Harald Schmidt: ‚Definitiv geboren, um Late-Night zu machen‘

Late-Night-Talker Harald Schmidt wechselt bald vom Ersten zu Sat.1. Quotenmeter.de-Redakteur Jürgen Kirsch besuchte die Aufzeichnung von «Harald Schmidt» (Tickets: 01805-600660) und sprach nach der Show mit dem Altmeister über seine Zeit im Ersten, seine Zukunft bei Sat.1 sowie die Lage der deutschen Late-Night.

Herr Schmidt, Sie wechseln demnächst von der ARD zu Sat.1 – was ziehen Sie rückblickend auf ihre Late-Night-Show im Ersten für ein Fazit?
Ich bin überrascht, wie schnell das doch vorbei gegangen ist. Es waren sieben Jahre. Mir ist das richtig klar geworden anhand des Tsunami in Japan, denn als ich bei der ARD 2004 angefangen habe, gab es auch einen Tsunami in Thailand. Dadurch habe ich realisiert, wie schnell die Zeit verstrichen ist. Unterm Strich gesehen war es für mich eine schöne Zeit, in der ich mich neu sortiert habe, was meine zukünftige Tätigkeit angeht.

Zuletzt ist die ARD im Zuge der Pläne zur neuen Talk-Schiene ab Herbst 2011 immer weniger auf Sie zugekommen. Sehen Sie das im Nachhinein nicht doch kritisch?
Nein, absolut nicht. Das ist ganz normal. Ich meine, der Vertrag ging zu Ende und die ARD brauchte den Sendeplatz am Donnerstag um 22.45 Uhr, um die Talk-Schiene zusammenhängend auch mit der neuen Sendung von Günther Jauch realisieren zu können. Auf einen anderen Sendeplatz zu gehen oder wie angeboten ein anderes Format zu moderieren, wäre für mich keine Option gewesen. Das war dann eine Situation, in der man sagt: Der Vertrag ist zu Ende und beide Seiten orientieren sich neu.

Wie würden Sie denn selbst die aktuelle Staffel von «Harald Schmidt» im Ersten bewerten?
Ich finde, da waren ziemlich gute Sendungen dabei. Wir fangen bereits an, uns in Richtung einer täglichen Sendung umzuorientieren. Vor allem was das Tempo, den Rhythmus und auch die Breite der einzelnen Themen angeht. Denn dies ist bei einem täglichen Format doch anders als bei einer wöchentlichen Sendung. Es ist im Grunde einfacher.

Inwiefern ist das einfacher?
Das ist deswegen einfacher, weil ich beispielsweise eine Erkältung von mir mehrere Tage hin als Thema penetrieren kann, was ein großer Charakter einer Late-Night-Show ist. Bei einmal wöchentlich geht das nicht. Wenn die Show nur einmal in der Woche kommt, muss sie mehr Ereignis-Charakter haben.

In den letzten Ausgaben Ihrer Show haben Sie einige Elemente der «Harald Schmidt Show» wie die Bilderrätsel oder die Einspieler von Dr. Udo Brömme wieder eingeführt. Wird es solche Bausteine häufiger geben, wenn Sie in Sat.1 zu sehen sind?
Wir testen verschiedene Elemente. Ehrlich gesagt, hängt das auch davon ab, an welche wir uns noch erinnern können. Ich staune teilweise, wenn Menschen mich auf einzelne Aktionen ansprechen, an die ich mich gar nicht mehr erinnern kann. Es ist wahnsinnig viel Material, das mittlerweile ja auch teilweise bei YouTube zu sehen ist. Was wir machen werden, ist sozusagen den Geist der Sendung «Die Harald Schmidt Show» wiederzubeleben. Aber natürlich mit neuen Elementen, denn wir haben 2011. Als wir mit der Sendung angefangen haben, hießen der Bundeskanzler Helmut Kohl und der US-Präsident Bill Clinton. Dem trägt man natürlich Rechnung. Aber das macht Spaß, denn das ist gerade das Tolle an einem täglichen Late-Night-Format: Man geht darauf ein, was in der Welt draußen präsentiert wird. Wir müssen die Themen nicht konstruieren, sondern sie sind gegeben. Die Grünen stellen in Baden-Württemberg die Landesregierung – also ist das unser Thema. Ein anderes Beispiel: Atomkraftwerk an, Atomkraftwerk aus – damit geht man um.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wann die neue «Harald Schmidt Show» auf Sendung geht und was den Zuschauer darin erwartet.


Sind Sie denn froh, dass Sie in Sat.1 wieder einen festen Sendeplatz haben werden? Zuletzt kam «Harald Schmidt» im Ersten sehr unregelmäßig oder auch mal in der Nacht.
Eine Late-Night-Show lebt davon, dass der Zuschauer nicht irgendwo nachschauen muss, wann die Sendung kommt oder ob sie kommt. Er muss abends im Grunde nur auf die Fernbedienung drücken und weiß aus Gewohnheit, wann meine Sendung läuft. Das ist in Amerika auch so. Aber ich habe mich über die unregelmäßige Ausstrahlung im Ersten gar nicht geärgert, denn ich habe auf den Sendeplatz keinen Einfluss. Ich stelle auch fest, dass sich viele Leute die Show mittlerweile auch im Internet angucken, auch tagsüber. Das kann ich gut nachvollziehen, denn ich kann von niemandem erwarten, dass er bis 0.40 Uhr wach bleibt.

In Sat.1 werden Sie dann zweimal wöchentlich auf Sendung gehen. Welche Sendeplätze haben Sie sich denn ausgeguckt?
Die «Harald Schmidt Show» wird immer dienstags und mittwochs um 23.15 Uhr in Sat.1 zu sehen sein. Das ist beschlossene Sache.

Zur gleichen Zeit läuft auf ProSieben «TV total». Sehen Sie sich in Konkurrenz zu Stefan Raab?
Nein, überhaupt nicht. Das war schon damals nicht so gewesen, als wir mit der «Harald Schmidt Show» in der ersten Staffel auf Sat.1 waren.

Viele Ihrer Fans sehnen sich nach genau dieser «Harald Schmidt Show» von 1995 bis 2003. Welche Richtung wird die neue Show denn konkret einschlagen?
Klar, wir werden in diese Richtung gehen. Das Format werden wir beibehalten. Die Inhalte sind natürlich aus 2011. Da komme ich auf die Bühne, begrüße Publikum sowie Helmut Zerlett und Band – und dann wird das Weltgeschehen positiv dargestellt (lacht).

Wird es auch einen Sidekick geben? Bleibt das aktuelle Ensemble bestehen?
Einen Sidekick wird es nicht geben. Was das Ensemble betrifft, hoffe ich, dass wir in dieser Konstellation zusammenbleiben können. Diesbezüglich sprechen wir jetzt mit allen Teammitgliedern. Wir scheuen uns auch nicht, immer neue talentierte Leute zu finden oder zu erfinden. Wir haben ja mit Jan Böhmermann, Klaas Heufer-Umlauf, Katrin Bauerfeind oder auch Max Giermann neuen Gesichtern die Möglichkeit geboten, mal eine Plattform auszuprobieren. Denn die besten Sachen entstehen immer zufällig.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Harald Schmidt zum Thema Einschaltquoten sagt.


Gibt es denn auch schon Ideen für die neue «Harald Schmidt Show» bei Sat.1?
Wie gesagt, wir behalten das Format bei und binden darin thematisch das ein, was sich aktuell ergibt. Es hat sich bei allen Versuchen von Late-Night-Shows gezeigt: Late-Night hat ein ganz klares Format. Wer eine Late-Night-Show macht, muss dieses Format bedienen, sonst funktioniert es nicht.

Dementsprechend befindet sich die deutsche Late-Night-Show in einer Krise, nachdem in den letzten Jahren viele Versuche scheiterten?
Das weiß ich nicht. Aber ich würde sagen, ich bin definitiv geboren, um Late-Night zu machen. Ich habe vieles ausprobiert. Mit manchen Sendungen bin auch ich gescheitert. Doch jetzt in der Blüte meiner Jahre ist Late-Night genau das richtige Format für mich. Ich habe auch im Gefühl, dass die Zusammenarbeit mit Sat.1 sehr langfristig funktionieren wird.

Bleiben wir bei dem Stichwort „Gescheiterte Late-Night-Versuche“. Oliver Pochers Sendung in Sat.1 wurde inzwischen abgesetzt. Darüber machten Sie in ihrer Show auch Scherze. Bis vor zwei Jahren haben Sie mit ihm noch «Schmidt & Pocher» im Ersten gemacht. Ist man damals im Zwist auseinander gegangen?
Überhaupt nicht. Diese Zärtlichkeiten, die wir austauschen, werden oft als „Rüpeleien“ missgedeutet. Aber das sind Komplimente unter langjährigen Partnern und Freunden und Oli geht damit glänzend um.

Vom dem Freitagabend-Sendeplatz hatten Sie Pocher in ihrer letzten gemeinsamen Sendung abgeraten. Sehen Sie sich im Nachhinein in Ihrem Rat bestätigt?
Naja, ich hätte mich lieber nicht bestätigt gesehen. Aber da ich ja jeden Fehler, den man in der Branche machen kann, schon einmal gemacht habe, war dies mein väterlicher Rat an dieser Stelle. Aber diese wilden, jungen Menschen müssen ihre Erfahrungen selbst machen.

Schielen Sie denn auch auf die Einschaltquoten? Gibt es für Ihre Show von Sat.1 eine Zielvorstellung?
Nein. Das Schöne ist, wir reden nur über zwei Dinge: Über eine tolle Show und einen tollen Aktienkurs. Der Begriff „Quoten“ fällt gar nicht. Ich habe meine Klientel, habe mein Publikum. Es hat auch nie ein Sender zu mir gesagt, dass ich mehr Quoten generieren solle. Es ist ja klar, wofür ich stehe. Die Sender sind auch letztlich nicht so fixiert auf Einschaltquoten, wie allgemein vermutet wird – zumindest in meinem Fall war das bisher immer so. ProSiebenSat.1 ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft und da sind vor allem eine schöne Show und ein guter Aktienkurs wichtig.

Herr Schmidt, vielen Dank für das Gespräch.
05.04.2011 08:00 Uhr  •  Jürgen Kirsch Kurz-URL: qmde.de/48790