Philipp Steffens: ‚Ein positiver Impuls für die deutsche Fiktion‘

Mit der deutschen Krimi-Serie «Der letzte Bulle» feiert Philipp Steffens, einer der jüngsten TV-Produzenten Deutschlands, einen großen Erfolg. Zum Finale der zweiten Staffel des Sat.1-Formats spricht er über die Entwicklung und Zukunft der deutschen Fiktion-Serie.

Herr Steffens, die zweite Staffel von «Der letzte Bulle» ging am Montag mit dem spannenden Finale zu Ende. Wenn Sie ein Fazit über die 13 Episoden ziehen, wie sieht dieses aus? Was hat man anders gemacht oder verbessert?
Insgesamt haben wir in der zweiten Staffel eine Schippe draufgelegt – in jeder Hinsicht. Wir haben uns mit der ersten Staffel einmal kritisch auseinandergesetzt und auf dieser Grundlage einige Sachen verändert. Sowohl inhaltlich als auch bei der Produktion. Wir haben die einzelnen Charaktere so weiterentwickelt, dass sie in den Kriminalfällen selbst in Gefahr geraten können, was in der zweiten Staffel öfters der Fall war. Dazu hat sich auch das Ensemble mehr gefunden. Wir wissen jetzt, was das Ensemble leisten kann. Insgesamt ist die Serie «Der letzte Bulle» dadurch auch ein stückweit lebendiger geworden. Auch die Fälle haben sich geändert: Sie haben mehr soziale und gesellschaftliche Relevanz. So zum Bespiel in der Folge „Kita des Grauens“, in der ein Kind von seinem Vater geschlagen wird und unser «Bulle» Mick Brisgau der Held ist und das Kind rettet. In der ersten Staffel hatten wir solche Fälle noch nicht. Dabei stößt man natürlich auch auf Grenzen, weil wir in unserem Format nicht jeden Kriminalfall behandeln können.

Es gibt also Fälle, an die sich «Der letzte Bulle» nicht herantrauen würde?
Die Serie ist zum einen auf den Kriminalfällen aufgebaut, zum anderen beinhaltet sie die persönlichen Dramen und Liebesgeschichten der Protagonisten. Noch dazu ist «Der letzte Bulle» aber auch ein humoristisches Format und hat eine witzige Ebene, die wir beibehalten wollen. Wir machen uns daher also schon Gedanken, wie weit wir bei den Fällen für Mick Brisgau gehen können, um eine soziale Relevanz zu bekommen. Aber zum Beispiel das Thema Kindesmissbrauch wäre zu ernst, um es in unserem Format erzählen zu können.

Mick Brisgau (Henning Baum) hat in «Der letzte Bulle» eine Entwicklung durch gemacht. Würden Sie zustimmen, dass er sich der modernen Welt des 21. Jahrhunderts in der zweiten Staffel immer mehr angenähert hat?
Ich würde insofern zustimmen, dass es unser Grundkonzept war, dass Mick Brisgau allmählich mit der neuen Welt zurechtkommt. Aber dass er sich anpasst, würde ich so nicht unterschreiben. Er steht für seine Werte und seine Aussagen ein. Das ist etwas, was heute noch jeder gut findet. Dass er irgendwann lernt, wie ein Telefon oder das Internet funktioniert, ist eine ganz natürliche und echte Entwicklung des Charakters, die wir beschreiben. Aber er lernt dazu. Gerade auch wenn er durch seine privaten Horizontalen, die wir weiterführen werden, neue spannende Entwicklungen durchmacht und gelegentlich mal ins Grübeln gerät. Wir haben aber bewusst davon Abstand genommen, in jeder Folge eine Neuerung wie Facebook oder Twitter zu behandeln. Mick Brisgaus Integration in die moderne Welt soll natürlich entstehen.

Sie sprachen die „privaten Horizontalen“ von Mick Brisgau an. Wird es auch mit der Liebesgeschichte um die Polizei-Psychologin Tanja Haffner (Proschat Madani) weitergehen, nachdem in er ihr in der vorletzten Folge „Liebe in Not“ seine Liebe gestanden hat?
Das wird sicherlich auch ein Cliffhanger für die dritte Staffel sein, die dann 2012 zu sehen ist. Wir brüten hier noch einige spannende Sachen aus, so dass Mick Brisgau auch in der neuen Staffel wieder wechselhafte Entwicklungen erfahren wird.

Werten denn gerade diese Nebengeschichten die Kriminalfälle zusätzlich auf? Oder was macht «Der letzte Bulle» so erfolgreich?
Auf jeden Fall. Die Kunst des Formats sind die drei Stränge, die wir bedienen. Das braucht eine feine Abstimmung, um die drei Genre-Typen miteinander zu verbinden. Wir haben den Kriminalfall, der sich als roter Faden durch jeder Folge zieht sowie die schon genannten privaten Horizontalen, die kleine Bögen spannen. So zum Beispiel die Nebengeschichte um Micks Partner Kringge (Maximilian Grill), der mit seiner Tochter Isabell (Luise Risch) zusammenkommt, deren Liebe aber wieder auseinander geht und Kringge schließlich in den letzten Episoden der zweiten Staffel eine neue (Jugend-)Liebe findet. Solche Handlungsbögen sind auch mit anderen Charakteren wie Micks Chef Ferchert (Helmfried von Lüttichau) und dem Mediziner Meisner (Robert Lohr) möglich, die der Zuschauer dann gleichzeitig auch besser kennenlernt. Zu guter Letzt haben wir noch den Humor in der Serie, der ein besonderes Setting bringt und auch mal total schräg sein kann.

Ist es nicht auch ein besonderer Kniff, dass Mick Brisgau im Verlauf der Serie auch immer wieder in alte Verhaltensmuster zurückfällt? Welchen Stellenwert hat das?
Wir bespielen damit quasi das Leitmotiv, das da lauten könnte: „Männer ändern sich nicht.“ Durch die privaten Handlungsstränge rund um Mick Brisgau lässt sich das wunderbar umsetzen. Es wäre auch verwunderlich, wenn er sich komplett verändern würde. Er lässt sich zwar biegen, aber nicht brechen.

Ein Markenzeichen von «Der letzte Bulle» ist aber auch die Musik, die komplett aus den 80er Jahren stammt, oder?
Das ist ein Markenzeichen der Serie, ja. Wir haben das damals als Grundidee erarbeitet und durchgezogen. Die Zuschauer schätzen das sehr.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was für TV-Produzent Philipp Steffens der Erfolg von «Der letzte Bulle» für die deutsche Serie heißt.

Mit der deutschen Krimi-Serie «Der letzte Bulle» feiert Philipp Steffens, einer der jüngsten TV-Produzenten Deutschlands, einen großen Erfolg. Zum Finale der zweiten Staffel des Sat.1-Formats spricht er über die Entwicklung und Zukunft der deutschen Fiktion-Serie.

Die erste Staffel von «Der letzte Bulle» ist bereits lange vor der Ausstrahlung hergestellt worden. Wie schwer war es das gesamte Team wieder zusammenzubekommen? Ist der Cast ferner ein Glücksgriff?
Wir haben einen tollen Cast, der super harmoniert. Henning Baum als Gallionsfigur, Helmfried von Lüttichau als eher ungewöhnlicher Charakter für einen Polizeichef. Auch Proschat Madani als emotional spielende Frau oder Maximilian Grill, der gerade in der zweiten Staffel sein Humorpotenzial entfalten konnte, weil wir seinen Andreas Kringge zu einem eigenständigen Charakter weiterentwickelt haben. Am Team selbst hat sich im Vergleich zur ersten Staffel nichts verändert. Alle waren sofort Feuer und Flamme, als es hieß: «Der letzte Bulle» geht in eine zweite Staffel. Das spricht auch für die Konstanz in unserem Format.

Der Teamgeist ist somit ein weiterer Erfolgsfaktor von «Der letzte Bulle»?
Ja. Das Gemeinschaftsgefühl ist unsere große Stärke. Von der Redaktion über die Produktion bis hin zum Marketing haben alle an einem Strang gezogen, um das Produkt besser zu machen. Das hat auf jeder Ebene funktioniert. Angefangen von den Einspielfilmen, die wir bei Facebook veröffentlichten bis hin zum Set haben alle miteinander gearbeitet. Wir haben von Beginn an gesagt: Das sind unsere Möglichkeiten – was können wir tun? Gemeinsam haben wir den Erfolg erzielt. Die Übergänge zwischen Redaktion und Produktion waren fließend, das habe ich persönlich – und vermutlich auch der Sender – in dieser Form noch nicht erlebt.

Gab es auch Rückmeldungen von Sat.1 zur Staffel?
Der Sender ist sehr zufrieden. Die Einschaltquoten waren stabil und gingen nach oben. Es beginnen sich mehr und mehr Menschen für «Der letzte Bulle» zu interessieren. Das ist ein positiver Impuls für die deutsche Fiktion. Die Sender sehen, dass man auch moderne deutsche Serien etablieren kann.

Was bedeutet denn der Erfolg von «Der letzte Bulle» - und auch «Danni Lowinski» - letztlich auch für die deutsche Serie?
Sat.1 ist ein großes Risiko eingegangen, als man uns den Produktionsauftrag für «Der letzte Bulle» gegeben hat. Es hätte nicht wenige Sender gegeben, die gesagt hätten: Tolle Idee, aber zu hoch gegriffen. Mittlerweile ist es wie selbstverständlich, dass «Der letzte Bulle» eine erfolgreiche deutsche Serie ist. Doch man vergisst, dass damals ein Risiko eingegangen wurde. Man darf jetzt bei dem Aufschwung der deutschen Fiktion-Serie nicht den Fehler machen und allein auf die nun bewährten Serien-Muster setzen, sondern muss das nächste Risiko eingehen. Das ist gerade jetzt eine Chance für alle deutschen Produzenten, weil - nach den Screenings in den USA zu urteilen - im nächsten Jahr nicht sehr viel dabei ist, was aus Amerika nach Deutschland kommen könnte und für die großen Sender interessant sein könnte. Die Senderverantwortlichen müssen jetzt bereit sein, auch mit der deutschen Fiktion über Jahre erfolgreiche Serien zu etablieren. Weil sie im eigenen Land keinen Erfolg haben, sehen sich die Amerikaner mittlerweile auch im Ausland um. Auch wenn «Danni Lowinski» beispielsweise keinen Ableger in den USA bekommt, zeigt die Tatsache, dass die Serie dort getestet wurde, dass deutsche Serien auch international anerkannt sind.

Der Erfolg von «Der letzte Bulle» in Deutschland hält an: Bis zu 19,2 Prozent Marktanteil der 14- bis 49-Jährigen waren in der zweiten Staffel drin. Wie sehr hat man sich darüber gefreut und wie lässt sich dieser Zuschauererfolg erklären?
Die Zahlen beweisen, dass «Der letzte Bulle» beim deutschen Publikum angekommen ist. Das ist eine Art Belohnung für das Team, das hart gearbeitet hat. Wir sind auch im Bereich Social Media sehr aktiv, wenn man allein die 65.000 Facebook-Fans zusammenzählt. Und langfristig lässt sich sagen, dass sich Qualität eben durchsetzt. Viele Menschen entdecken auch den Sendeplatz, montags um 20.15 Uhr, der mit «Wolffs Revier» auch früher schon für Krimi-Serien stand, wieder für sich. Mittlerweile haben wir eine feste Fangemeinde, auf die wir stolz sein können.

Dabei hat man es gegen Günther Jauchs «Wer wird Millionär?» montags gar nicht mal so leicht. Immerhin gab es zuletzt ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Jauch und «Bulle». Wann wollen Sie die Quiz-Show überholt haben?
Zumindest bei den Marktanteilen in der werberelevanten Zielgruppe haben wir «Wer wird Millionär?» schon ein, zwei Mal geknackt, konnten hier Jauch leicht übertrumpfen. Aber das ist ein ungleiches Duell zwischen Fiktion und Show. Es kommt eben drauf an, welche Verabredung der Zuschauer für sich selbst trifft. Will er eine Rate-Show sehen oder einen Krimifall. Meist kommt es auch darauf an, welche Kandidaten bei Jauch sitzen. Kommt dort jemand zum Beispiel bis zur Millionenfrage, dann schlägt uns die Jauch-Sendung auf jeden Fall. Ich sehe hier aber keine Rivalität. Es ist eben ein anderes Angebot für den Zuschauer, der entweder raten will oder sich von uns bespaßen lässt.

Beschäftigen Sie sich auch schon mit der kommenden dritten Staffel?
Ja klar. Wir sind schon mittendrin in der Entwicklung. Wir drehen aber noch nicht. Ich kann aber auf jeden Fall unterhaltsame neue Fälle von dem «letzten Bullen» versprechen.

Darauf freuen wir uns. Vielen Dank für das Gespräch.
21.06.2011 08:00 Uhr  •  Jürgen Kirsch Kurz-URL: qmde.de/50310