Die Kritiker: «Fasten à la Carte»

Inhalt:
Über Geschmack lässt sich nicht streiten? Unsinn, meint Gilles Demmonget, professioneller Gourmetkritiker mit einer eigenen Kochshow im deutschen Privatfernsehen. Statt selbst zur Pfanne zu greifen, testet Gilles die Gerichte seiner Gäste – und pfeffert sie anschließend verbal in die Altmülltonne. Bei ihm bekommt jeder sein Fett ab: im privaten Kreise lässt er sich beispielsweise über die soeben erst kennengelernte Marit aus, die auf Sylt ein Fastenhotel leitet. Doch dem „Riesen des guten Geschmacks“ vergeht das Lachen als er bei einem Sturz auf den Kopf seinen Geruchs- und Geschmackssinn verliert.

Schlechtes Timing, hat Gilles doch zugesagt ein öffentliches Kochduell mit dem Newcomer Paul Scheffke auszutragen, um seine sinkenden Einschaltquoten zu verbessern. Auf den Rat seines Arztes und Freundes hin, reist der Kochtitan kurzerhand nach Sylt, um mithilfe einer Fastenkur seine Sinne zu schärfen. Dort erwartet ihn natürlich zum einen die wenig aufgeschlossene Marit und zum anderen recht eigenwillige Gäste, darunter auch ein ehemaliger One-Night-Stand. Außerdem wird ganz nebenbei noch gehungert – für Gilles kein Zuckerschlecken.

Darsteller:
Dietmar Bär («Tatort») ist Gilles Demonnget
Inka Friedrich («Sommer vorm Balkon») ist Marit Hansen
Martin Brambach («Polizeiruf 110») ist Hajo Zimmermann
Catrin Striebeck («Gegen die Wand») ist Diana
Stephan Schad («Koffie to go») ist Klaus Risto
Hannes Hellmann («Einsatz in Hamburg») ist Wolf Heine
Maxim Mehmet («Männerherzen») ist Paul Scheffke

Kritik:
Von Liebe allein wird keiner satt. Diese Binsenweisheit haben sich die Drehbuchautoren Kathrin Wilkes und Anne Otto bei ihrer Arbeit zu «Fasten à la Carte» wohl besonders zu Herzen genommen. Unterstützt wurden sie darin von Brachengröße Gernot Gricksch («Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe»), der ihrem Skript den endgültigen Schliff verlieh. Und das erfolgreich – der von Hans-Erich Viet inszenierte Fernsefilm passt perfekt in die ARD-Themenwoche “Essen ist Leben“ und macht einen insgesamt sehr guten Eindruck.

Damit genug der Koch-Metaphern und zu den ersten Pluspunkten des Filmes, allen voran Hauptdarsteller Dietmar Bär, bekannt durch seine Rolle des Freddy Schenk im «Tatort», die er nun schon seit 1997 inne hat. In «Fasten à la Carte» zeigt sich der 49-Jährige von einer etwas anderen Seite, nämlich der des voreingenommenen, ewig zynischen Gilles, bürgerlich Günter Esser. Bär spielt überzeugend und mit sichtlich viel Spaß an der Figur, die einen knallharten Spruch nach dem anderen loslässt. Unter dem „dekandenten Dicken“ muss auch Marit Hansen leiden, verkörpert von Inka Friedrich. Zwei dank pointierten Dialogen und realistischer Annäherung sehr liebenswerte Charaktere, die -wie könnte es anderns sein- nach und nach durch den Magen zueinander finden.

Wäre es bei Küche und Liebe geblieben, wäre aus «Fasten à la Carte» nicht mehr viel geworden. Erst der bitterböse Sarkasmus mit dem hier gehandelt wird, macht den Film sehenswert: auf den Arm genommen wird unter anderem die stetig wachsende Popularität von Kochshows im deutschen Fernsehen sowie deren geistreicher Moderatoren und nicht zuletzt die geldgeile Bouvelardpresse. Die bekommt durch den fantastischen Martin Brambach ein Gesicht verliehen. Dieser heftet sich als Hajo Zimmermann an Gilles Fersen, um ihn wegen Vertragsbruch vor Gericht ausbluten zu lassen und sorgt dabei für die besten Szenen des Filmes. Die schrulligen Gäste der Fastenpension, unter ihnen ein allwissender LKW-Fahrer sowie ein Ehepaar im Geschlechterkrieg, verleihen dem Film zusätzlich Farbe. Ganz klar, es ist die Tänzelei mit den Klischees einer typischen Liebeskomödie, die den Film so unterhaltsam gestaltet.

So kommt es auch, dass auf Liebesgeständnis nicht augenblicklich Kuss und Abspann folgt. «Fasten à la Carte» nimmt sich die Zeit, seine Romanze zum Teil der Nebenplots zu machen, den roten Faden also durch alle Löcher zu fädeln. Eine der gelungensten Szenen ist deshalb auch die, in der Marit Gilles endlich verfällt – ohne das dabei auch nur ein Wort über das Thema verloren wird. Das eigentliche, keine Überraschung: Essen. Passend dazu gibt es auch noch Cameo-Auftritte von Sarah Wiener und Rainer Sass, die den harmonischen Flair des Stückes auf seine Spitze treiben. Zwar überstrapaziert man das Thema ab und an, nicht zuletzt mit Gilles immer pfiffigem Kontra – doch summa summarum lässt sich das Werk nur empfehlen.

Das Erste zeigt «Fasten à la Carte» am Mittwoch, den 27. Oktober 2010 um 20:15 Uhr.
25.10.2010 14:45 Uhr  •  Marco Croner Kurz-URL: qmde.de/45406