«Schlüter sieht's»: Geht's ohne Stromberg?

Der US-Stromberg nimmt in «The Office» seinen Hut. Kann die Serie dann noch erfolgreich sein?

Wie wäre «Stromberg» ohne Stromberg? Diese Frage müssen sich nun alle US-Fans der amerikanischen Version unserer Bürosatire mit dem Namen «The Office» stellen, denn dort sagt Hauptdarsteller Steve Carrell freiwillig „Goodbye“ zu seiner Paraderolle als Michael Scott. Gut also schon einmal, dass die US-Kollegen ihre Serie nicht nach dem Namen des Büroleiters Scott benannt haben wie hierzulande, denn sonst hätte es sogar einen gänzlich neuen Titel gebraucht. Dennoch wiegt das Ende von Scott schwer – nicht nur auf inhaltlicher Ebene, sondern auch wirtschaftlich gesehen.

«The Office» basiert in den USA genauso wie Deutschlands «Stromberg» auf einem ursprünglichen TV-Konzept aus Großbritannien. Die amerikanische Version der Serie hat einen deutlich plakativeren Humor als die heimische und ist sitcomlastiger aufgebaut, auch wenn sie das sehr erfolgreiche Subgenre der Mockumentary mitbegründete. Die Grundzüge und das Basiskonzept sind in allen Versionen ähnlich; auch in den USA gibt es den „schlimmsten Chef der Welt“, eine verzweifelte Liebesgeschichte zwischen zwei Büroangestellten und einen, der das Mobbingopfer des Arbeitsplatzes darstellt. Dennoch unterscheiden sich gerade die Charaktere deutlich voneinander: Beispielsweise ist Chef Michael Scott in den USA weniger schroff und teils deutlich altruistischer als der deutsche Stromberg – er denkt nicht immer nur an sich selbst, sondern setzt sich auch für seine Mitarbeiter ein.

Es ist eine sehr schwierige Aufgabe, Michael Scott und seinen Schauspieler Steve Carell in «The Office» zu ersetzen. Dabei spielt die Serienlogik weniger eine Rolle, denn in einer Bürositcom kann man leicht alte Chefs heraus- und neue hereinschreiben. Vielmehr spielte Carell – ähnlich wie Christoph Maria Herbst seinen Bernd Stromberg – als Michael Scott die berühmte „Rolle seines Lebens“. Und auch wenn «The Office» in den USA einen starken Cast abseits dieser Hauptfigur hat, ist es fraglich, ob sie ohne Scott die Show allein tragen kann. Denn jeder Carell-Nachfolger wird mit ihm verglichen; ohne ihn wäre das Format nicht nach mittlerweile sogar sieben Staffeln die erfolgreichste NBC-Comedy im Programm.

Natürlich wird die Neugier groß sein, wie «The Office» in der kommenden Staffel ohne Michael Scott aussehen wird. Doch erst nach einigen Sendungen zeigt sich, ob man die immer noch guten Einschaltquoten ohne ihn halten kann. NBC jedenfalls ist auf den Erfolg des Formats angewiesen wie auf keinen anderen, denn «The Office» ist das populäre Zugpferd des Comedy-Donnerstags. Diesen hat NBC mittlerweile sogar auf drei Stunden ausgeweitet, doch richtig überzeugende Zuschauerzahlen erreicht nur «The Office» und mit Abstrichen «30 Rock». Sollte ersteres ab der kommenden Saison nun auch noch schwächeln, droht ein wirtschaftlicher Kollaps der gesamten Comedy-Primetime. Gerade deshalb wird NBC alles Menschenmögliche versuchen, um mit dem Format auch ohne Carell mittelfristig erfolgreich zu bleiben. Die Zukunft von «The Office»: Sie wird eine der spannendsten Entwicklungen der kommenden US-TV-Saison sein.

Jan Schlüters Branchenkommentar beleuchtet das TV-Business von einer etwas anderen Seite und gibt neue Denkanstöße, um die Fernsehwelt ein wenig klarer zu sehen. Eine neue Ausgabe gibt es jeden Donnerstag nur auf Quotenmeter.de.
14.04.2011 00:00 Uhr  •  Jan Schlüter Kurz-URL: qmde.de/49016