Bergtour: Wie die ProSiebenSat.1-Aktie einen ungebremsten Kursanstieg hinlegt

In den vergangenen Monaten konnte die Aktie der ProSiebenSat.1 Media AG fast ungeachtet der wirtschaftlichen Gesamtlage immer weiter zulegen und lag nach einstigen Kursnotierungen von unter einem Euro nun über zwanzig Euro pro Aktie.

Blickt man in diesen Tagen und Wochen auf den Kursverlauf der Aktie mit der Wertpapierkennnummer 777117, so dürfte der fast kometenhafte Anstieg auf den ersten Blick überraschen. Die 777117 steht für das Unternehmen ProSiebenSat.1 Media AG, das in den vergangenen zwei Jahren durch oft unpopuläre, schmerzhafte Entscheidungen und einen strikten Sparkurs zwar wenig Ansehen gewonnen hat, aber dafür umso effizienter aufgestellt ist wie lange nicht mehr: Der massive Anstieg der Aktie des Unternehmens zeigt, dass der Vorstandschef Thomas Ebeling (Foto), der im März 2009 das Ruder übernommen hatte, bisher aus wirtschaftlicher Sicht hervorragende Arbeit geleistet hat. Und das, obwohl bei seinem Antritt als Nachfolger von Guillaume de Posch nicht wenige vermutet hatten, dass er als Quereinsteiger ohne Erfahrung im Medienbusiness mit seiner neuen Aufgabe scheitern werde.

Ebeling übernahm ProSiebenSat.1 mit einem Schuldenberg von über 3,8 Milliarden Euro; zu einer Zeit, als das Unternehmen zudem noch Verluste schrieb und der Umsatz sank. Seit der Übernahme der skandinavischen Senderkette SBS kämpft die AG mit einem riesigen Milliarden-Schuldenberg, dessen Zinsen die Kennzahlen mächtig drücken. Die schlechte Situation im Jahr 2009 schlug sich auch bei den Aktionären nieder: Nach einer Dividende von 1,25 Euro je Vorzugsaktie erhielten die Anleger 2009 gerade einmal noch 0,02 Euro für ihre Papiere.

Doch nach mehr als eineinhalb Jahren unter der Führung von Thomas Ebeling hat sich die Lage deutlich verbessert: Die Netto-Finanzverbindlichkeiten sanken von über 3,8 Milliarden Euro innerhalb von zwei Jahren auf zuletzt 3,284 Milliarden Euro – innerhalb eines Jahres konnte man wieder 250 Millionen Euro abzahlen. Insbesondere Umsatz und Gewinn sehen 2010 wieder positiv aus: Nach roten Zahlen im dritten Quartal 2009 konnte man Anfang November für das dritte Quartal dieses Jahres einen Gewinn nach Steuern und Abschreibungen von 32 Millionen Euro melden; der Umsatz stieg im Vergleich zum Vorjahresquartal um 12 Prozent auf 626,9 Millionen Euro.

Dass es der ProSiebenSat.1 Media AG wieder deutlich besser geht als in den vergangenen Jahren, liegt unter anderem am massiven Sparkurs, der seit längerer Zeit gefahren wird. Der Umzug von Sat.1 nach Unterföhring im vergangenen Jahr, wo nun die gesamte Sendergruppe sitzt, dürfte dem Unternehmen schon mittelfristig deutliche Kosteneinsparungen bringen. Zudem hat man immer wieder am Programm gespart. Außerdem wurde in diesem Jahr der stets defizitäre Nachrichtensender N24 verkauft. Neben den eigenen Umbau-Maßnahmen ist aber auch der deutlich erholte deutschsprachige Werbemarkt für die guten Zahlen der AG verantwortlich, der 2010 bisher um 6,1 Prozent zulegte.

Der unglaublich erscheinende Kursanstieg der ProSiebenSat.1-Aktie ist also nachvollziehbar und dennoch beispiellos. Noch vor genau zwei Jahren, im November 2008, notierte das Papier um 1,75 Euro. Nun steht man um die 21 Euro – dies ist ein Anstieg der Aktie von über 1200 Prozent innerhalb dieses Zeitraums. Zieht man den Vergleichsindex MDAX heran, so zeigt sich auch die unabhängige Entwicklung der Aktie vom Gesamtmarkt: Der MDAX legte in den letzten zwei Jahren von 5389 auf zuletzt 9484 Punkte zu – ein Anstieg von gerade einmal 77 Prozent. Allein am 26. Juni 2010, als man die Ergebnisse des zweiten Quartals veröffentlichte, schoss der Aktienkurs der Mediengruppe um 12,35 Prozent in die Höhe. Blickt man auf den Jahresvergleich, so ergibt sich ein Gewinn von immerhin noch 150 Prozent, während der MDAX seit Ende November 2009 nur um 32 Prozent zulegen konnte.



Und die Bergtour der ProSiebenSat.1-Aktie scheint noch nicht zu Ende: Viele Banken schätzen das Papier noch stärker ein und sehen neue Kursziele deutlich oberhalb des aktuellen Wertes. Der Konzern selbst rechnet mit weiterem Wachstum im vierten Quartal 2010 und sinkenden Schulden, sodass sich die positive wirtschaftliche Entwicklung von ProSiebenSat.1 auch in den nächsten Monaten fortsetzt. Nach all den positiven Zahlen und dem komentenhaften Kursanstieg denkt auch die Investorengruppe KKR und Permira über einen Ausstieg aus dem Unternehmen nach: Ende 2006 hatten die beiden Private Equity-Gesellschaften die Aktiengesellschaft für mehr als drei Milliarden Euro übernommen und besitzen 100 Prozent der stimmberechtigten Stammaktien sowie 25 Prozent aller Vorzugsaktien. Eventuell wollen die Investoren für die Gesellschaft nicht einen einzelnen Käufer suchen, sondern die Stammaktien – die aktuell nicht an der Börse gehandelt werden – auf den freien Markt werfen. Sollte der Aktienkurs in den nächsten Monaten weiter wie bisher steigen, dürfte man sogar mit Gewinn aus dem mehrjährigen Engagement gehen: 2006 hatte man die ProSiebensat.1 Media AG für geschätzte 28 bis 29 Euro pro Wertpapier übernommen.
27.11.2010 09:07 Uhr  •  Jan Schlüter Kurz-URL: qmde.de/46082