Lieber Thomas D.,

Soso, Du bist also der Nachfolger von Stefan Raab als Jury-Präsident der neuen/alten deutschen Vorentscheid-Casting-Show «Unser Star für Baku» für den Eurovision Song Contest 2012 in der Hauptstadt von Aserbaidschan…

Würde man sich bei der Beantwortung der Frage, wer Dich ins Grand-Prix-Boot geholt hat, zwischen den beiden verantwortlichen Sendern ARD und ProSieben entscheiden müssen, wäre es wohl ein Leichtes anzunehmen, dass Du von dem Privatsender engagiert worden bist. Die ARD in Form ihrer beim Eurovision Song Contest federführenden Tochter NDR hätte Dich aufgrund Deiner streitbaren Persönlichkeit mit Sicherheit nicht vorgeschlagen: Du als Hip-Hopper und Rapper, Deine Werbung für das Computerspiel „World of Warcraft“ – das alles hätte den öffentlich-rechtlichen Normen nicht unbedingt entsprochen. Doch auch ProSieben hat mit Deiner direkten Verpflichtung eigentlich nichts zu tun. Denn: Es war Raab höchst persönlich, der Dich für seine Nachfolge in der «Unser Star für…»-Jury ausgesucht hat. Kein Wunder: Der Meister himself musste es mal wieder zur Sicherheit lieber selbst in die Hand nehmen. Er gab an, sich über Deine Zusage richtig zu freuen. Es bleibt aber eben die Frage, ob sich die ARD darüber auch freut, schließlich muss sie sich aber mit Dir nun zwangsweise anfreunden, denn du wirst im Rahmen der fortgeführten Eurovision Song Contest-Kooperation zwischen ARD und ProSieben natürlich auch im Ersten zu sehen sein. Da ist es schon belustigend zu erkennen, dass der einstmals ebenfalls umstrittene Raab im Vergleich zu Dir inzwischen zu einer Persönlichkeit geworden ist, die dort in den letzten beiden Jahren gern-, und angesehen war und es wohl immer bleiben wird.

Doch was sind eigentlich Deine fachlichen Qualifikationen für das neue Amt? Wieso hat Raab gerade Dich auserwählt und nicht jemanden, der 2010 oder 2011 schon mal in der Jury neben ihm saß? Vielleicht will er Deinen Umstrittenheitsfaktor senken, Dich ähnlich bei den scheinbar konservativen „Öffis“ profilieren lassen. Jedenfalls müssen ein paar triftige Gründe dahinter stecken, denn der ehrgeizige Raab macht nie etwas Unüberlegtes. Vermutlich sind es in erster Linie Deine langjährige Erfahrung im Musik-Business - Du bist schon seit 1989 im Geschäft - und Dein Tiefgang. Letzterer könnte dann auch am Endes doch noch die ARD-Veteranen überzeugen, denn Du zeichnetest Dich sowohl als Mitglied bei den „Fantastischen Vier“ als auch im Verlauf Deiner Solokarriere immer wieder als Schöpfer tiefgründiger, philosophischer Liedtexte aus. Nicht umsonst stehst Du Pate für das Rap-Projekt „Junge Dichter und Denker“ und hast Dich auch schon des Öfteren an Rap-Versionen von Gedichten Goethes oder Schillers versucht. Tja, Raab weiß eben wirklich, wen er da als seinen Nachfolger installiert und hat das Know-how, wie man einen Roh-Diamanten schleift. Sowohl bei den Kandidaten, als auch mit Dir in der Jury. Irgendwie wird sein Geist damit auch weiterhin in Deutschlands wohl bester und von ihrer Absicht her wichtigster Casting-Show wehen. Und das beabsichtigte er vielleicht auch.

Übrigens kannst Du bei Deinen Vorstellungsgesprächen im Ersten ja ruhig nochmal erwähnen, dass Du dich für „Wir helfen Afrika“ engagierst, den LOHAS-Lebensstil befürwortest oder den Tierschutz im Rahmen der bereits erwähnten PETA unterstützt. Das macht sich bestimmt gut…

Viel Glück und vor allem Erfolg für Deine neue und wichtige Aufgabe im Sinne der Nation!

Dein Dich mit einem zwinkernden Auge betrachtender,
Gregor Elsbeck
18.06.2011 00:00 Uhr  •  Gregor Elsbeck Kurz-URL: qmde.de/50261