360 Grad: Talk to Me

Während uns bei der ARD bald der Polittalk-Overkill bevorsteht, arbeitet auch Sat.1 an einem ähnlichen Konzept. Julian Miller kommentiert.

Ein Gespenst geht um in der deutschen TV-Landschaft. Es ist das Gespenst des Polit-Talks. Während uns im Ersten mit Will, Plasberg und Jauch bald der absolute Talkshow-Overkill ins Haus steht, will nun auch Sat.1 sein Uralt-Konzept vom «Talk im Turm» wiederbeleben. Das größte Hindernis scheint derzeit die Frage nach dem passenden Moderator zu sein. Polit-Insider Helmut Markwort darf die Sendung nicht machen und muss sich in Zukunft wohl weiterhin mit seiner zünftigen Mittagsquasselrunde im Bayerischen Rundfunk zufrieden geben, während Hans Werner Kilz, der ehemalige Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung, kein Interesse an Sat.1 hat, da er dort für eine ernsthafte politische Unterhaltung keine Zukunft sieht. Daran mag durchaus etwas dran sein. Schließlich hätte es schon etwas Bizarres an sich, den erst kürzlich ausgeschiedenen Frontmann einer der wenigen seriösen deutschen Zeitungen auf dem selben Kanal zu sehen, auf dem man sich sonst in Gesprächsrunden auf wüste Beschimpfungen und Vaterschaftstests spezialisiert hat.

Vor etwas mehr als fünf Jahren wurde in der Ära Niethammer bereits der Versuch unternommen, eine salonfähige Talkrunde in der Spätschiene bei Sat.1 einzurichten. «Talk der Woche» nannte sich dieses Experiment, in dem es allerdings mehr um Männer mit „Bierbrüsten“ und die damals aktuelle medienübergreifende Kampagne „Du bist Deutschland“ ging als etwa um den Afghanistaneinsatz der Bundeswehr oder das Haushaltsdefizit. Mit Gästen wie Susanne Fröhlich, die lediglich durch das Schreiben von schwachsinnigen Romanen wie «Moppel-Ich» Bekanntheit erlangt hat, kein Wunder. Nach zwei Monaten mit desaströsen Einschaltquoten zog Sat.1 schließlich den Stecker, nachdem man dieses Elend nicht mehr ertragen konnte. An der charmanten und kompetenten, wenn auch stark unterforderten, Moderatorin Bettina Rust lag das Scheitern von «Talk der Woche» sicherlich nicht.

Die Moderatorenfrage, die man sich derzeit bei Sat.1 stellt, sollte jedoch eher sekundärer Natur sein. Vielmehr muss man sich einmal darüber klar werden, in welche Richtung die neue Talkshow denn nun gehen soll. Will man sich auf politische Themen mit hochkarätigen Gästen konzentrieren, oder lädt man einfach wieder mal Nina Hagen ein, und wartet darauf, bis sie sich daneben benimmt und am Schluss wie eine Irre durch das Studio schreit? Beides ist bei Sat.1 in der Vergangenheit schon passiert. Hoffen wir, dass sich der Sender in die bessere der beiden Richtungen entwickelt.

Mit 360 Grad schließt sich auch nächsten Freitag wieder der Kreis.
07.01.2011 00:00 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/46876