - The First Avenger» liefen praktisch fünf abendfüllende Trailer für «Die Avengers» in den Kinos. Dass all diese Filme mal mehr, mal weniger subtil miteinander verbunden sind, ist eine effektive Marketingidee und zugleich ganz und gar unkommerzieller Fanservice. Denn genau so fing alles an: Samuel L. Jacksons Abspannszene in «Iron Man» sollte nur ein kleiner Kick für die Fans werden, ein netter Wink, was Marvels Kinozukunft bringen könnte.

Dass eigentlich allein stehende Kinofilme eine so stark verbundene Kontinuität aufweisen, ist wohl einzigartig. Bis aber sämtliche neuen Marvel-Filme aufeinander aufbauen, wird noch viel Zeit ins Land ziehen. Denn Marvel Studios haben zwar die Kinorechte an den bereits genannten Helden, und auch aus dem riesigen Marvel-Archiv können beliebig viele Figuren herausgezogen werden, die den weniger informierten Kinogängern nichts sagen sollten. So plant man bereits einen Film über Ant-Man sowie einen über Dr. Strange. Diese Namen lassen es bislang nur bei Comicfans klingeln.

Derart berühmte Marvel-Comic-Helden wie Spider-Man oder Wolverine werden dagegen aus lizenzrechtlichen Gründen vorerst nicht mit Hulk und Captain America Poker spielen. Zumindest nicht in Realverfilmungen fürs Kino. Denn die Kinorechte an den X-Men liegen aufgrund früherer Vereinbarungen weiterhin bei 20th Century Fox, genauso wie die Rechte an Daredevil und den Fantastic Four. Spider-Man schwingt sich währenddessen exklusiv für Sony Pictures durch New York. Damit Sony seinen kommerziellen Glücksbringer auch behalten darf, wurde auch nach Sam Raimis, Toby Maguires und Kirsten Dunsts Ausscheiden aus der «Spider-Man»-Kinoreihe unter Hochdruck an einer neuen Kinoauflage des jugendlichen Superhelden gearbeitet. Das nächstjährige «Spider-Man»-Reboot ist ganz klar nicht nur dazu da, um eine sichere Einnahmequelle zu lange ruhen zu lassen, sondern vor allem, um sie nicht völlig zu verlieren. Im Fernsehen sieht das wieder anders aus: Sony gab die TV-Rechte an Spider-Man bereits auf, weshalb sie zurück zu Marvel und dessen neuen Mutterkonzern Disney fielen. Ein echt verworrenes Netz an Lizenzrechten…

Aber es gibt eigentlich noch eine viel spannendere Frage. Wenn «Die Avengers» kommt, sollte es kein Problem sein, zu akzeptieren, dass Wolverine in der Filmkontinuität halt kein Mitglied dieser Vereinigung ist und dass Spider-Man auch nicht vorbeihuscht. Viel schwieriger sieht es für die Filme danach aus. Iron Man, Thor und Co. spielen bekanntlich im gleichen Universum, und wenn «Iron Man 3» startet, dann haben sie sich alle der Filmkontinuität nach kennen gelernt. Wie also rechtfertigt man in Zukunft einen allein stehenden Film, wenn alle Konflikte mit Hilfe der anderen Helden leichter gelöst werden könnten? Die Macher von «Iron Man 3» behaupten, sie hätten eine clevere Lösung für diese knifflige Lage. Wir dürfen gespannt sein…
22.08.2011 00:00 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/51554