Die Kritiker: «2075 – Verbrannte Erde»

Inhalt
Es ist das Jahr 2075. Zehn Milliarden Menschen leben auf der Erde, der Großteil davon in Städten. Die globale Durchschnittstemperatur ist im Vergleich zur Jetzt-Zeit um vier Grad gestiegen. Dadurch hat sich nicht nur die Flora und Fauna verändert, sondern auch die Tierwelt. Zahlreiche Tierarten wie Gorillas, Tiger oder Wale gelten bereits als ausgestorben. Das Wetter ist immer unbeständiger geworden. Auf dem afrikanischen Kontinent herrscht neben großer Hitze eine Dürre, die die Bevölkerung gen Norden flüchten lässt. Dort sorgt sintflutartiger Regen in regelmäßigen Abständen für Überschwemmungen und Klimakatastrophen. Die Vorhersagen der Klimaforscher sind 65 Jahre in der Zukunft Wirklichkeit geworden. Die Dokumentation beschreibt vier Schicksale in vier Regionen dieser Zukunftsvision und zeigt welche Auswirkungen der Klimawandel auf ihr Leben hat.

Julie Peyrefitte lebt im Süden Frankreichs und hat das Weingut ihres Großvaters übernommen. Ein Heuschreckenschwarm verwüstet ihre Rebstöcke. Immer wieder fliegen mit dem Südwind Heuschreckenschwärme über die letzten Weinberge bei Bordeaux und nehmen Kurs auf Paris. Auch der ausbleibende Regen macht Julie das Leben schwer. Die Felder drohen zu vertrocknen.

Zur gleichen Zeit machen sich Idri und sein Freund Faouzi aus Nordafrika auf den Weg nach Europa. Bei ihnen zu Hause hat die Dürre vielen die Lebensgrundlage entzogen. Die jungen Männer durchqueren mit letzter Kraft die gefährliche Wüste, vorbei an verlassenen Städten und schier endlosen Feldern mit Solarspiegeln, auf denen für das energiehungrige Europa Strom produziert wird. In einem Auswahlverfahren werden in langen Tests in einem Auffanglager nur die Afrikaner genommen, die auf den stark eingeschränkten Arbeitsmarkt passen. Idri schafft es nach Südfrankreich.

In Kanada begibt sich der deutsche Biologe Niels Meister auf die Suche nach der berühmten Umweltaktivistin Grace Lajoie, die sich seit Jahren in die Einöde zurückgezogen hat. Seine Frau Lotte versucht in Hamburg eine weltweite Kampagne zum Kampf gegen die Zerstörung der Natur zu initiieren und eine Charta zum Schutz der letzten lebenden Tierarten zu verabschieden.

Darsteller

Nancy Tate ist Julia Peyrefitte
Tantoo Cardinal ist Grace Lajoie
Vernon Dobtcheff ist Lucas Peyrefitte
David Lahaye ist Niels Meister
Carrie Colak ist Lotte Meister

Kritik
Die deutsch-kanadisch-französische Koproduktion setzt sich für den Klimaschutz weltweit ein und formuliert ein Appell an die Zuschauer. Der 90-minütige Film möchte aufzeigen, dass es nicht unmöglich ist, die Umweltveränderungen in den Griff zu bekommen. Allerdings müssen hierfür globale Anstrengungen unternommen werden. Diese Botschaft wird allerdings nicht präzise genug signalisiert. Der Dokumentarfilm «2075 – Verbrannte Erde» ist keine Dokumentation im klassischen Stil, sondern von den Regisseuren Marion Milne und Jean Christophe de Revière als Drama aufgebaut. Wie im Spielfilm werden teilweise die Einzelschicksale in der TV-Fiktion erzählt. Das hilft dem Zuschauer zwar sich in die Gefühle, Ängste und Sorgen der vier Protagonisten einzufühlen und ihre Zukunftswelt zu begreifen. Doch ist die Mischung aus dokumentarischer Erzählung und spielfilmhaften Dialogen etwas befremdend. Während der Dokumentation-Anteil des Films vor allem Hintergrundinformationen zum Zukunftsszenario 2075 liefert, haben es die Regisseure versucht mit Dramatik und Spannung die Geschichten von vier Einzelschicksalen so einzubauen, dass sie Emotionen wecken und sensibilisieren. Das gelingt auch teilweise, aber die jeweiligen Sequenzen sind filmtechnisch keine Glanzmomente des Films.

Vielmehr besticht in den 90 Minuten des Films «2075 – Verbrannte Erde» die mit CGI-Effekten erschaffene Zukunftsfantasie. Dank der digitalen Effekte gibt es sehenswerte Momente im Film, die ein Szenario zeichnen, das sich der Zuschauer authentisch vorstellen kann. Denn die aufwendig entworfenen Bilder kommen keineswegs von ungefähr. Die Prognosen für die Erwärmung des Klimas basieren auf den Erkenntnissen wissenschaftlicher Forschung des Weltklimarates IPCC und führen drastische Konsequenzen vor Augen, wenn sich das Umweltverhalten der Menschen nicht ändert. Der Film «2075 - Verbrannte Erde» beschreibt in aller Ausführlichkeit, wie die Welt in 65 Jahren nach den Erkenntnissen der Klimaforscher aussehen könnte und zeichnet für den Zuschauer ein detailgenaues Bild davon, das technikaffine Zuschauer zwar begeistern wird, aber in jedem Fall auch nachdenklich stimmen wird. Der gute Ansatz wird jedoch durch einige Lücken und Ungereimtheiten in der Erzählung der Einzelschicksale nicht weiter verfolgt. So bleibt völlig offen, warum der Weingutbesitzer in Südfrankreich von seiner Tochter tot auf einer Bank aufgefunden wird. Oder warum die in der Einöde lebende und sich gegen die moderne Welt verschworene Umweltaktivistin zwar die Natur hoch lobt und moderne Technik verachtet, diese aber dann doch benutzt. Ihr Märtyrer-Tod in einer Gletscherspalte nach der Begegnung mit dem letzten überlebenden Eisbären („Du kannst mich fressen, wenn du willst - es wäre mir eine Ehre.“) ist dabei auch nicht ganz nachvollziehbar, ebenso wie der Unterton ihres Abschieds .

«2075 – Verbrannte Erde» verfolgt also gute Ansätze, um die Folgen des Klimawandels filmisch aufzuzeigen und einen Appell an sein Publikum zu richten. Allerdings packt man das Thema Klimaschutz zu zimperlich an, als das die Botschaft des Films aussagekräftig wäre. Sie wird für den Zuschauer eher weichgekocht. So drücken Einzelschicksale auf die Tränendrüse, während dazwischen CGI-Effekte etwas fürs Auge bieten, doch die Kernaussage des Films bleibt dabei auf der Strecke. «2075 – Verbrannte Erde» ist ein gut gemeinter Versuch der Sensibilisierung für das Thema Klimaschutz, der zu Nachdenklichkeit anregt. Auch sind die Herangehensweise sowie das filmische Handwerk der Dokumentation eher untypisch und besonders. Leider jedoch hat man zu sehr auf seichte Unterhaltung statt auf Tiefgang in der inhaltlichen Aussage gesetzt.

Das ZDF zeigt die Dokumentation «2075 – Verbrannte Erde» am Mittwoch, 24. November 2010 um 23.30 Uhr.
23.11.2010 11:26 Uhr  •  Jürgen Kirsch Kurz-URL: qmde.de/45993