Die Kritiker: «die story: Wo ist meine Stimme?»

Inhalt
Während der Proteste um die Wahlmanipulationen im Iran erhoben nur wenige Menschen ihre Stimme gegen ein Land, das sie unterdrückt. Sie sprachen heimlich über das Handy und verbreiteten über Internet, Telefonate und Blogs Informationen in alle Welt. Sie äußerten sich ferner durch heimliche Botschaften und versteckte Notizen. Nur so konnten sie im vergangenen Jahr die staatliche Zensur umgehen und dafür sorgen, dass unabhängige Nachrichten aus dem Land kamen.

«die story» dokumentiert die Sprache und Empfindungen dieser Menschen. Die Dokumentation gibt ihnen auch ein Gesicht – die Gesichter von gezeichneten Figuren, die im Film Azadeh und Kaveh heißen, und die für die ganz persönlichen Schicksale unterdrückter, verhafteter und protestierender Menschen im Iran stehen.

Kritik
Es sind teilweise Bilder, die schockieren. Und doch sind sie nur wenigen Menschen in Erinnerung geblieben. Der Film von Ali Samadi Ahadi weckt diese Erinnerungen an die Gräueltaten der iranischen Miliz während der Proteste um die Wahlmanipulationen im Zuge der Wiederwahl von Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad im Juni 2009. „Wo ist meine Stimme?“, ist nicht nur der Titel der Dokumentation, sondern war mehrfach auf den Plakaten der Protest-Bewegungen im Iran zu lesen. Da ausländischen Journalisten die Aufenthaltsgenehmigungen nicht verlängert wurden, mussten sie abreisen. Die Welt erfuhr durch moderne Kommunikationsmittel wie Internet-Blogs, Twitter oder versteckte Botschaften von verprügelten Jugendlichen auf offener Straße oder erschossenen Protestanten. Die Geschichten rund um die Einzelschicksale der aufständischen Menschen im Iran wurden über die Medien transportiert, ihre Stimmen wurden jedoch nicht gehört. Regisseur Ali Samadi Ahadi versucht ihnen mit seiner Dokumentation mehr Gehör zu verschaffen und lässt sie dabei weitgehend selbst zu Wort kommen.

Das Schicksal der Menschen im Iran wird nachgezeichnet, anhand von Blog-Einträgen, Twitter-Nachrichten und Handy-Videos. Ali Samadi Ahadi greift aber auch auf Archivmaterial des Protests zurück und hat Original-Interviews mit Augenzeugen aufgezeichnet, die mit ungewöhnlichen Bildcollagen in Comic-Form untermalt werden. Letzteres macht das Besondere an dieser Dokumentation aus. Die teils blutigen und schrecklichen Gewalttaten können so dargestellt werden, dass sie für Jedermann unmissverständlich begreifbar werden. Der Zuschauer bekommt ein Gefühl dafür, was die Menschen im Iran erleiden musste, ohne die ganze Tragweite des Leids rund um die vielen blutüberströmten Leichen und schockierenden Gewalttaten anhand von Original-Bildern mitansehen zu müssen. Zwar ist die Erzählform anhand von Comic-artigen Bildcollagen etwas gewöhnungsbedürftig, doch schafft es die Dokumentation über diesen Filmstil das Ausmaß der Unterdrückung und Verletzung der Menschenwürde im Iran nachvollziehbar zu machen. Bedeutend sind auch die Zitate aus Blogs und Twitter-Nachrichten. Vielsagend schreibt beispielsweise eine wieder freigelassene inhaftierte Iranerin: „Als ich draußen war, begriff ich, dass ich nicht in die Freiheit gelassen wurde, sondern nur in ein größeres Gefängnis, den Iran“, formuliert sie die inhaltliche Botschaft des Films.

Letztlich hat die WDR-Dokumentation eine etwas eigenwillige Erzählform, die aber in den Kontext passt. Anhand der Bildgestaltung lässt sie auch wie ein roter Faden erkennen, wie das Leid der Menschen immer schlimmer wird: Am Anfang sind noch eher farbenfrohere Bilder zu sehen, in der folgenden Zeit nach den iranischen Wahlen und mit der Niederschlagung der Protest-Bewegung werden sie jedoch immer düsterer. Am Ende in den Gefängnissen und in den Zellen haben die Bilder gar eine melancholisch-depressive Ausdrucksweise. Mit den stilistischen Mitteln hat man es also geschafft auch seinem Publikum zu vermitteln, was die Menschen im unterdrückten Land Iran aussagen wollen. Nämlich, dass ihre Menschenwürde mit Füßen getreten wurde und die westliche Welt zugesehen hat, aber auch jetzt noch helfen kann. Denn die heimlichen Berichte der Iraner sollen endlich gehört werden.

Der WDR zeigt den Film «die story: Wo ist meine Stimme? Iran – Heimliche Berichte aus einem unterdrückten Land» am 6. Dezember 2010 um 22 Uhr.
05.12.2010 11:11 Uhr  •  Jürgen Kirsch Kurz-URL: qmde.de/46240