Ein Jahr «Peter Hahne»: Talk mit Alleinstellungsmerkmal

Der ZDF-Journalist und Talk-Moderator Peter Hahne blickte auf seine Sendung zurück und sprach über seine Gäste, sein Konzept und auch über die Nachrichten in Krisenzeiten.

Am 27. Juni 2010 sprach der Journalist Peter Hahne im ZDF exklusiv mit der ehemaligen Ratsvorsitzenden der evangelischen Kirche, Margot Käßmann. Es war ihr erstes Interview nach ihrer Alkohol-Fahrt und dem damit verbundenen Rücktritt. Gleichzeitig war es die erste Ausgabe des neuen ZDF-Talks «Peter Hahne». Hahne, der als Moderator der Sendung als ausgebildeter evangelischer Theologe für dieses Gespräch mit Käßmann genau der richtige Mann war, hatte das ZDF-Hauptstadtstudio als stellvertretender Leiter verlassen und es sich in einem Studio direkt am Brandenburger Tor eingerichtet. Ein kleines Studio mit dem Blick auf die Sehenswürdigkeit und das Wahrzeichen Berlins gerichtet. Peter Hahne, der für ZDF-Nachrichtenformate wie «heute», «heute-journal» und «berlin direkt» arbeitete, startete eine Talksendung am Sonntagmittag, die auch ein neues Kapitel für ihn einläutete. Seit nunmehr fast einem Jahr ist Peter Hahne auf Sendung und zog in Köln ein Resümee.

Die Idee zur Talk-Sendung «Peter Hahne» entstand im Rahmen der Sommerinterviews des ZDF. Bei den Überlegungen für eine neue Show spielte vor allem die Tatsache eine Rolle, dass die Gäste in die Sendung mit einbezogen werden. Peter Hahne hatte sich zum Ziel gesetzt, das aus ihnen heraus zu kitzeln, was man sonst nicht von ihnen erfährt. „Es sollte ein intensives Gespräch sein. Ich wollte mit meinem Gegenüber an einem Tisch eng zusammen sitzen. Nicht zu nah, aber auch nicht mit allzu großer Distanz“, sagt Peter Hahne rückblickend. Dass die Standortwahl auf Berlin fiel, lässt sich sehr schnell erklären. Hier findet das politische sowie gesellschaftliche Leben statt, hier ist die Bühne, auf der sich alles abspielt. Der offene Blick auf die Straße vor dem Brandenburger Tor ist Gold wert: „Es war ein sehr glücklicher Zufall, als am Brandenburger Tor gerade eine Demo vorbeizog, während wir über das Thema zu Guttenberg redeten. Eine bessere Kulisse hätten wir nicht haben können“, erinnert sich Peter Hahne.

Auch bei der Wahl der Gäste hat seine vierköpfige Redaktion schon ein glückliches Händchen bewiesen, wenn auch durch einen tragischen Zufall: Als der Bundesvorsitzende der Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, eingeladen war, ereignet sich die Tragödie um die Massenpanik bei der Loveparade. Peter Hahne konnte mit Wendt ausführlich über das Thema sprechen. Eine Entdeckung war für Hahne dabei der Talk mit Sebastian Frankenberger, dem Initiator des Volksentscheids in Bayern. Nicht nur namhafte Politiker sind bei Peter Hahne gerne gesehen, sondern auch engagierte Bürger. „Wir legen Wert darauf, dass es maximal zwei Gäste pro Woche sind. Bei den Gäste-Anfragen müssen wir das Format meist nicht großartig erklären. Es ist bekannt, dass wir die Woche in einer halbstündigen, kontroversen Diskussion reflektieren. Wir sind dabei auch nah an den Menschen und wollen auch unbekannte Talk-Gäste finden, die sich meist als Bereicherung entpuppen, wenn sie den bekannten Gesichtern Paroli bieten“, offenbart Peter Hahne.

Aus dem klassischen Studio wollte der Moderator ohnehin raus. Das Studio sollte mitten im Geschehen verankert sein. Auch auf Zuschauer wird verzichtet, wie es in anderen Talkshows eben nicht üblich ist. Denn Peter Hahne ist es besonders wichtig, dass auch sein Talk-Gast oder seine Talk-Gäste das Gefühl einer vertrauten Runde bekommen. Deshalb sind auch die Kameras kaum zu sehen, sie halten sich meist dezent im Hintergrund, berichtet Peter Hahne. Auch der Fensterblick in Richtung Brandenburger Tor hat einen weiteren Vorteil: Er bringt Tageslicht in das kleine Studio, das von den Scheinwerfern ergo nicht mehr so sehr ausgeleuchtet werden muss. Fertig, ist die vertraute Fernseh-Talkrunde.

Peter Hahne hat entweder die "Person der Woche" zum Einzelinterview zu Gast oder bespricht das "Thema der Woche" mit zwei Gästen. „Das ist dann ein gepflegtes Streitgespräch“, sagt er. Zufrieden ist Peter Hahne mit seinem Sendeplatz sonntags um 13 Uhr. „Durch den «ZDF-Fernsehgarten» im Vorfeld kommen wir dem «ARD-Presseclub» zum Beispiel gar nicht in die Quere», ist Hahne darüber glücklich. „Das ist sogar ein Vorteil, dass wir erst dem «ARD-Presseclub» laufen. Denn das Publikum, das weiter politisch interessiert ist, sucht sich eventuell ähnliche Formate“, meint Hahne. „Die Leute wissen, was sie am Sendeplatz haben. Er hat ein Alleinstellungsmerkmal“, weiß der Moderator. „Der Abend sollte es nicht sein, der Nachmittag geht nicht und der Sonntagmittag war eine tote Zeit. Doch letztlich ist es eine runde Sache, weil es um diese Zeit auf allen Sendern einen Umschaltimpuls gibt“, begründet Peter Hahne die damalige Wahl des Sendeplatzes. In den Wintermonaten machte die Sendung «Peter Hahne» oft eine Pause, weil das ZDF Wintersport zeigte. Das stört Peter Hahne als bekennenden Wintersport-Fan aber genauso wenig, wie die Tatsache, dass er den ganzen Sommer durchsendet und auf Urlaubsreisen in den Ferienmonaten verzichtet.

„Unsere regelmäßige Sendezeit ist immer vom April bis zum Winter“, erklärt Peter Hahne, der auch schon mal gegen die Formel 1 bei RTL antreten muss. Er richtet den Blick stets nach vorn: „Wir haben ein klares Konzept. Wir haben unterschiedliche Biografien, die wir in der Sendung beleuchten oder auch Einzelgäste, die interessant sind. Es soll dabei nie ein knallhartes Streitgespräch sein, sondern eine kontroverse Diskussion. In dieser Atmosphäre ist es dann auch mal möglich auf die private Schiene zu wechseln. Nahezu unbemerkt kann man mit einigen Fragen auch sehr private und sehr persönliche Dinge ansprechen“, erläutert Peter Hahne. Als „ideale Zeit“ benennt Peter Hahne die 30 Minuten, die ihm und seinen Gästen für die kontroverse Diskussion bleiben. Denn gerade auch das ist ein Alleinstellungsmerkmal von «Peter Hahne». Die Themen der Woche werden durch die kürzere Sendezeit als bei anderen Talkshow anders akzentuiert. „In einer halben Stunde ist alles gesagt. Aber dabei ist auch das manchmal gerade schwierig. Da kneifen selbst die üblichen Talkgäste, die bei meinen Kollegen sitzen. Wir erleben viele davon, die sich ein 30-minütiges Talk-Format nicht zutrauen“, verrät Peter Hahne. Es sei zudem ein ungeschriebenes Gesetz, dass Talk-Gäste vorheriger Talk-Sendungen nicht nochmal eingeladen werden.

Der Gratmesser bleibt die Einschaltquote. Im Schnitt 1,2 Millionen Zuschauer hat die Sendung «Peter Hahne» am Sonntag. Das sei eine „enorme Zahl“, die darüber hinaus auch stabil ist: „Das Stammpublikum ist weiter da. Bei bestimmten Themen und Gästen haben wir einen unterschiedlichen Einschaltimpuls, doch in jeder Sendung kaum einen Abschaltimpuls“, stellt Peter Hahne fest. Der Sender macht keinen Druck: „Das ZDF ist zufrieden. Verbesserung streben wir immer an“, so Hahne. „Das was der Sendeplatz bringen muss, haben wir im ersten Jahr erreicht. Ein Markenaufbau braucht zwei bis drei Jahre, das ist die Phase der Gewöhnung beim Zuschauer“, fügt er später an. Mit durchschnittlich 9,2 Prozent Marktanteil aller Zuseher finde auch ein Austausch mit dem «ZDF-Fernsehgarten» statt, obgleich der typische Audience Flow auch hier einsetzt. „Natürlich wollen wir immer Zuschauer gewinnen, doch man muss sich bei dem Thema Einschaltquoten auch eine persönliche Unabhängigkeit bewahren“, versichert Hahne.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Peter Hahne seine eigene Rolle definiert und wie der Journalist über die aktuelle Berichterstattung im Fernsehen denkt.

Der ZDF-Journalist und Talk-Moderator Peter Hahne blickte auf seine Sendung zurück und sprach über seine Gäste, sein Konzept und auch über die Nachrichten in Krisenzeiten.


Kritisch hinterfragt Peter Hahne als Journalist auch seine eigene Aufgabe, wie er betont. „Ein Ritual ist die Anfangsfrage, die ich meinem Gast oder meinen beiden Gästen stelle. Als Moderator habe ich dabei natürlich auch immer das Ende der Sendung vor Augen und möchte letztlich zu einer Bilanz des Gesprächs gelangen. Es ist mein Ziel, dass die Gesprächspartner am Ende etwas voneinander gelernt haben, was bei intensiven Gesprächen gelingt“, beschreibt Peter Hahne seine Funktion in der Sendung. Den Moderator, der seine Sendung nicht mit einer eigenen Produktionsfirma realisieren lässt, sondern allein für das ZDF arbeitet, hat auch eine klare Haltung beim Talk: „Man kann ruhig und bequem sitzen, aber dennoch impulsiv sein. Das gilt auch für mich. In der Sendung soll eine freundliche Atmosphäre geschaffen werden. Doch das bedeutet nicht, dass ich unkritisch bin. Aber ich möchte mich auch nicht verstellen müssen“, sagt Peter Hahne. „Meine Sendung ist live und das Format ist auch nicht einfach. Man muss hoch konzentriert sein“, ergänzt er. Auch wenn Peter Hahne sehr viel Erfahrung mit dem Live-Charakter einer Sendung mitbringt, passieren zwischendurch einige kleine Patzer – wie einst vor einer Live-Schalte, wo er ein Bonbon ausspuckte und dabei schon auf Sendung war.

Solche Ausschnitte sind natürlich bei «Harald Schmidt», «TV total» oder der «heute-Show» schnell ein gefundenes Fressen, doch Peter Hahne geht damit locker um: „Das ist das Beste, was einem Talk-Moderator passieren kann, wenn man zum Beispiel bei «Harald Schmidt» zu sehen ist. Ich sage immer: ‚Zeigt’s doch, verlängert’s doch.‘ Denn wenn keiner mehr über einen redet, ist das in der Branche schlecht“, weiß Peter Hahne. In manchen Sendungen wird auch mal das ganze Konzept über den Haufen geworfen: „Die Einspielfilme werden auf ein vorher zwischen mir und der Regie vereinbartes Stichwort hin gezeigt. Denn es soll ja ein flüssiges Gespräch mit den Gästen stattfinden. Als Stefanie zu Guttenberg zu Gast war, mussten wir beispielsweise die Reihenfolge der Filme völlig umstellen, weil mein Gespräch mit ihr anders verlief“, blickt Peter Hahne zurück.

Auch ist man meist darüber erfreut, wenn man mit einem Talk-Thema auf positive Art von sich reden macht und entweder schon das Thema der kommenden Woche mitliefert oder in den Nachrichten für weiteren Diskussionsstoff sorgt. „Wenn wir mit dem Thema unserer Sendung in den Agenturen laufen, dann hat das sowohl einen Aufmerksamkeits- als auch PR-Effekt“, beschreibt der Moderator. „Doch die schönsten Preise sind Publikumspreise. Es wird in der Presse natürlich auch mal was Kritisches geschrieben, das muss man hinnehmen. Doch schlimmer als ein Verriss ist es, wenn die Zuschauer gehen“, sagt Peter Hahne.

Mit seiner eigenen Sendung hat Peter Hahne zudem die Seiten gewechselt. Bei seiner Arbeit im Berliner Hauptstadtstudio des ZDF hat er aus den Meldungen der Nachrichtenagenturen Beiträge für die Nachrichtenformate gemacht. Mit «Peter Hahne» bedient der Journalist ein ganz anderes Format. Er produziert die Nachrichten selbst. „Es ist Politik aus erster Hand. Das politische Genre ist klar erkennbar und das hat seinen Reiz“, sagt Peter Hahne, dessen Vertrag als stellvertretender Leiter im ZDF-Hauptstadtstudio im Februar 2010 endete. „Als Journalist hat man seinen Beruf verfehlt, wenn man nicht sagt: Ich mache mal was Neues“, erläutert Hahne seine Entscheidung für sein eigenes Talk-Format beim Mainzer Kanal. „Mir war dabei wichtig, dass ich selbst entscheiden kann, was ich mache“, so Hahne.

Den Blick über den Tellerrand wagt der Journalist aus Leidenschaft, wenn er auf die aktuelle Nachrichtenberichterstattung im Fernsehen blickt. „Gerade in diesen nachrichtenintensiven Zeiten ist es wichtig zu berichten, ohne aber falsch zu beruhigen. Oft ist auch die Dosierung der Berichterstattung ein Thema. Dabei ist es der öffentlich-rechtliche Auftrag die traurige Realität abzubilden. Bei den privaten Sendern spielt da mehr das Ökonomische eine Rolle. Um die Kompetenz zu haben brauchen ARD und ZDF Seriosität und ein umfangreiches Korrespondentennetz“, so Peter Hahne. Eine andere Entwicklung sieht er kritisch: „Es ist bedenklich, wenn zum Beispiel bei Printmedien immer weniger Mitarbeiter, immer mehr machen müssen und klassische Ressorts gestrichen werden. Auch der Erfolgs- und Quotendruck hat irgendwo eine Grenze. Denn der macht den Journalismus oberflächlicher. Das Motto sollte aber lauten: Besser später die Nachricht veröffentlichen, aber dann auch gut recherchiert. Denn das größte Kapital eines Mediums sind Kompetenz und Vertrauen“, sagt Peter Hahne. „So sind in der heutigen Zeit auch die Politiker Getriebene der Medien, manchmal aber auch die Treiber selbst. Es geht dann darum, wer in die Schlagzeilen kommt. Das Schicksal von Guido Westerwelle ist ein Paradebeispiel dafür“, analysiert der ZDF-Moderator.

Vor einem Jahr hat Peter Hahne seine Sendung im ZDF in Angriff genommen – bei der zukünftigen Talkshow-Schwemme der Öffentlich-Rechtlichen bewahrt man sein Alleinstellungsmerkmal. „Es kann nicht genug Talk-Shows geben, solange jede für sich selbst ein besonderes Merkmal hat. Wir nutzen mit der Sendung «Peter Hahne» die 48-stündige Atempause, in der es keine Talkshow gibt. Doch der Kampf ist einfach da, das wird ein interessanter Wettstreit - auch um die Gäste. Am Ende entscheidet der Zuschauer“, erläutert Peter Hahne und hebt dabei das Alleinstellungsmerkmal seiner Sendung nochmals hervor: „Wir brauchen nicht den Effekt, dass die Zuschauer klatschen. Bei uns sind die Gäste davon befreit, eine Pointe setzen zu müssen.“ In «Peter Hahne» wird auch viel mit Großeinstellungen gearbeitet: „Wir wollen betroffen machen, auch ohne über Dinge zu sprechen, die betroffen machen“, beschreibt Peter Hahne. Und auch das ist ein Alleinstellungsmerkmal der Sendung, die zufrieden auf ihr erstes Jahr im ZDF zurückblicken kann.

Die nächste Ausgabe von «Peter Hahne» zeigt das ZDF am Sonntag, 17. April 2011, um 13.03 Uhr.
12.04.2011 08:00 Uhr  •  Jürgen Kirsch Kurz-URL: qmde.de/48947