Vor dem Megakampf: `Die Warterei ist das Nervigste‘

Fällt heute Abend der bisherige Boxzuschauerrekord? In Hamburg boxt Wladimir Klitschko gegen David Haye – für RTL sitzt Tobias Drews am Mikrofon. Mit Quotenmeter.de sprach der Boxfachmann über den Kampfabend und seine Arbeit am Ring.

Schon lange nicht mehr gab es um einen Boxkampf so viele Schlagzeilen: Am Samstagabend wird Wladimir Klitschko in der wohl ausverkauften Imtech-Arena in Hamburg gegen David Haye antreten. Für Schlagzeilen sorgte jüngst vor allem das Verhalten von Haye: Der Boxer, der schon vor Monaten ein Bild von sich mit den Köpfen der Klitschko-Brüder in der Hand veröffentlichte, sagte auch in der zurückliegenden Woche auf die Frage Klitschkos, warum er ihm nicht die Hand gebe: Er würde dies erst am Sonntag tun, wenn er Klitschko im Krankenhaus besuche. Auch abseits des Knurrens vor dem Kampf ist mit dem härtesten Fight für Wladimir Klitschko zu rechnen.

Gegenüber RTL sagte der Schwergewichtsboxer: „Ich erwarte, dass er der härteste Gegner in meiner Karriere sein wird.“ RTL wird mit der Berichterstattung bereits um 21.45 Uhr beginnen, ab etwa 22.45 steigt dann der Fight. Begleiten wird diesen Deutschlands bekanntester Box-Kommentator Tobias Drews. Auch aus seiner Sicht ist der Kampf zwischen Klitschko und Haye ein besonderes Ereignis und nicht nur der Boxkampf des Jahres 2011. „Es ist eher der Schwergewichtskampf des Jahrzehnts. Nach Lennox Lewis gegen Mike Tyson (2002) und Vitali Klitschko gegen Lennox Lewis (2003) endlich mal wieder ein Kampf, der weltweit die Fans elektrisiert“, erklärte er im ausführlichen Gespräch mit dem Medienmagazin Quotenmeter.de.“ In England sieht es danach aus, als würde ein neuer Pay-per-View Rekord für eine Schwergewichts-WM aufgestellt werden. Ein guter Indikator für die Bedeutung des Kampfes“, weiß Drews.

In Deutschland schielen die RTL-Verantwortlichen derweil in Richtung Quotenrekord. 13,29 Millionen Menschen waren es damals, die während des Kampfes zwischen Vitali Klitschko und Samuel Briggs gemessen wurden. Rund 57 Prozent Marktanteil holte man damals in beiden wichtigen Zuschauergruppen. Den Zuschauerrekord der jüngeren Vergangenheit hält derweil noch Henry Maske, der mit seinem einmaligen Comeback Ende März 2007 durchschnittlich 15,99 Millionen Menschen in den Bann zog. Ob diese Zahl nun überboten wird, ist fraglich: Die 13,29 Millionen aber könnten am Samstagabend fallen. Ohne Frage: Mit Fußball und der Formel 1 gehört Boxen nach wie vor zu den beliebtesten Sportarten der Deutschen – und das, obwohl der Sport an sich durchaus mit Imageproblemen zu kämpfen hat. Drews: „Das Image war nie das Beste, die Weltverbände mit ihren vielen Titeln und politischen Entscheidungen tun heute das Übrige zum Imageverlust hinzu. Aber ein guter Boxkampf wird immer sein Publikum finden und auch die entsprechende Begeisterung auslösen können“ – ganz so, wie es eben aktuell auch im Falle des Fights Klitschko gegen Haye ist.

Für Tobias Drews (Foto) spielen die genauen Zuschauerzahlen aber keine wirkliche Rolle. Schon seit geraumer Zeit bereitet er sich auf seinen Kommentar vor – ohnehin gäbe es bei ihm nie einen genauen „Startpunkt“, erklärt er. „Ich habe das Schwergewicht und das Boxen allgemein und dauerhaft im Auge. Kämpfe von Haye habe ich schon gesehen, als der noch nicht mal Weltmeister im Cruisergewicht war, also 2006. Der Feinschliff kommt dann in der Kampfwoche, ansonsten habe ich das meiste schon länger vorbereitet. Ich schaue mir verschiedene Kämpfe der Boxer an, fahre zu Pressekonferenzen etc. und spreche mit dem Boxer, dem Team“, beschreibt er die Arbeit seiner vergangenen Tage. Während des Kommentars ist es ihm übrigens wichtig, nicht so viele Geschichten zu verkaufen – „die erzählen die Filmemacher ja viel besser“, sagt Drews. Vielmehr gehe es darum, den Kampf zu lesen und den Zuschauern den Hintergrund zum Geschehen im Ring zu vermitteln.

Sein Kampftag fällt im Übrigen recht unspektakulär aus, wie er selbst sagt. Er beginnt mit der Zeitungslektüre am Morgen beim Frühstücken – dann will er auch noch einmal alle gesammelten Infos durchgehen. Am Nachmittag wird er in die Imtech Arena fahren – dann steht die Teambesprechung von RTL an. „Dann wandere ich ein wenig durch die Arena, lasse die Atmosphäre auf mich wirken und warte, dass es endlich losgeht. Die Warterei auf den ersten Gong oder den Sendebeginn ist das Nervigste“, sagt Drews. „Nach der Sendung gibts noch ein Bier mit den Kollegen an der Hotelbar. Nach diesem Kampf vielleicht auch zwei“, erklärt der Boxfachmann augenzwinkernd.

RTL wird am Samstagabend übrigens Hostbroadcaster für Stationen in mehr als 150 Ländern der Welt sein – die Übertragungen des Kölner Kanals genießen nicht erst seit den vergangenen Monaten höchstes Ansehen bei Sportchefs weltweit. Hier habe sich der Boxsport im Fernsehen durchaus verändert, stellt auch Tobias Drews fest. „Es wird sicherlich mehr Wert auf die Show gelegt, aber auch auf die Inszenierung der einzelnen Sendungsteile“, sagt er und nennt den Walk-In der Boxer als Beispiel. Da habe RTL absolute Maßstäbe gesetzt. „Zum Beispiel mit der Inszenierung, als Wladimir in alte Bildsequenzen mit Muhammad Ali eingebaut wurde. Das war sensationell, fand weltweit ein riesiges Echo. Auch beim US-Sender HBO, der ja selber für große Übertragungen bekannt ist“, so Drews zu Quotenmeter.de. Natürlich sei es aber so, dass alles Drumherum nur durch den Kampf wirke. Und sei der schlecht, rede danach auch noch kaum einer von der Show.

Auch RTL-Mann Drews geht übrigens davon aus, dass es diesmal keine eindeutige Klitschko-Show gibt, war es doch zuletzt eher immer so, dass die Boxbrüder ungefährdet siegten. „Den härtesten Wladimir-Kampf erwarte ich in der Tat. Bislang galt das für den ersten Kampf gegen Samuel Peter, und da musste Wladimir mehrfach vom Ringboden aufstehen.“ Andererseits habe Wladimir am Samstagabend nun die Möglichkeit sich selbst ein Denkmal zu setzen, gibt der Sportjournalist zu bedenken. Für die Familie Klitschko geht es dabei auch um den Brudertraum, endlich alle vier großen WM-Gürtel in der Familie zu halten. „Es wird in allen Bereichen der intensivste Kampf seiner Laufbahn. Das macht es so spannend“, ist die Vorfreude des Boxkommentators auf den Kampfabend förmlich zu spüren.

Dass nach Klitschko ein wenig die ganz großen Boxköpfe fehlen, sorgt Drews derweil nicht – obwohl die Boxbrüder erst kürzlich einen neuen Kontrakt mit RTL unterzeichneten, wird man sich mittelfristig die Frage stellen, wie es in der Post-Klitschko-Ära weitergeht. Das habe es aber immer gegeben, gibt Drews zu. „Ich sehe einige interessante Talente weltweit, die es schaffen können. Und in Deutschland hat Felix Sturm noch einige gute Jahre vor sich, Artur Abraham wird sich auch noch zurückmelden, dazu noch Robert Stieglitz und andere. Wenn die Klitschkos irgendwann aufhören, werden die Brötchen sicher kleiner, aber gebacken wird weiterhin.“
02.07.2011 08:48 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/50505