Deutsches TV: Wir wollen keine Kinder!

Glenns Gedanken zum Kinderprogramm von damals und heute, inkl. Videoclips.

Manchmal bin ich ziemlich froh, in den 90er Jahren aufgewachsen zu sein. Gerade im Hinblick auf das Kinderprogramm des heutigen Fernsehens habe ich das starke Gefühl, dass meiner Generation früher ein reichhaltigeres, unterhaltsameres und schlicht besseres Programmangebot gemacht wurde. In dieser Woche gab RTL II bekannt, dass man ab April auf seine nachmittägliche Anime-Schiene verzichten wird. Obwohl die Sendungen bei den 3-13-Jährigen sehr erfolgreich waren, kickt man die Formate nun trotzdem auf Grund der nicht zufriedenstellenden Reichweite in der Zielgruppe der 14-49-Jährigen. Die anderen großen deutschen Sender haben diesen Schritt schon längst hinter sich. ARD und ZDF zeigen lediglich in den Morgenstunden des Wochenendes noch Sendungen für Kinder, während RTL, Sat.1 und ProSieben für die ganz junge Zielgruppe bereits seit einigen Jahren überhaupt nichts mehr anzubieten hat. Einzig kabel eins strahlt immer noch tapfer Samstags und Sonntags ein Cartoonprogramm aus, das zumindest ansatzweise an die glorreichen Zeiten des Kinderfernsehens erinnert.

Doch das ist kein Vergleich zu dem, was den Kids in 90er Jahren geboten wurde. In der ARD erreichte der «Disney Club» Kultstatus und präsentierte dem deutschen Publikum «DuckTales», «Darkwing Duck», «Chip & Chap» und die «Gummibärenbande». Parallel dazu gab es auch auf ProSieben ein reichhaltiges Zeichentrickprogramm. Zahlreiche Mittzwanziger erinnern sich auch heute noch gerne an «Bim Bam Bino» auf Tele 5 und «Vampy» auf RTL II. Die sympathischen und frechen Puppen Bino, Lucy und Vampy führten vormittags und nachmittags durch ein buntes Cartoonprogramm mit vielen US-Zeichentrickserien und Animeproduktionen, darunter ewige Klassiker wie «Saber Rider», «Sailor Moon», «Um die Welt mit Willy Fog», «Mila Superstar», «He-Man», «Die Königin der 1000 Jahre», «Die Schlümpfe», «Calimero» und viele andere.



Unter dem Label TrickSieben moderierten die animierten Raben Trix und Trax werktags und am Wochenende kultige Cartoons an wie «Tiny Toon Abenteuer», «Batman», «Familie Feuerstein», «Bugs Bunny» und «Inspektor Gadget».



Mit dem Start des ersten deutschen Kindersenders Nickelodeon vergrößerte sich 1995 das Angebot abermals um schräge Nicktoons wie «Rugrats», «Rockos modernes Leben» und «Die Ren & Stimpy Show», sowie hochwertige Realserien wie «Pete & Pete», «Clarissa» und «Grusel, Grauen, Gänsehaut».



Im Jahr 2011 sieht die Situation folgendermaßen aus: Viele der beliebten Cartoons aus den 90er Jahren werden entweder gar nicht mehr gezeigt, oder wurden ins Pay-TV zu den Sendern Boomerang und Junior ausgelagert. Manche Serien sind jedoch, wenn überhaupt, nur noch auf DVD zu sehen, und einige davon sind sogar seit der Ausstrahlung in den 90er Jahren völlig in den Archiven verschwunden. Den Kindern von heute entgehen somit einige qualitativ hochwertige und zeitlos gute Sendungen. Im Free-TV übrig geblieben sind der Ki.Ka, das neue Nickelodeon und Super RTL. Doch wenn ich dieses Programm mit jenem aus den 90ern vergleiche, bin ich mir sicher, dass ich heute kein regelmäßiger Zuschauer geworden wäre. Die 'neuen' Cartoons sind entweder zu kindisch oder zu abgedreht; wirklich gute, spannende oder witzige Geschichten werden in diesen Produktionen nicht mehr erzählt, und vieles wirkt einfach wie uninspirierte Fließbandware. Hinzu kommt, dass die Kindersender weitgehend zu unpersönlichen Abspielstationen der Serien geworden sind. Beim Nickelodeon der 90er Jahre, sowie bei «Bim Bam Bino» und «Vampy» wurde man von sympathischen Moderatoren durch das Programm geführt, und bekam dadurch ein gewisses Gefühl von Wärme und Zugehörigkeit, weil man auch als junger Zuschauer scheinbar ernst- und wahrgenommen wurde. Von der Kreativität, der Interaktivität, dem Spaß, und dem Charme des Kinderprogramms der 90er ist heute leider nicht mehr viel zu spüren. Die Argumentation, dass das Kinderfernsehen in seiner damaligen Form bei den Kids von heute nicht mehr ankommen würde, ist meiner Ansicht nach nur eine faule Ausrede und eine ziemlich bemühte Entschuldigung für mangelndes Engagement.
27.02.2011 00:00 Uhr  •  Glenn Riedmeier Kurz-URL: qmde.de/47998