Nachruf an Carolin 'Cora' Wosnitza

Das Reality-Format «Big Brother» war von Beginn an auf außergewöhnliche Weise mit dem Internet verbunden – seit dem Start im Jahr 2000 wurde es von einer treuen und eingeschworenen Community verfolgt. In dieser Woche verstarb erstmals eine ehemalige Kandidatin der RTL II-Show. Das Online-Magazin Quotenmeter.de mit einem Blick auf die außergewöhnliche Karriere von Carolin 'Cora' Wosnitza.

Die gebürtige Berlinerin Carolin Wosnitza führte ein extravagantes Leben und ist im Verlauf des vergangenen Jahres zu einer Repräsentantin der aktuellen Popkultur geworden. Nach dem Realschulabschluss fing sie eine Ausbildung zur Krankenschwester an, die sie jedoch aufgrund gesundheitlicher Probleme abbrechen musste. Anschließend ging sie in die Erotikbranche und begann sich für diverse Online-Portale vor der Webcam auszuziehen. Unter ihrem Künstlernamen "Sexy Cora" stand sie für Fotoshootings vor der Kamera und drehte zahlreiche eigenproduzierte Pornofilme. Schon bald avancierte sie zum größten Star der aufstrebenden Amateurpornoszene. Mit fragwürdigen Rekordversuchen war die Hamburgerin ab 2009 regelmäßig in der Presse.

Bundesweit bekannt wurde Carolin ab Januar 2010, als sie als Bewohnerin der zehnten «Big Brother»-Staffel täglich im RTL II-Programm zu sehen war. In der Reality-Show präsentierte sich Carolin entgegen aller klischeehaften Erwartungen als liebenswürdige, warmherzige und verletzliche Frau. Bei «Big Brother» vertrat sie nicht das Image der abgebrühten Porno-Geschäftsfrau und konnte schon bald die Sympathien der Zuschauer gewinnen. Obwohl sie auch von ihrer durchaus umstrittenen Arbeit erzählte, die für sie etwas ganz normales und gleichzeitig ihr Traumberuf war, lernte man als außenstehender Beobachter vor allem auch ihre private Seite kennen und schätzen. Im «Big Brother»-Haus näherten sich Carolin und ihr Mitbewohner Tobias an. Sie kuschelten miteinander und führten gute Gespräche. Viele «Big Brother»-Fans freuten sich über die sich anbahnende Romanze. Schon längst sah man in Carolin nicht mehr den Pornostar.

Nach 13 Tagen in der TV-WG verließ Carolin das Projekt freiwillig. "Es ist einfach so, dass die Leute, die meine Dinge zu Hause regeln sollten, dies jetzt wegen unerwarteter Umstände nicht mehr tun können. Deshalb ziehe ich jetzt aus", lautete ihre Begründung, die zu weitreichenden Spekulationen führte. Beispielsweise ob Carolin ihrem Beruf tatsächlich gerne nachging, oder ob sie irgendwelchen Zwängen unterworfen war. Nach zwei Tagen kehrte Carolin nach einem Sondervoting in die TV-WG zurück. Im Gespräch unter vier Augen mit Tobias gab sich Carolin schließlich ihren Emotionen hin, weinte sich bei ihm aus und gestand, dass sie Angst vor der Zukunft nach «Big Brother» habe. Sie war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob der Pornoweg vielleicht eine Sackgasse für sie bedeutete. Sie sei außerdem traurig darüber, dass ihr viele Menschen nicht mehr zutrauten als "die Beine breit zu machen". In diesen Momenten wurde man Zeuge ihres Dilemmas, weil sie offenbar nicht mehr wusste, welcher Weg für sie der richtige war. Tobias redete ihr stets gut zu und tröstete sie.

Am 9. März 2010 wurde es ihr schließlich zu viel und sie verließ nun endgültig die TV-WG. Ihre Begründung "Ich habe mich in den letzten Wochen hier einfach nicht wiedererkannt - rein äußerlich und wie ich mich verhalten habe. Ich möchte mich wieder wohlfühlen in meiner eigenen Haut" rief erneut Besorgnis unter den Fans hervor, wie auch ihr anschließender Kontaktabbruch zu Tobias und den anderen Mitbewohnern. Fortan konzentrierte sie sich wieder vollständig auf ihre Erotikkarriere. Im Laufe der Zeit bekam man mit, dass Carolin mit ihrem Aussehen nie zufrieden war. Sie nahm im «Big Brother»-Haus schnell zu und war oftmals frustriert. Eines Tages erzählte sie, dass sie im Alter von 13 Jahren unter Bulimie litt. Ihre zahlreichen Schönheitsoperationen und Tätowierungen bestätigten den Eindruck, dass sie den perfekten Körper anstrebte und ein Kunstwerk darstellen wollte. Durch den erlangten Bekanntheitsgrad war Carolin nach «Big Brother» in diversen Reportagen zu sehen, nahm Musiktitel auf und hatte wöchentliche Auftritte auf Mallorca. Im gleichen Jahr erhielt sie den Venus-Award und Erotixxx-Award als beste Amateur-Erotikdarstellerin.

Am Donnerstag verstarb die 23-jährige Carolin an den Folgen eines erneuten chirurgischen Eingriffs. Sie wollte sich einer weiteren Brustvergrößerung unterziehen und wurde bereits vor der eigentlichen Operation nach einem Herzstillstand, bei dem ihr Gehirn für etwa 15 Minuten ohne Sauerstoffzufuhr blieb, in ein künstliches Koma versetzt, aus dem sie leider nicht mehr erwachte. Im Internet rief der dramatische Unfall weitreichende Reaktionen nach sich. So schloss sich nach dem Bekanntwerden der verunglückten OP bei dem sozialen Netzwerk Facebook eine Gruppe unter dem Titel "Wir beten für Cora" mit mehr als 5400 Mitgliedern zusammen, von denen viele persönliche, hoffnungsvolle Briefe und Bilder an die Klinik schickten und nun gemeinsam um Carolin trauern. Wer letztendlich Schuld an dem Unglück trägt, darüber kann momentan nur spekuliert werden. Dass ausgerechnet Carolin Wosnitza, die als populärste Erotikdarstellerin Deutschlands auf dem Höhepunkt ihrer Karriere angekommen war, bei einer der mittlerweile täglich durchgeführten und zunehmend verharmlosten Schönheitsoperationen mit dem Leben bezahlen musste, kann als schicksalhafte Warnung angesehen werden. Wie schnell durch eine einzige falsche Entscheidung das Leben enden kann, wurde an diesem dramatischen Fall deutlich. Der plötzliche und viel zu frühe Tod markiert das tragische Ende einer starken und herzensguten Frau, die einfach nur geliebt werden wollte. Möge Carolin in Frieden ruhen.

R.I.P.
22.01.2011 08:00 Uhr  •  Glenn Riedmeier Kurz-URL: qmde.de/47220