Die Kino-Kritiker: «Crazy, Stupid, Love.»

Das Ensemble-Drama «Crazy, Stupid, Love.» ist ab Donnerstag in vielen Kinos zu sehen. Kritiker Sidney Schering sah den Film vorab.

Das Duo Glenn Ficarra & John Requa hat eine qualitativ, wie stilistisch sehr vielfältige Reihe an Projekten zu verantworten. Auf ihre Bücher zur Nickelodeon-Trickserie «Die Biber Brüder» folgten die Kinokomödien «Cats & Dogs», «Bad Santa» und das Remake von «Die Bären sind los». Ihr Drehbuch zur knalligen Mischung aus Romantik- und Betrugskomödie (ganz im Sinne von «Catch Me If You Can») «I Love You Phillip Morris» setzten Ficarra & Requa gemeinsam als Regisseure um. Ihr Regiedebüt, prominent mit Jim Carrey und Ewan McGregor besetzt, fand zwar sehr viel Kritikerlob, stand in den USA aber sehr lange ohne Kinoverleih dar, da ein romantischer Film über ein Schwulenpärchen als kommerziell untauglich angesehen wurde.

Mit «Crazy, Stupid, Love.» legt das Regieduo einen romantisch-komödiantischen Ensemblefilm nach, der auch einige dramatischere Untertöne hat. Die Liebeswirrungen von Steve Carrell, Julianne Moore, Ryan Gosling und Emma Stone folgen einem Drehbuch Dan Fogelmans. Mit der Realfilmkomödie «Die Gebrüder Weihnachtsmann», beiden «Cars»-Filmen, dem passablen Disney-Trickfilm «Bolt» sowie dem meisterhaften «Rapunzel» kann Fogelman ein ähnlich kunterbuntes Schaffen vorweisen, wie die Regisseure Ficarra & Requa. Glücklicherweise tendiert «Crazy, Stupid, Love.» ganz klar in die Richtung der besseren Arbeiten von Fogelman und seiner mittlerweile Regie führenden Autorenkollegen.

Cal Weaver (Steve Carell) trifft beim gemeinsamen Dinner mit seiner Ehefrau der sprichwörtliche Blitz aus heiterem Himmel: Sie will die sofortige Scheidung. Der eine gut bezahlte Anstellung genießende End-Vierziger und mehrfache Vater versteht die Welt nicht mehr. Während seine Arbeitskollegen kein Drama darin sehen („Und wir dachten schon, du hättest Krebs!“), stürzt Cal in eine mittelschwere Sinneskrise. Ein zurück zu seiner geliebten Emily (Julianne Moore) ist jedoch ausgeschlossen: Sie liebt ihn schon lange nicht mehr, hatte sogar bereits eine Affäre mit ihrem Kollegen David (Kevin Bacon). Cal hat dagegen überhaupt kein Glück bei der Partnerwahl. Über die Ehejahre hinweg wurde er zu bequem, in seinen Eigenarten zu eingefahren, als dass sich Frauen für ihn interessieren könnten. Also bleibt Cal nur das große Gejammer in seiner neuen Stamm-Szenekneipe. Dieses wiederum geht dem feschen Aufreißer Jacob Palmer (Ryan Gosling) gehörig gegen den Strich, weshalb er sich aus Mitleid als Cals Flirttrainer anbietet.

Währenddessen hat auch Cals 13-jähriger Sohn Robbie (Jonah Bobo) erstmals mit den Irrungen und Wirrungen der Liebe zu kämpfen: Frisch in der Pubertät angekommen, hat er es sich in den Kopf gesetzt, seine Babysitterin (Analeigh Tipton) für sich zu gewinnen. Diese ist nicht nur aufgrund des Altersunterschieds von den Avancen des Heranwachsenden schockiert, sondern auch, weil sie sich wiederum zu Robbies Vater Cal hingezogen fühlt. Und zu guter Letzt hat auch Jacob Palmer erstmals mit Widerstand zu kämpfen, als ihn die gut aussehende Hannah (Emma Stone) abblitzen lässt.

Diese Liebesgeschichten werden nicht als ein ganzes behandelt, und auch nicht wie in einem Episodenfilm (wie dem letztjährigen «Valentinstag») getrennt voneinander erzählt. Die einzelnen Handlungsfäden von «Crazy, Stupid, Love.» werden durch die Bekanntschaften der einzelnen Figuren lose miteinander verbunden und ergeben so mehrere semi-separate Erzählungen. Die ersten ein oder zwei Übergänge zwischen der Kerngeschichte um Cal Weavers Selbstfindung und die Nebenhandlungen gerieten recht abrupt, doch kaum sind alle relevanten Persönlichkeiten eingeführt, findet dieser Ensemblefilm seinen Rhythmus. Die Geschichten fließen angenehm ineinander über und ergänzen sich in ihrem Tonfall perfekt. Und nicht zuletzt aufgrund der hervorragenden Besetzung stößt auch keine der Storys sauer auf.

Zusammengehalten wird «Crazy, Stupid, Love.» durch den Komödienstar Steve Carell, der nach den überdrehten Rollen in «Get Smart» und «Date Night» eine seiner kontrollierteren Darstellungen liefert. Er spielt seine Rolle des gehörnten Ehemanns mit gebotenem Ernst, aber auch mit unaufdringlichem, effektiven Witz, was positiv an Carells Leistung im enorm unterschätzten «Dan - Mitten im Leben» erinnert. Ähnlich wertvoll für das Gelingen von «Crazy, Stupid, Love.» ist Ryan Gosling, dessen äußerst gelungenes Liebesdrama «Blue Valentine» momentan ebenfalls in einigen deutschen Kinos läuft. Goslings Figur des lockeren, erfolgsverwöhnten Frauenschwarms liefe schnell Gefahr, ausgetreten und einseitig zu erscheinen. Doch mit sehr viel ironischer Spielfreude und einem ungezwungenen Charme gelingt es dem Golden-Globe-Nominierten, die Sympathien auf seine Seite zu ziehen.

Genauso beweist auch Emma Stone, weshalb sie als die meist gefragte Schauspielerin ihrer Generation gehandelt wird. Auch wenn sie als Ryan Goslings zunächst widerwilliges, ihn letztlich bekehrendes Gegenüber längst nicht so sehr gefordert wird, wie in der Komödie «Einfach zu haben», überzeugt sie auch hier mit perfekt sitzendem Humor und natürlicher Ausstrahlung. Ihre erfahrenere Kollegin Marisa Tomei («The Wrestler») hinterlässt mir ihrem schreiend komischen, wie kurzen Auftritt einen bleibenden Eindruck, dieser hätte allerdings durchaus etwas weniger schrill ausfallen dürfen.

Das Ensemble-Drama «Crazy, Stupid, Love.» ist ab Donnerstag in vielen Kinos zu sehen. Kritiker Sidney Schering sah den Film vorab.

Dafür überrascht die 22-jährige Analeigh Tipton mit einem denkwürdigen Einstand in Hollywood. Die drittplatzierte der elften Staffel von «America‘s Next Top Model» hatte zwar bereits eine kleine Gastrolle in «The Big Bang Theory», doch dies ist ihre erste nennenswerte Herausforderung als Schauspielerin, und im Gegensatz zu vielen anderen schauspielernden Models überzeugt sie voll und ganz. Die Streitereien mit Jonah Bobo («Zathura»), der ihren deutlich jüngeren Verehrer spielt, gehören zu den sprühenden Höhepunkten des Films, genauso wie die köstlichen Auftritte des knochentrockenen Kevin Bacon als jedermanns Sündenbock David Lindhagen.

Was «Crazy, Stupid, Love.» über vergleichbare Hollywood-Produktionen hebt, ist mit welcher Expertise das Drehbuch von Dan Fogelman zwischen lebensnaher Dramatik, kecker Selbstironie und zarter Romantik balanciert. Fogelman und die Regisseure Ficarra & Requa schufen eine angenehm altmodisch-unzotige Romantikkomödie, die sich der Konventionen dieses Genres bewusst ist, und spitzfindig mit ihnen umgeht, ohne dabei die filmische Illusion zu brechen. So diskutiert Emma Stones Figur mit einer Freundin, welche Jugendfreigabe ihr Leben hätte, wäre es ein Film. Dieses Gespräch könnte sehr postmoderne Formen annehmen, was sich mit dem warmherzigen Tenor von «Crazy, Stupid, Love.» beißen würde. Stattdessen wird es als subtiler, ironischer Seitenhieb auf das Genre ausgespielt. Solche Momente finden sich mehrfach in «Crazy, Stupid, Love.» und erinnern somit nicht unverdient an das von Dan Fogelman verfasste, erfolgreiche Disney-Trickmärchen «Rapunzel». Dieses bot ebenfalls eine zärtliche Romanze, und erlaubte sich zwischendurch kleinere ironische, moderne Kommentare zur respektvoll eingehaltenen Disney-Formel. Und so bietet auch dieser Ensemblefilm alles, was man in einer Romantikkomödie erwartet, sowie als Gratis-Dreingabe eine Hand voll überraschender Wendungen.

Trotz dieser selbstironischen Passagen fiel «Crazy, Stupid, Love.» ruhiger und lebensnaher aus, als die meisten anderen gegenwärtigen Liebeskomödien. Sowohl Steve Carell als auch Julianne Moore erhalten mehrere denkwürdige Szenen, in denen sie die schmerzliche Lage ihrer Figuren vollkommen ernst ausspielen dürfen. Dass diese nicht deplatziert wirken, zeugt davon, wie trittsicher die Macher von «Crazy, Stupid, Love.» zwischen Dramatik und Humor tänzeln. Zu den Stärken des Drehbuchs gehört außerdem, dass es längst nicht so oberflächlich ist, wie einige Konkurrenzproduktionen. Gerade die scheinbar obligatorische Passage, in der der Protagonist umgestylt und umerzogen wird, weicht löblich vom Schema F ab: Cal wird für den Singlemarkt nicht zu einem gänzlich anderen Menschen gemacht, sondern bekommt die Gelegenheit, sein wahres Ich wieder zu finden.

Möchte man die Schwächen von «Crazy, Stupid, Love.» herausstellen, so muss man allen originellen Ideen zum Trotz betonen, dass es weiterhin ein Film für Genrefreunde ist. Anders als die derber geratenen Komödien «Beim ersten Mal» oder «Nie wieder Sex mit der Ex», die ebenfalls ironisch, dramatisch und herzlich sein wollen, wird dieser Ensemblefilm keine Romantikallergiker von sich überzeugen können. Dafür hätte das Drehbuch stärker in eine seiner vielen tonalen Richtungen tendieren müssen. Schade ist auch, dass trotz der fast zweistündigen Laufzeit der Handlungsfaden um Gosling und Stone sehr sprunghaft vorangetrieben wird. Und da «Crazy, Stupid, Love.» insgesamt auf zu dick aufgetragenen Kitsch verzichtet, fällt der kurze Ausrutscher in schiere Hollywood-Liebeslogik umso negativer ins Gewicht.

Fazit: «Crazy, Stupid, Love.» ist ein glaubwürdiger, romantisch-komödiantischer Ensemblefilm mit hervorragenden Darstellerleistungen und einer überraschenden Fülle an lebensnah-ernsten Momenten. Die mal süßen, mal bittersüßen Irrungen und Wirrungen gehören zu den besten, die das Genre seit Jahren zu bieten hatte. Zyniker werden aus dem Mix verschiedenster Ansätze allerdings nichts Neues ziehen können.
16.08.2011 10:35 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/51457