«Dr. House» diagnostiziert sich selbst

Das Schicksal einer Patientin lässt den launigen Arzt an die eigenen Schicksalsschläge erinnern. Auch die Beziehung zu Krankenhauschefin Cuddy nimmt eine Wendung.

Stichwort „Huddy“ – oder: Wo die Liebe hinfällt. Die beiden größten Gegensätze der US-Serie «Dr. House» haben sich doch noch gefunden. Beim großen Finale der sechsten Staffel der Dramedy-Serie finden der zynisch-launige Chef-Diagnostiker Dr. Gregory House (Hugh Laurie) und die Krankenhausleiterin Dr. Lisa Cuddy (Lisa Edelstein) doch noch zueinander. Quasi schon eine „Never ending Story“ zwischen beiden Charakteren, die schon in der fünften Staffel von «Dr. House» ihre Wurzeln hat. Denn während House zunächst nur in Halluzinationen in Folge seiner Vicodin-Abhängigkeit mit Cuddy zusammen kommt, in Wirklichkeit aber nichts dergleichen geschehen ist, kommt es zum Ende der sechsten Staffel zu einem grandiosen Ende dieser „ewigen Geschichte“, die damit endet, dass House und Cuddy vermutlich ein Paar werden – nicht nur in den Halluzinationen von House. Denn der ist von der Schmerzmittel-Abhängigkeit längst weggekommen. Eigentlich. Zum Ende der fünften Staffel lässt sich House selbst in eine psychiatrische Anstalt einweisen. Dort wird er in den ersten beiden Folgen der sechsten Staffel verbringen und sich „selbst heilen“. Wo er zunächst noch den Rebell gibt und auf seine gewohnte Art die Mitmenschen gegeneinander ausspielt und manipuliert, fügt er sich später dem System und entdeckt etwas Menschlichkeit für sich.

Vor allem aber schafft es Gregory House schon zu Beginn der sechsten Staffel seine Vicodin-Abhängigkeit abzulegen und kehrt in das Princeton-Plainsboro Krankenhaus zurück. Dort erwarten ihn sein Team, sein bester Freund Wilson (Robert Sean Leonard) und natürlich auch Chefin Cuddy und können sich alle mit dem „netten“ House anfreunden. Das geht inzwischen soweit, dass Cuddy beginnt Gefühle für ihren besten Diagnostiker im Hospital zu bekommen, der sich in gewisser Hinsicht verändert hat. Bis House nach seiner Rückkehr aus der psychiatrischen Anstalt seine Approbation wieder erlangt hat, leitet Dr. Foreman (Omar Epps) das Team. Doch House ist irgendwie dann doch noch der alte House: Er spielt die anderen Teammitglieder gegen Foreman aus, schürt Intrigen und steht dann vorerst wieder ohne Team da, schafft es aber dennoch durch seine manipulative Art und Weise alle zurück ins Boot zu holen. Fortan ist von dem „netten“ House nicht mehr sehr viel übrig. Das muss auch Dr. Cuddy irgendwann einsehen, als einige Annäherungsversuche zwischen beiden, zum Beispiel bei einem Maskenball im Rahmen einer Dienstreise, komplett fehlschlagen, weil House eben House ist: Oftmals takt- und gefühllos und mit zynisch-bösen Sprüchen behaftet.

Auch im Team selbst gibt es Umbrüche: Dass Dr. Chase (Jesse Spencer) beim Tod des tyrannischen Diktators Dibala aus Afrika bewusst mitverschuldet hat, kann seine Freundin Dr. Cameron (Jennifer Morrision) ihm nicht verzeihen. Vor allem weil er die Tatsache lange vor ihr verheimlicht hat. Doch auch hier gibt es eine Parallele zu „Huddy“: Sie finden durch ungewollte Umstände wieder zusammen. Bei Chase und Cameron ist es das zwangsweise Festsitzen in einem OP-Saal, nachdem alle Aus- und Zugänge als Vorsichtsmaßnahme versperrt wurden, da ein Baby vermisst wird. Bei House und Cuddy ist es ein tragisches Kran-Unglück und ein gescheiterter Rettungsversuch. Die beiden anderen Teammitglieder Dr. Taub (Peter Jacobson) und Dr. Hadley (Olivia Wilde) haben dabei ihre ganz eigenen Sorgen im Laufe der Staffel. Letztere, auch "13" genannt, leidet an der Huntington-Krankheit und bittet in der letzten Folge um eine Auszeit.

Welche schweren Job Dr. Cuddy hat wird in einer Folge besonders deutlich, als die Serie einmal aus ihrer Sicht erzählt wird. Dies ist gleichzeitig auch jene Episode gewesen, bei der Hauptdarsteller Hugh Laurie selbst Regie geführt hat. Er selbst hat also Dr. House hier weniger Szenen als sonst, dennoch wird das Verhältnis zwischen House und Cuddy besonders deutlich. Während House die Krankenhaus-Chefin immer noch begehrt und gerne mit ihr zusammen kommen würde, hat sie mit dessen ehemaligen Privatdetektiv Lucas Douglas ein Verhältnis begonnen. Für House brach eine Welt zusammen und folglich lässt er auch nicht locker, macht sogar gute Miene zum bösen Spiel. Während Freund Wilson und sein Team ihm Neuigkeiten rund um Cuddy und ihre neue Beziehung vorenthalten, kommt er doch irgendwie immer dahinter – und reagiert auf seine typische Art.

Von der einstigen „Heilung“, die Anfang der sechsten Staffel zu sehen war, ist am Ende nicht mehr viel übrig geblieben. Der cholerische, aber geniale Arzt droht rückfällig zu werden. Mit seinem schwersten Fall muss er sogar die Hilfe seines ehemaligen Psychotherapeuten in Anspruch nehmen. Beim Finale der sechsten Staffel erfolgt dann so etwas wie eine Selbstdiagnostik. Nach einem Kran-Unglück ist eine Frau unter den Trümmern begraben, mit einem Bein eingeklemmt. Dr. House setzt alles daran das Bein zu retten und geht damit auch auf Konfrontation mit Dr. Cuddy, die angesichts der Umstände nur eine Amputation für die richtige Lösung hält. Zuvor hat House Wind davon bekommen, dass in der Beziehung zwischen Cuddy und Lucas wohl etwas nicht stimmt, auch wenn Cuddy vom Einzug in eine gemeinsame Wohnung erzählt.

Als die Lage der Frau mit dem in den Trümmern eingeklemmten Bein immer prekärer wird, kommt es zum Eklat zwischen House und Cuddy. Die Krankenhaus-Chefin wirft ihm vor nicht von der Stelle zu kommen, sie sei es leid ihn immer in Schutz zu nehmen. Auch hat sie eine Parallele zwischen ihm und der Patientin in den Trümmern erkannt. Auch House hatte vor langer Zeit sein Bein retten wollen, indem er einer Amputation umging. Doch zurück blieben starke Schmerzen, die House vormals gerne mit dem starken Schmerzmittel Vicodin betäubte. Die Schmerzen veränderten seinen Charakter und er würde zu dem zynisch-bösen Unsympathen. „Ich bin wohl der kaputteste Mensch auf der ganzen Welt“, gesteht er auch Cuddy wenig später. Darüber hinaus ist House einsam. Außer zu Freund Wilson und seinem Team, über das er gerne nörgelt, hat er keine nachhaltigen menschlichen Beziehungen – und auch die Sehnsucht nach Liebe spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Nach der Cuddy-Standpauke reift zum Ende der sechsten Staffel bei Dr. House also die Selbsterkenntnis, jene Selbstdiagnostik, die ihn dazu bewegt, der in den Trümmern liegenden Frau doch zu einer Amputation zu raten. Sie soll nicht so werden wie er, nur um das Bein zu retten. Doch die netten Worte, die House zu seiner Patientin spricht, und den bleibenden Eindruck, den er damit bei Cuddy hinterlässt, sollen vorerst nur kleine positive Zeichen sein. Denn die Patientin erleidet auf dem Weg ins Princeton-Plainsboro in Folge der Amputation des Beins eine Fettembolie und stirbt an den Eingangstoren zum Krankenhaus vor den Augen von House. Obwohl der geniale Arzt wie so oft alles richtig gemacht hat, konnte er seine Patientin nicht retten. Für ihn bricht erneut eine Welt zusammen. Vor allem im Hinblick auf seine eigenen Geschichte. Foreman versucht ihm noch gut zuzureden, doch zu Hause angekommen reißt House einen Spiegel von der Wand und greift zu einem versteckten Vicodin-Vorrat: „Ich sehe keinen Grund, warum ich es nicht tun sollte“, antwortet er auf die Worte der plötzlich im Gang stehenden Cuddy, dass es seine Entscheidung sei, ob er sich wieder zu dröhnen wolle.

Dann offenbart sie ihm auch noch, dass sie die Beziehung mit Lucas beendet hat, weil sie – obwohl sie gar nicht will – nur House liebt. „Huddy“ – oder: Wo die Liebe hinfällt. Die beiden gegensätzlichen Charaktere kommen zusammen. Und diesmal ohne Halluzinationen. Denn House hat das Vicodin nicht geschluckt. Wie die beliebte Arzt-Serie womöglich mit House und Cuddy als Paar in der siebten Staffel weitergehen mag, wird spannend bleiben, auch wenn «Dr. House» im Laufe der sechsten Staffel in einigen Folgen etwas von gewohnt hohem Niveau abfiel. Ein grandioses Finale lässt das aber verkraften.
05.01.2011 11:51 Uhr  •  Jürgen Kirsch Kurz-URL: qmde.de/46850