Der düstere Auftakt zum großen «Harry Potter»-Finale bietet furiose und gut gespielte Unterhaltung, steigert jedoch vor allem die Vorfreude auf den zweiten Teil.
«Harry Potter» ist wohl eines der größten generationsübergreifenden Phänomene der modernen Popkultur. Mit weltweit rund 400 Mio. verkauften Exemplaren gehört die siebenbändige und in 67 Sprachen übersetzte Buchreihe um den titelgebenden Zauberschüler zum Populärsten, was die Welt der Literatur in den letzten Jahren hervorgebracht hat. Die dazugehörigen Leinwandadaptionen standen diesem Erfolg in nichts nach und erwirtschafteten allein durch ihre Kinoauswertungen über fünf Mrd. US-Dollar. Dabei sind alle sechs bisherigen Filme auch unter den 30 erfolgreichsten Produktionen aller Zeiten zu finden, zwei von ihnen gar unter den Top Ten. Um diese verlässliche Geldquelle nicht allzu schnell versiegen zu lassen, zugleich aber auch um der inhaltlichen Fülle der Vorlage gerecht zu werden und die etablierten Handlungsstränge zu einem befriedigenden Ende zu führen, entschied man sich das siebente und letzte «Harry Potter»-Kapitel in zwei Filme aufzuspalten, die nun im Abstand von acht Monaten in die Kinos kommen. Mit «Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 1» beginnt jetzt, etwa drei Jahre nachdem Autorin Joanne K. Rowling ihre Reihe auf fulminante Art und Weise bereits literarisch abgeschlossen hat, das langersehnte finale Abenteuer des berühmten Zauberers auch im Kino. Obwohl Regisseur David Yates («Harry Potter und der Orden des Phönix», «Harry Potter und der Halbblutprinz») damit erneut die Magie der Vorlage nur in Ansätzen auf die große Leinwand zu bannen weiß, hat er auch diesmal wieder einen sehr düsteren, furiosen und vor allem exzellent besetzten Fantasy-Thriller geschaffen.
Nach seinem sechsten Jahr an der Hogwarts Schule für Hexerei und Zauberei denkt Harry Potter (Daniel Radcliffe) keine Sekunde daran, zum Unterricht an seinen einstigen Lieblingsort zurückzukehren, hat ihm doch sein vor wenigen Wochen ermordeter Schulleiter und Mentor Dumbledore (Michael Gambon) eine weitaus wichtigere Aufgabe übertragen. So soll Harry gemeinsam mit seinen Freunden Ron (Rupert Grint) und Hermine (Emma Watson) die verbleibenden Horkruxe ausfindig machen, besondere Gegenstände, in denen der finstere und wieder zu alter Stärke aufgestiegene Lord Voldemort (Ralph Fiennes) Teile seiner Seele magisch eingeschlossen hat. Nur wenn es Harry gelingt, alle zu zerstören, kann dem dunklen Magier ein für alle Mal Einhalt geboten werden. Doch als Voldemort und seine Gefolgsleute schließlich die Macht im Zaubereiministerium und in Hogwarts an sich reißen, scheint die Lage aussichtsloser denn je.
Bedrohung und die wachsende Hoffnungslosigkeit in der Zaubererwelt herauszustellen. Ganz so greifbar und beklemmend wie im zu Grunde liegenden Roman werden sie dabei jedoch leider nicht. Das mag zum Teil auch daran liegen, dass das Geschehen an so mancher Stelle nach wie vor ein wenig gehetzt wirkt. Der einen oder anderen Handlungsstation hätte eine kleine Ausdehnung sicherlich ganz gut getan. Doch insgesamt profitiert die neueste «Harry Potter»-Adaption zweifellos von ihrer Zweiteilung. Die Storykürzungen fallen so vor allem im direkten Vergleich mit den Vorgängerfilmen erwartungsgemäß moderat aus. Zahlreiche Elemente des Buches haben es dieses Mal erfreulicherweise auch in den Film geschafft. Durch die dennoch notwendige Verdichtung der Ereignisse im Drehbuch kommt das Endprodukt trotz des zeitweise fast ziellosen Umherirrens seiner Hauptfiguren sogar ein wenig kurzweiliger daher als seine literarische Vorlage, die zumindest in der ersten Hälfte mit ein paar Längen zu kämpfen hatte.
Doch bei all dem Tempo haben Nichtkenner der Reihe mal wieder das Nachsehen, zumal einige Aspekte der Handlung kaum näher erläutert werden und sich so auch ab und an kleinere Logikmängel einschleichen. Wenigstens die letzten beiden Filme sollte jeder Kinogänger noch recht präsent im Hinterkopf haben, um dem Geschehen auf der Leinwand folgen und die notwendigen Zusammenhänge nachvollziehen zu können. Aber selbst eingefleischte Anhänger der Filmversionen könnten ohne Kenntnis der Bücher stellenweise leichte Schwierigkeiten bekommen oder zumindest die plötzliche Einführung einiger Figuren etwas befremdlich finden, macht sich doch nun ein Nachteil der Entscheidung bemerkbar, die Verwirklichung der Kinoadaptionen bereits in Angriff zu nehmen, während die eigentliche Vorlage noch nicht zu Ende erzählt war. So tauchen mit einem Mal Charaktere auf oder werden Beziehungen zwischen verschiedenen Charakteren geknüpft, die in den Romanen bereits an früherer Stelle behutsam vorgestellt, für die entsprechenden Verfilmungen aber als zu unwichtig erachtet wurden. Da einige dieser bislang ausgelassenen Stränge für das Finale jedoch von Bedeutung sind, finden diese nun noch nachträglich und meist etwas unbeholfen ihren Einzug in die Geschichte, was den Verlauf der Haupthandlung zwar nicht merklich stört, für die ursprüngliche Komplexität der Nebenhandlungen oder eine prägnante tiefergehende Charakterzeichnung in vielen Fällen aber wenig zuträglich ist.
Was die restliche Inszenierung angeht, lässt sich der ehemalige Fernsehregisseur David Yates jedoch kaum etwas zu Schulden kommen. Wirkliche Höhenflüge vermisst man zwar, doch kann der Brite seinem bisherigen «Potter»-Stil treu bleiben, ihn aber auch durchaus mit einigen originellen Ideen anreichern. Etwa wenn er trotz der düsteren Bilder teils wunderschöne Landschaftsaufnahmen präsentiert, mit einem 360-Grad-Schwenk der Kamera in Kombination mit gelungenen visuellen Effekten die Spannung einer brenzligen Situation gekonnt steigert oder das Geschehen mit einer kurzen, sehr sehenswerten Animationssequenz auflockert, welche die Hintergründe zu den titelgebenden Heiligtümern des Todes äußerst stimmungsvoll näher beleuchtet.
Insgesamt ist der erste Teil des «Harry Potter»-Finales also erneut ein sehr packender Mix aus Action, Drama, Fantasy und Thriller, der Fans der Vorlage aufgrund seiner Werktreue diesmal wieder weniger verärgern sollte. Größter Wermutstropfen ist es da noch, dass der Film eben gerade wegen seiner ansonsten so förderlichen Zweiteilung alleine natürlich doch ein wenig verloren dasteht. Die primäre Funktion der ersten Hälfte ist es nun mal, die grundlegenden Konstellationen zu etablieren und somit den eigentlichen Showdown vorzubereiten. Gerade wenn die Handlung mit einer sehr ergreifenden Szene und anschließendem Cliffhanger wieder ordentlich an Fahrt aufnehmen will, ist die Reise fürs Erste auch schon wieder vorbei. Doch steigert dies nur noch mehr die Vorfreude auf den wirklich letzten «Potter»-Film (Kinostart: 14. Juli 2011), der, gemessen an seinem gelungenen direkten Vorgänger, die Reihe krönend abschließen dürfte.